Von Ekaterina Quehl
Wie stark in Deutschland der allgegenwärtige Belehrungsdrang ist, weiß wahrscheinlich jeder Bürger. Damit er den Überblick angesichts der unzähligen Möglichkeiten zum Glücklichsein nicht verliert und stets weiß, wie er sein eigenes Leben richtig zu gestalten hat, gibt es bereits ganze Institute. Doch zum Glücklichsein reichen nicht nur Empfehlungen, wie der Bürger sein privates und berufliches Leben zu leben hat. Vielmehr ist es notwendig, dass er es mit gutem Gewissen macht. Und dazu muss er natürlich wissen, was ihm ein gutes Gewissen verschafft: Das Wählen der „richtigen“ Parteien, Verständnis für Straftäter, die Nutzung der „richtigen“ Verkehrsmittel, Vorliebe für „richtige“ Personenkreise, Medien oder Meinungen, Angst vor dem Klimawandel und Rechtsradikalen und Ausschließen derjenigen, die diese Prinzipien nicht befolgen. Lässt man sich entspannt belehren, hat man ein glückliches, richtiges und gewissenhaftes Leben in Deutschland.
Dass solch eine Einstellung oft mit der Realität nicht kompatibel ist und dabei ein paar Unternehmen pleite gehen, Kriminelle und Vergewaltiger unbehelligt agieren, Drogendealer in Parks ihr Unwesen treiben, es an Ärzten, Lehrern und Pflegern mangelt und letztlich die Bahn fast immer zu spät kommt – das stört überhaupt nicht. Solange die Bürger so tun, als ob all diese Miseren nicht existieren oder ihnen nichts ausmachen, weil es größere Probleme wie etwa die „Gefahr von rechts“ gibt, wird das beste Deutschland aller Zeiten nur noch besser werden. Und wer den Widersprüchen unserer komplexen Welt nicht gewachsen ist, ist ein „Verschwörungstheoretiker“.
Doch gerade diese Widersprüche zeigen, wie groß die Diskrepanz zwischen Ideologie und Realität ist. Etwa im Bereich Klima werfen sie die grundlegende Frage auf: Sind die sogenannten Maßnahmen zum Klimaschutz überhaupt ernst gemeint oder zielen sie vielmehr darauf ab, den konformen Bürger noch konformer zu machen? Helfen sollen ihm dabei zahlreiche Vorschriften. Wattestäbchen und Strohhalme aus Recyclingpapier ersetzen Plastik, Plastiktüten werden verboten, und die „beliebten“ festgebundenen Plastikdeckel sollen die Welt retten. Das neue Heizungsgesetz soll den Hausbesitzern nicht nur das Leben schwer machen, sondern diese auch erziehen. Und ein freiwilliges Spendenangebot zur Reduzierung der flugbezogenen CO2-Emissionen soll nicht nur das schlechte Gewissen der Urlauber fördern, sondern auch hochwertige „Klimaschutzprojekte“. Alles, um das Pflichtbewusstsein und die Angst der Bürger auf Hochtouren zu halten und den richtigen Weg zum konformen und klimabewussten Glück zu zeigen.
Und so könnte man denken, dass es doch sinnvoll wäre, diesen gewissenhaften Weg als Gesellschaft gemeinsam zu beschreiten. Dass Politiker sich dabei der Regierungsfliegern bedienen, und Klimaschutzaktivisten zwischendurch ihren Urlaub auf Bali verbringen, sind verdiente Privilegien. Aber wie machen es Großkonzerne und Unternehmen?
Ein aktuelles Beispiel aus der Alltagsarbeit einer großen Gastronomie-Kette, die stolz mit Made-In-Germany-Produkten wirbt, verrät, wie dreist die ganzen Abläufe am achso lebenswichtigen Klimaschutz vorbei ziehen und es nur noch darum geht, Produktionskosten zu reduzieren und Profite zu erzielen.
Ein Insider berichtet:
„Ich arbeite im Unternehmen seit über 20 Jahren und es tut mir weh zu sehen, wie es sich in den letzten Jahren gewandelt hat. Als ich angefangen habe, war ich stolz, dort zu arbeiten und den Kunden unsere Produkte zu verkaufen. Weil ich wusste: Sie sind hochwertig und es ist genau das drin, was auf der Verpackung steht.
Mittlerweile ist es nur noch traurig. Zwar werben wir mit Nachhaltigkeit, veganen Gerichten und Mehrfach-Containern. Doch wenn Kunden kommen, möchten sie einfach nur gut essen und die gewohnten Gerichte haben. Vegane Gerichte interessieren sie nicht und sie schmecken zudem auch sehr schlecht und die Benutzung von Mehrfach-Containern, die nur mit einer App funktioniert, ist für sie zu umständlich. Die Qualität von unseren üblichen Gerichten hat massiv nachgelassen. Überall wird gespart: Portionen werden kleiner zum gleichen Preis, manchmal gehen vorgefertigte Gerichte schon bei der Zubereitung kaputt und können dem Kunden nicht mehr serviert werden. Sie werden weggeworfen. Seit einiger Zeit bietet unser Unternehmen Rabatte an, um doppelte Mengen zu verkaufen, das heißt Couponing. Durch den Couponing wird den Kunden suggeriert, dass sie richtig Geld sparen können. Doch das ist pure Augenwischerei, weil sie gezwungen sind, durch Coupons viel mehr zu kaufen, als sie wirklich brauchen. Das bedeutet doppelte Nachfrage, doppelte Arbeit, viel mehr Strom- und Wasserkosten, aber gleiches Personal. Das Motto „Masse macht Klasse“ ist falscher Weg und ist auf Dauer geschäftsschädigend.
Wenn die Lieferung von Produkten ankommt, dann ist es gefühlt zwei Drittel Plastikverpackung und ein Drittel Lebensmittel. Das passiert nämlich deshalb, weil das Unternehmen unsere Made-In-Germany-Lebensmittel irgendwohin ins Ausland schickt, wo dann Billigarbeitskräfte diese Lebensmittel verarbeiten und sogar reinigen. Dass sie in so viel Plastik verpackt werden, interessiert dort niemanden, sie haben andere Sorgen. Dem Unternehmen selbst ist es auch egal, sie wollen nur billige Verarbeitung. Das besondere Highligt: Diese ganze Plastikverpackung müssen wir in Restmüllcontainer entsorgen, weil es vor Ort schlicht keine Mülltrennung gibt.
Unser grüner Salat, der in belegten Brötchen und anderen Gerichten serviert wird, ist eine besondere Geschichte. Nach dem Pflücken wird er zum Waschen ins Ausland transportiert. Da der ganze Vorgang einige Tage dauert, inklusive Lieferung per LKWs an unsere Filiale, kann man sich vorstellen, in welchem Zustand der Salat zu uns kommt. Dass er gewaschen ist, nützt nicht viel, weil er zum größten Teil schon faul ist. Wir werfen ihn weg und kaufen frischen Salat in einem Edeka um die Ecke. Dass dieser Vorgang völlig absurd und alles andere als klimafreundlich ist, interessiert niemanden. Es läuft schon seit Jahren so.“
Dieses absurde Beispiel ist leider keine Ausnahme. Um das Klimabewusstsein der Bürger zu fördern, sind auch in anderen Bereichen alle Mittel recht. Dass sie dabei das Gegenteil von dem bewirken, was wir „aus jedem Bügeleisen“ hören – wie man auf Russisch spöttisch Propaganda bezeichnet – wird nicht laut ausgesprochen.
Unternehmen reduzieren Plastikverpackungen und wechseln zu Papier, wobei vergessen wird, dass die Papierherstellung immense Mengen Wasser und Energie verbraucht. Fast Fashion produziert in Entwicklungsländern zu Dumpinglöhnen, rechtfertigt sich jedoch mit „ökologischen“ T-Shirts aus recycelten Stoffen. Dass deren Anteil im Umsatz nicht mal 5 Prozent beträgt, spielt keine Rolle. Über Rohstoffe wie Lithium und Kobalt, die für Batterien in E-Autos genutzt werden, lohnt es sich gar nicht mehr zu sprechen. Zwar erfolgt deren Abbau unter Bedingungen, die alles andere als klima- und gesundheitsfreundlich sind, doch das spielt keine Rolle, solange Verkehrsunternehmen grüne Parteitage fördern.
Auf den heute so populären klimaneutralen Events mögen hier und dort Bäume aufgestellt sein, aber die Emissionen, die beim Anreisen mit den unzähligen Autos und Flugzeugen entstehen, bestehen wahrscheinlich nur aus Luft und Liebe. Schließlich reisen Klimaschützer an. Und sogenannte „Klimajournalisten“, die in öffentlich-rechtlichen Medien ihren Beitrag zur Belehrung und Verängstigung der Bürger leisten, tun dies für deren Geld.
Und so fügt sich alles zusammen zu einem schönen klimafreundlichen Bild: Industrie und Wirtschaft tun so, als ob sie an der Umwelt interessiert sind, zerstören diese aber und sponsern nebenbei Politiker. Politiker tun so, als ob sie an der Umwelt interessiert sind und versuchen dabei, durch Medien und im Zeichen einer Weltrettung ihren Bürgern beizubringen, dass das Wetter (nichts anderes als dessen Durchschnitt ist das Klima) wichtiger als deren Freiheit sei. Und Bürger lassen es über sich ergehen und tun so, als ob die Freiheit eine Nebensache ist, wenn es um die Rettung der Welt geht. Willkommen in der perfekten, potemkinschen Welt der Linksgrünen – einer Welt, in der wir alle gerne und glücklich leben.
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Ekaterina Quehl ist gebürtige St. Petersburgerin, russische Jüdin und lebt seit 20 Jahren in Deutschland. Pioniergruß, Schuluniform und Samisdat-Bücher gehörten zu ihrem Leben wie Perestroika und Lebensmittelmarken. Ihre Affinität zur deutschen Sprache hat sie bereits als Schulkind entwickelt. Aus dieser heraus weigert sie sich hartnäckig, zu gendern. Sie arbeitet für reitschuster.de.
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