Glaubenskriege(r)

Unglaublich, wie tief die politische Kultur in Deutschland gesunken ist, wie totalitär bei vielen wieder das Denken wird, wie sie in ähnliche Fallen laufen wie ihre (Ur-)Großväter und Väter. Die „Kontraktschuld“ lebt wieder auf, McCarthy lässt grüßen. Und wie immer bei totalitärem Denken tun sie natürlich alles im Namen des Guten. Es ist fünf vor zwölf, dass die Freidenker, die Nicht-Ideologen, die zur Selbstreflexion föFähigen in der Mitte und auf beiden Seiten des demokratischen Spektrums endlich ihren Mund aufmachen und die politische und mediale Bühne nicht weiter den Lautsprechern, Glaubenskriegern und Ideologen überlassen. Die Freiheit stirbt langsam, und sie ist wie die Luft: man hält sie für selbstverständlich, und erst wenn sie ausgeht ,merkt man, dass sie lebenswichtig ist. Ich habe das schon einmal in Russland erlebt am eigenen Leib und es erschreckt mich zutiefst, jetzt in Deutschland ähnliche Tendenzen zu erleben. Und genauso wie ich mir in Russland nicht den Mund habe verbieten lassen, genauso wenig werde ich das hier tun.

 

 

 

 

 

 

 

 

Gestern bekam ich eine merkwürdige Mail von einem grünen Abgeordneten aus Baden-Württemberg, die zeigt wie tief die politische Kultur in Deutschland gesunken ist. Hier ist seine Mail und danach meine Antwort darauf:

Sehr geehrter Herr Samad,

wir haben uns anlässlich der Veranstaltung zum säkularen Islam in Frankfurt getroffen.
Gerne wollte ich Sie nach Baden-Württemberg einladen, damit Sie auch bei uns Ihren interessanten Vortrag halten.

Nun hörte ich aber, dass Sie bereits Gast bei der so genannten „Werte-Union“ waren. Deren Vorsitzender Alexander Mitsch, der in meinem Wahlkreis zuhause ist, ist Mitgründer des rechtspopulistischen „Aufbruch 2016“ und steht zahlreichen Positionen der AfD sehr nahe. Seine Gruppe in der CDU betreibt den Ersatz von Frau Merkel als Kanzlerin durch den Konservativen Merz.

Ich wollte Sie fragen, ob Sie mir Ihre Distanz zu der „Werte-Union“ glaubhaft darlegen können. Dies wäre unbedingte Voraussetzung für eine Zusammenarbeit, die ich mir im Übrigen sehr wünschen würde.

Und hier meine Antwort, die ich ihm heute morgen geschickt habe:

Sehr geehrte Herr ….,
dankend lehne ich eine Zusammenarbeit mit Ihnen ab, bis Sie mir glaubhaft beweisen, dass Sie ein Demokrat sind. Wie können Sie es wagen, einem Schriftsteller einen Gesinnungstest zu unterziehen als Voraussetzung für eine Zusammenarbeit mit ihm? Ich bin mir sicher, Sie könnten niemals einem ethnisch-deutschen Schriftsteller eine solche unverschämte Anfrage schicken. 
Nein, ich bin ein freier Mensch und ein freie Schriftsteller, und ich bestimme selbst wo und mit wem ich rede. Im Gegensatz zu Ihnen stehe ich keiner Partei nahe, deshalb muss ich mich nicht von irgendeiner Richtung distanzieren. Ich beobachte alle und kann alle kritisieren, brauche aber diese moralisierenden und ideologischen Stellungnahmen nicht. 
Sie sind ein Abgeordnete, und Sie können mit „Werte Union“ oder mit der AFD“ im Parlament und im Wahlkampf streiten. Von einem Schriftsteller aber zu verlangen, sich von ihren politischen Gegnern zu distanzieren, zeugt von Unfähigkeit, Überheblichkeit und Verachtung der demokratischen Debattenkultur. Und deswegen distanziere ich mich von einer Zusammenarbeit mit Ihnen!

Mit freundlichen Grüßen
Hamed Abdel-Samad

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