Erinnern Sie sich noch an all die Hilfspakete, die für Griechenland geschnürt wurden? Und den – in meinen Augen durchaus berechtigten Ärger – in Deutschland darüber, dass die Steuerzahler hierzulande die mangelnde Haushaltsdisziplin und den Schlendrian in dem Land an der Ägäis mitfinanzieren müssen (wobei man das heute sicher nicht mehr sagen darf, weil sich garantiert irgendein Ideologe findet, der das als rassistisch abtut).
Wer hätte damals, zu Zeiten der Hilfspakete, ahnen können, wie schnell sich alles drehen kann. Denn jetzt sind es die Griechen, die den Deutschen ein Hilfspaket anbieten. Etwas augenzwinkernd zwar, so finde ich, aber nicht ohne eine ernste Grundlage. Griechenlands Tourismusminister Vassilis Kikilias hat die Bundesbürger angesichts von Inflation und ernsten Sorgen um die Energieversorgung aufgerufen, in seinem Land zu überwintern, wie die „Bild“ meldet.
„Für Herbst und Winter wäre es für uns Griechen eine große Freude, deutsche Rentner zu begrüßen, die einen ‘mediterranen Winter‘ mit griechischer Gastfreundschaft, mildem Wetter und hochwertigen Dienstleistungen erleben möchten“, sagte Kikilias dem Blatt. „Wir werden hier auf Sie warten“.
Und nicht nur der Minister ruft in den Süden. Der Bürgermeister der Hafenstadt Chania auf Kreta, Panagiotis Simandirakis, sieht es genauso: „Wir laden jeden Deutschen ein, der in diesem Winter zu uns kommen möchte, um hier zu leben – fern der Krisen“, sagte er der „Bild“. Kreta sei dafür sehr geeignet, „einen Krisen-Winter zu überstehen“. Hier brauche man keine Heizung im Haus. „No German will freeze in Greece“, so der Politiker.
Die griechische Gastfreundschaft ist legendär, und der Aufruf ist ein klassisches „Win-Win“ – weil beide Seiten davon profitieren. Insofern kann man die Einladung nur begrüßen. Etwas nachdenklich macht sie trotzdem: Wie weit ist es gekommen, wenn man nun schon in Griechenland Mitleid mit dem einstigen „Exportweltmeister“ hat? Wo inzwischen die Kommunen schon die Einrichtung von Wärmehallen planen, um den Ärmeren das Frieren in ihren Wohnungen zu ersparen.
Einziges Problem bei dem Angebot aus Griechenland, wie Leser hier völlig zutreffend in den Kommentaren schreiben: Wer in Deutschland Probleme hat, seine Heizung zu bezahlen – kann der sich Griechenland, auch wenn es zumindest im Winter wohl deutlich günstiger ist als Deutschland, leisten?
Zumindest für Bewohner von Berlin mit ausreichend Kleingeld hätte das Überwintern im Süden aber noch weitere Vorteile: Der Service ist dort deutlich besser, man wird freundlicher bedient und es funktioniert alles weitaus problemloser als in der Hauptstadt des grünen Sozialismus. Wenn ich aus Berlin nach Montenegro komme, ist es jedes Mal aufs Neue ein Kulturschock, wie freundlich die Menschen hier sind, und wie exzellent der Service ist. Mein Tipp zum Überwintern ist deshalb der kleine Küstenstaat an der Adria zwischen Kroatien und Albanien, dessen Küste früher Teil von Venedig und dann Österreich-Ungarn war (was man vielen Städten noch auf wunderbare Weise ansieht) und der später zu Jugoslawien gehörte. Schon heute reisen immer mehr Deutsche hierher – viele bleiben auch dauerhaft.
Text: br