Habecks Tourismusstrategie wird zum Rohrkrepierer „Destination Deutschland“: Ernüchterung statt Aufbruchstimmung

Von Kai Rebmann

Erhöhung der Mehrwertsteuer, neue CO2-Abgaben, Strafzahlungen bei Verfehlen von Klimazielen oder Dekarbonisierung der Branche. Das waren für Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zumindest gefühlt die wichtigsten Themen auf einem „Tourismus-Gipfel“, zu dem er Reiseveranstalter, Hoteliers und Gastronomen in der vergangenen Woche geladen hatte. Wo „Nationale Tourismusstrategie“ draufsteht, ist in Wirklichkeit ein weiterer Aufbruch zu grünen Ufern drin.

Dabei steht die Branche noch lange nicht wieder da, wo sie anno 2019, also vor der Corona-Krise, einmal war. Das Jahr 2022 war zwar von sanften Signalen der Entspannung geprägt, die Zahl der Übernachtungen in Deutschland erreichte dem „Handelsblatt“ zufolge aber trotzdem erst wieder 76 Prozent des Vor-Corona-Niveaus. Ein denkbar schlechter Zeitpunkt also, um die Reisewirtschaft auf neue Belastungen einzustimmen – sollte man eigentlich meinen.

Nicht so Robert Habeck. Der Minister, dem Ideologie erkennbar über Wohlstand und Aufschwung geht, ließ die Anwesenden gleich zu Beginn der Veranstaltung wissen, dass er in diesem Sommer „auf gar keinen Fall“ in den Urlaub fliegen werde – schließlich sei es rund um Flensburg, Habecks Wohnort, auch ganz schön.

Anreise mit Bus und Bahn?

Urlaub in Balkonien also, oder zumindest innerhalb der bundesdeutschen Grenzen zur Stärkung der hiesigen Anbieter und Destinationen zwischen Allgäu und Nordsee? Ist es also das, was Robert Habeck den Deutschen mit seiner „Nationalen Tourismusstrategie“ zurufen will? Nicht ganz, denn auch ausländische Touristen sollen, zumindest wenn es nach dem Wirtschaftsminister geht, bevorzugt mit Bus und Bahn anreisen.

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Potenzielle Gäste aus Asien oder den USA müssen solche Prioritäten fast zwangsläufig als indirekte Ausladung auffassen. Deutschland ist nach Italien und Spanien zwar das weltweit drittwichtigste Reiseziel, aber eben keine alternativlose Destination in Europa. Neben den genannten Mitbewerbern führt CDU-Tourismusexpertin Anja Karliczek noch Frankreich, Österreich, die Niederlande und die Schweiz ins Feld, die ebenfalls um die Gunst von Touristen aus Übersee buhlen – und denen es im Zweifel egal ist, wie die Leute ins Land kommen.

Das Drängen auf Bus und Bahn ist, jedenfalls in diesem Zusammenhang, also nicht nur völlig realitätsfremd, Karliczek hält es auch für einen grundsätzlich falschen Ansatz: „Die neue Vorgabe lässt eine Vernachlässigung und weniger Präsenz in Übersee-Quellmärkten mit besonders kaufkräftigen Kunden befürchten.“ Weniger Urlaub in Deutschland für ein besseres Klima also?

Markus Heller von der Beratungsfirma Dr. Fried & Partner, die die Einrichtung „Nationale Plattform Zukunft des Tourismus“ federführend übernommen hat, lässt diesen impliziten Vorwurf der CDU-Politikerin nicht gelten. Ziel sei es vielmehr, einen Kahlschlag der Ressourcen zu vermeiden und das „Phänomen des Massentourismus in nachhaltige Bahnen“ zu lenken.

Problem: Die meisten Touristen werden sich von Grünen weder vorschreiben lassen, wie sie die schönsten Wochen des Jahres zu verbringen haben, noch werden sie bereit sein, dafür deutlich tiefer in die Tasche zu greifen. Im Zweifel werden sie ihren Urlaub dann eben woanders buchen. Es findet also keine Reduktion oder gar Vermeidung von CO2-Ausstoß statt, sondern lediglich eine geografische Verlagerung desselbigen in die unmittelbare Nachbarschaft – aber diese einfache Wahrheit werden Robert Habeck und die Grünen wohl weder verstehen noch akzeptieren.

Bürokratie schreckt viele Gäste ab

Der Weg zum Urlaub in Deutschland ist aber noch mit weiteren Stolpersteinen gepflastert, für das in diesem konkreten Fall das von Annalena Baerbock geführte Außenministerium verantwortlich ist. Anja Karliczek wollte im Rahmen einer Kleinen Anfrage wissen, wie es sein kann, dass Touristen etwa in Indien, Südafrika, China, Vietnam, Indonesien, Thailand oder den Golfstaaten bis zu 16 Wochen auf einen Termin zur Visa-Beantragung warten müssen.

Die Antwort: „Aufgrund unterschiedlicher Kapazitäten der Visastellen der Schengen-Staaten in China und einem sehr unterschiedlichen Aufkommen an Reisenden können trotz aller Bemühungen zuweilen unterschiedliche Priorisierungsentscheidungen zu unterschiedlichen Visumvergabepraktiken unter den Schengen-Staaten führen.“ Worin diese Unterschiede in der Priorisierung genau bestehen, blieb leider das Geheimnis des Hauses von Annalena Baerbock.

Auf die Urlaubspläne der Gäste aus Übersee hat das nach Ansicht von Karliczek dann diese Auswirkung: „Sie reisen dann vor allem nach Frankreich, Österreich, in die Niederlande und die Schweiz, die Schengen-Visa für Touristen und Geschäftsreisende rasch und vergleichsweise unkompliziert erteilen.“

Bemerkenswert, wenn auch etwas überspitzt auf den Punkt gebracht: Während es bei Flüchtlingen seit Jahren reicht, wenn diese an der deutschen Grenze das Wort „Asyl“ ausrufen, werden potenziell zahlungskräftige Gäste fast schon mit bürokratischer Gewalt an einem Urlaub in Deutschland gehindert.

Nachwehen der Corona-Krise

Neben diesen aktuellen Baustellen, die sich nicht zuletzt durch die geplante Umsetzung der „Nationalen Tourismusstrategie“ auftun, hat die Branche in Deutschland aber auch noch mit den Nachwehen der Corona-Krise zu kämpfen. Ein Beispiel ist die vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer für Speisen von 19 auf 7 Prozent, die Anfang 2024 auslaufen soll.

Es mag sich formal zwar nur um die Rücknahme einer zuvor gewährten Erleichterung handeln, für die Gastronomen kommt dieser Schritt faktisch aber dennoch einer Erhöhung der Mehrwertsteuer gleich. Dabei ließe sich eine dauerhafte Senkung durchaus verargumentieren. Schließlich ist auch eine nur „temporär“ gültige Steuer noch nie zurückgenommen worden. So wurde im Jahr 1902 zur Refinanzierung der kaiserlichen Kriegsflotte die Schaumweinsteuer eingeführt – und wird bis zum heutigen Tag erhoben.

Auch die ausufernde Inflation treibt Dehoga-Geschäftsführer Jürgen Benad die Sorgenfalten auf die Stirn, wenn er von „enormen Kostensteigerungen bei Lebensmitteln, Energie und Gehältern“ spricht. Den Personalmangel und die Tilgung „pandemiebedingter Kredite“ – bei denen man korrekterweise von „maßnahmenbedingten Krediten“ sprechen müsste – hat der Experte als weitere Herausforderung für die Betriebe ausgemacht.

Unter dem Strich blieb bei den Teilnehmern der Auftaktveranstaltung zur „Nationalen Tourismusstrategie“ eher Ernüchterung als Aufbruchstimmung zurück. Nicht wenige hatten den Eindruck, das die akuten Probleme unter dem Deckmantel der „Nationalen Plattform Zukunft des Tourismus“ schlicht auf die lange Bank geschoben werden sollen. Das „Handelsblatt“ zitiert Teilnehmer, die den Gipfel als „eine groteske Veranstaltung und Zeitverschwendung“ bis hin zu einem „Rohrkrepierer“ bezeichneten.

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

Bild: Harry Wedzinga/Shutterstock

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