Von Elias Huber
Die Bundesregierung geht offenbar den Gewerbe-Vermietern an den Kragen. Die könnten bis zur Hälfte ihrer Mieteinnahmen verlieren, die seit Beginn der Corona-Krise angefallen sind, wenn ihre Mieter das Geschäft aufgrund des Lockdown schließen mussten. Das geht aus einem Fachaufsatz hervor, der am Donnerstag in der “Neuen Juristischen Wochenschrift” erschienen ist. Unter dem Titel “Mietrechtliche ‚Blitzgesetzgebung‘ in Pandemiezeiten” schreibt der Anwalt Volker Römermann, die Gewerbemiete “steht damit für den gesamten Zeitraum seit März 2020 infrage und kann nachträglich herabgesetzt werden”.
Außerdem müssten die Gerichte entsprechende Klagen vorrangig und beschleunigt behandeln. Ein erster Termin solle spätestens einen Monat nach Zustellung der Klageschrift erfolgen, schreibt Römermann, der laut Handelsblatt “einer der führenden Insolvenzexperten Deutschlands” ist. Der Professor an der Berliner Humboldt-Universität erwartet denn auch wegen der neuen Regelung “eine größere Zahl von Prozessen”. Das Gesetz erstreckt sich dem Aufsatz zufolge auf alle Räume, die nicht zu Wohnzwecken dienen, also auch Stätten von Kultur und Sport oder Büroflächen, die aufgrund von Homeoffice-Regelungen nicht genutzt werden.
Sollte Römermann Recht behalten, dürfte das Gesetz de facto einer Enteignung der Gewerbe-Vermieter gleichkommen. Die müssten wohl auf die Hälfte ihrer Mieterträge verzichten, solange der Staat die Geschäfte weiter schließen lässt.
Kurios ist auch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes mit dem sperrigen Namen “Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht”. Die Bundesregierung führte die Regelung offensichtlich durch die Hintertür ein. Am 13. Dezember verabredete Kanzlerin Angela Merkel in einer Telefonkonferenz mit den Ministerpräsidenten, das Mietrecht aufgrund der Corona-Krise anzupassen, wie Römermann ausführt.
Bereits wenige Tage später, am 15. und 16. Dezember, fügte der Rechtsausschuss des Bundestags eine entsprechende Regelung in das Restschuldbefreiungsverfahrensverkürzungsgesetz ein. Bis dahin behandelte der Entwurf des Gesetzes aber gar keine mietrechtlichen Fragen, schreibt Römermann und kommentiert: “Offenbar war der Gesetzgeber gut vorbereitet.”
Am 17. Dezember verabschiedete der Bundestag das Gesetz. “Ich bin mir fast sicher, dass nicht einmal 10 Prozent der Abgeordneten in einer Umfrage gewusst hätten, über was sie genau abstimmen”, sagt Römermann in einem Interview mit dem Hedgefonds-Manager Florian Homm (siehe hier ab 17:49). Bereits am 31. Dezember trat das Gesetz in Kraft.
Indes ist die Änderung bislang kaum der breiten Öffentlichkeit bekannt, wie Römermann im Interview erklärt. Laut einer Suche mit Google News berichteten vor allem Fachmedien über die Neuerung. Die Wirtschaftswoche führte am 21. Dezember zudem ein Interview mit Römermann.
Bisher mussten die Gewerbemieter allein die Kosten des Lockdown tragen. Die Gerichte hatten Klagen von Mietern abgewiesen, die wegen der Geschäftsschließungen weniger Miete zahlen wollten. Die Richter argumentierten unter anderem, die Mieter sollten auf den Online-Versandhandel umsteigen oder Rabattaktionen starten, um Umsätze zu erwirtschaften. Laut dem neuen Gesetz können Gewerbemietverhältnisse nun unter den Paragrafen 313 des Bürgerlichen Gesetzbuches fallen, wie Römermann im Aufsatz schreibt. Der regelt eine sogenannte “Störung der Geschäftsgrundlage”.
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Text: eli
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