Seit langem kritisiert die Bundesregierung eine Einmischung der Politik in die polnischen Gerichte. Nur gut, dass sie die Maßstäbe, die sie an Polen anlegt, nicht bei sich selbst anwendet. Verfassungsgerichts-Präsident Stephan Harbarth (50) war früher Vize-Chef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und ist ein Vertrauter von Angela Merkel. Seit sie ihn in Karlsruhe installiert hat, wirkt das Gericht wie gleichgetaktet mit der Regierung. Kritiker sagen, es schütze weniger das Grundgesetz vor den Mächtigen als umgekehrt.
Umso brisanter ist, was jetzt an die Öffentlichkeit kam. Es besteht der Verdacht, dass es dunkle Flecken in der Biographie des obersten Verfassungshüters gibt. Das würde automatisch die Frage hervorrufen, ob er damit erpressbar ist. Zur Erinnerung: In sozialistischen Systemen ist es eine Tradition, Leute mit dunklen Flecken auf wichtigen Positionen zu installieren, weil sie dann erpressbar sind. Ein Mann aus dem Umfeld Putins sagte mir einmal, es sei viel zu gefährlich für den Kreml, jemand in ein wichtiges Amt zu hieven, gegen den man nichts in der Hand habe in Form von „Kompromat“, um ihn notfalls zu steuern. Der russische Begriff „Kompromat“ steht für kompromittierendes Material. Hat sich diese Tradition, die auch die postkommunistischen Regierungen in vielen Ländern übernommen haben, unter der früheren FDJ-Funktionärin Merkel auch in Deutschland eingeschlichen?
Die „Bild“ hat jetzt peinliche Fragen zu Habarths Vita: „Wer waren die Gutachter, die für seine Ernennung zum Honorar-Professor (Uni Heidelberg) entscheidend waren? Ging hier alles mit rechten Dingen zu? Das Verwaltungsgericht Karlsruhe urteilte in einem Rechtsstreit, dass die Uni die Namen nennen muss. Die Uni will dagegen kämpfen und in Berufung gehen.“
Laut der Zeitung teilte der Verwaltungsgerichtshof mit, dass in der zweiten Jahreshälfte eine Entscheidung gefällt werden soll. Woher kommt die Angst vor dem Herausrücken des Namens?
Weiter schreibt das Blatt, Harbarth sei bei Anfragen zu seinem umstrittenen Verfassungsrichter-Dinner mit Angela Merkel (CDU) im Kanzleramt am 30. Juni 2021 äußerst einsilbig: „Obwohl die heikle Corona-Politik Gesprächsthema des Abends sein sollte, wurde in den Wochen zuvor dazu angeblich fast nichts schriftlich festgehalten. Das Verwaltungsgericht entschied, dass das Verfassungsgericht verpflichtet war, die Fragen zu beantworten.“
Bei Juristen löst all das Kopfschütteln aus. Der Rechtsanwalt Prof. Niko Härting sagte zu Bild: „Karlsruhe hat Nachholbedarf in Sachen Transparenz.“
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Text: br