„Hartz IV bedeutet keine Armut“, sagte Jens Spahn (CDU) im Jahr 2018. Für ihn sei klar, „dass unser Sozialsystem tatsächlich für jeden ein Dach über dem Kopf vorsieht“. Mit Dächern über dem Kopf kennt sich der Christdemokrat jedenfalls aus: Wie sich nun herausstellte, ist er in Sachen Immobilien nicht unbedarft. Schon im Frühjahr sorgte es für Schlagzeilen, dass er sich eine Villa in Berlins bestem Viertel kaufte. Wer über den Kaufpreis in schwindeliger Höhe berichtete, musste mit einer Abmahnung von Spahns Anwälten mit saftiger Gebühr rechnen. Selbst Blogger auf Youtube waren nicht vor den Anwälten des Ministers sicher. Obwohl es höchstrichterliche Entscheidungen gibt, nach denen bei Prominenten der Kaufpreis von Immobilien genannt werden darf – wegen des öffentlichen Interesses. Inzwischen laufen diverse Verfahren.
Kritiker monierten, dass Spahn ausgerechnet mitten in der Krise auf dem Immobilienmarkt so kräftig zulangte und eine Luxus-Villa mit schönem Anwesen (im Volksmund „NeuSpahnstein“) erwarb – wo er gleichzeitig Millionen Menschen in engen Wohnverhältnissen mehr oder weniger in Hausarrest schicken ließ. Zudem wurde kritisiert, dass der Minister seinen Haus-Kredit ausgerechnet von einer Sparkasse bekam, in deren Gremien er vor noch gar nicht allzu langer Zeit selbst saß. Nun stellt sich heraus: Der Villen-Kauf war nicht das erste Immobiliengeschäft des Ministers. Und auch eines der anderen hat nach Ansicht seiner Kritiker ein „Geschmäckle“.
Auf die Frage nach einem Bericht im Tagesspiegel, demzufolge Spahn vom heutigen Chef des von Spahns Ministerium mehrheitlich kontrollierten Gesundheitsunternehmens Gematik eine Wohnung für eine hohe Summe erworben habe, und wie das Ministerium den zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Kauf und der Beförderung des Spahn-Freundes bewerte, antwortete Minister-Sprecher Hanno Kautz gestern in der Bundespressekonferenz: „Die beiden kennen sich seit sehr vielen Jahren. Es ist richtig, dass Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im August 2017 eine Wohnung von Markus Leyck Dieken erworben hat. Allerdings steht das, wie das in dem Text insinuiert wird, in keinem Zusammenhang mit der Berufung von Markus Leyck Dieken zum Geschäftsführer der Gematik. Im August 2017 war weder absehbar, dass Jens Spahn Bundesgesundheitsminister wird, noch waren die Mehrheitsverhältnisse in der Gematik – das ist eine Gesellschaft – so, dass der Bund sagen konnte, wen er dort als Geschäftsführer haben wollte. 2019 hat das Bundesgesundheitsministerium die Mehrheitsanteile übernommen, und erst im Juli 2019 ist Herr Leyck Dieken Geschäftsführer der Gematik geworden. Es gibt also keinen Zusammenhang. Wenn ich den Artikel richtig gelesen habe, hat Herr Leyck Dieken außerdem auch gesagt, er habe sogar auf Gehalt verzichtet, um diesen Job als Geschäftsführer der Gematik anzunehmen. Ich denke, insofern entzieht das diesem Bericht die Grundlage.“
Vorwurf der Vetternwirtschaft
Das kann man auch anders sehen. Dass unter Spahns Ägide im Gesundheitsministerium ein Freund Spahns Chef eines der großen Unternehmen wird, über die das Ministerium faktisch Kontrolle ausübt, ist durchaus etwas, das zumindest den Verdacht von Vetternwirtschaft nicht ganz abwegig erscheinen lässt.
Zumal Kritiker sagen, man nehme es im Hause Spahn mit der Trennung von Politik, Freundschaft und Geschäft nicht allzu genau. Sie verweisen etwa auf einen anderen heiklen Moment: So ist das Ehepaar Spahn befreundet mit US-Botschafter Richard Grenell. Und Spahns Gatte Daniel Funke, dem Kritiker eine Verbindung zur millionenschweren Funke-Mediengruppe mit ihren vielen Tageszeitungen nachsagen, machte für die Bunte eine große Homestory aus der Botschafter-Villa Grenells (das Gerücht, dass Spahn genau diese Villa kaufte, hält sich hartnäckig). Ohne auf die freundschaftliche Beziehung hinzuweisen – was nicht sehr journalistisch ist.
Klaus Raab schrieb dazu auf der Plattform „Altpapier: „Nun kann der Mann eines Politikers natürlich einen Diplomaten und seinen Partner seine Friends nennen, auch wenn er Journalist ist. Schmierig wird es, wenn dieser Journalist anschließend eine Home-Story plus buntem Interview mit diesen Friends in der Zeitschrift platziert, deren Hauptstadtbüro er leitet – mit Fotos wie aus einem Luxuseinrichtungskatalog und mit Fragen, die sich die Pressesprecher der Friends kaum schöner hätten ausdenken können.“
‘Der realen Lage nicht nahe‘
Spahn nennt über die beiden erwähnten Objekte noch eine dritte Immobilie in Berlin sein eigen: Eine Wohnung mit 171 Quadratmeter Wohnfläche im begehrten Stadtteil Schöneberg. Diese hatte er im Juli 2015 gekauft. Zum Zeitpunkt des Kaufes war Spahn Abgeordneter und Parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium.
Als Spahn nach seiner Aussage, Hartz-IV sei keine Armut, von einer Hartz-IV-Empfängerin eingeladen wurde, doch mal einen Monat lang von der Grundsicherung zu leben, lehnte der heutige Minister das Testangebot ab. Bürger könnten so einen Rollentausch als „Farce“ wahrnehmen, so seine Begründung: „Denn zu offenkundig käme mein beruflicher Alltag auch dann der realen Lage eines Hartz-IV-Empfängers nicht nahe.“
Bild: photocosmos1/Shutterstock
Text: red
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