Ein Gastbeitrag
Mein Name ist XXX, ich bin seit XXX in der Flüchtlingshilfe tätig und seit XXX an der hier vor Ort ansässigen Volkshochschule in Deutschkursen und Integrationskursen. Integrationskurse sind Kurse vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und umfassen in der Regel 600 Stunden Sprache bis zum Zielniveau B1 und 100 Stunden „Leben in Deutschland“ mit Politik, Grundgesetz, Geschichte, Kultur.
Meine Erfahrungen sind vielfältig, ich habe immer gerne gearbeitet und die Menschen sind mir oft ans Herz gewachsen. Die Realität ist, die meisten haben Probleme beim Deutschlernen, egal aus welchem Land sie kommen. Und viele haben kaum oder gar keine Kontakte zu Deutschen (außerhalb von Flüchtlingshilfe und Behörden). Es gibt auch Integrationskurse für Analphabeten, die ebenfalls immer gut ausgelastet sind. Es gibt nicht wenige, die schon in ihrer Muttersprache Probleme mit dem Lesen und Schreiben haben. Die Ukrainer bilden hier keine Ausnahme, es ist ein Unding, dass Unterschiede in der Behandlung von Flüchtlingen gemacht werden. Wer kann denn hier arbeiten, der nicht zuvor ein Minimum an Deutsch gelernt hat? Wie unrealistisch.
Ja, es gibt die gut ausgebildeten Akademiker, die nach Deutschland kommen. Die lernen die Sprache in Nullkommanichts und haben dann auch schnell eine Arbeit. Das sind aber sehr wenige. Besonders aufgefallen ist es mir bei den jüngsten Flüchtlingen aus der Türkei, die oftmals vor Gefängnisstrafen geflüchtet sind, weil sie zu den türkischen „Freidenkern“ gehören und nicht mit Erdogans Politik übereinstimmten. Das sind dann häufig Lehrer (die Gülen-Schulen, die ja schließen mussten), Ärzte, Studenten, Ingenieure, Architekten. Aber es heißt auch da nicht, dass z. B. ein Tierarzt besonders gut Deutsch lernen kann und auch gute soziale Kontakte hinbekommt. Oder hier glücklich ist und unser Land, die Sprache, unsere Kultur und unsere Werte inkl. der Grundrechte mag! Was ja eine Voraussetzung für gelungene Integration ist.
'Mit einem Messer dum dum dum'
Es ist viel, viel komplizierter und komplexer, als es sich so mancher Politiker vorstellen kann. So romantisch ist das Ganze nicht. Die Ukrainer sind ganz normale Menschen, nur in den Medien sollte uns beigebracht werden, dass sie besonders gut sind. Es gibt überall ganz tolle, wunderbare Menschen und auch das Gegenteil. Das Gewaltverständnis bzw. die Selbstverständlichkeit von Gewalt in vielen Familien oder ganzen Ländern darf auch nicht unterschätzt werden. Ebenso das Frauenbild, die Sicht auf Juden und auf Homosexuelle.
Mir wurde schon gedroht, ich würde „mit einem Messer dum dum dum“ (dabei wurde die Stoßrichtung Richtung meines Körpers gezeigt), wenn ich bei der Prüfung nicht helfen würde (der Mann aus Serbien konnte gar nicht lernen, brauchte aber das Grundniveau A1 um hierbleiben zu können), ein Mann aus dem Iran brachte Geschenke und hatte beschlossen, mich zu heiraten (was er auch schon überall erzählt hatte), er müsse nur meinen Vater fragen. In unserer Stadt gab es auch einen Mord auf offener Straße, der Afrikaner hatte einen Kurs bei mir besucht und dann hat er irgendwann nachts eine Integrationshelferin – eine junge Frau, ebenfalls mit Migrationshintergrund – mit einem Messer getötet. Zum Glück konnte er auf seiner Flucht festgenommen werden. Und so weiter und so fort.
Wissen Sie Herr Reitschuster, wie viele Jahre und wie viele Menschen (hilfsbereite, meist ehrenamtlich tätige, manchmal auch etwas naive Deutsche/Deutschsprachige) es braucht, um einen einzigen Menschen zu integrieren? Wohlgemerkt einen, der auch will. Wir müssen realistisch sein. Ehrlich. Menschlich. Wir dürfen uns, unsere Werte, die Menschen in unserem Land nicht vergessen!
Eins habe ich von meinen „Schülern“ besonders gelernt: Ich habe meine Liebe zu Deutschland wiederentdeckt. Zum Christentum. Zu den Menschen, ihren Bräuchen, der Sprache, zu unseren Grundrechten!!!! Ich bin ein fanatischer Liebhaber unseres Grundgesetzes.
Danke für Ihre Arbeit, Herr Reitschuster und danke für Ihre Zeit.
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