Welche Auswirkungen und Folgen hat die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt? In meinen Augen sind vier Aspekte entscheidend – die ich hier gerne kurz darlege:
1.) War die Wahl eine Abstimmung über die harte Corona-Politik der CDU und der Kanzlerin?
Nein. Es war eine von regionalen Themen dominierte Wahl, bei der nach den Erkenntnissen der Wahlforscher vor allem der als stark wahrgenommene Ministerpräsident Reiner Haseloff eine entscheidende Rolle gespielt hat. Und der setzte sich übrigens zuletzt, kurz vor der Wahl, vorsichtig vom harten Kurs der Kanzlerin in Sachen Corona ab – mit deutlichem Zweifel am Sinn der Bundesnotbremse: „Ob dieses Gesetz nötig war, da sich bereits abzeichnete, dass die Inzidenzen sanken“, fragte sich der Landeschef öffentlich. Das Gesetz habe „den rechten Extremisten in die Hände gespielt“, so der Ministerpräsident – offenbar gemünzt auf die AfD. Die Polarisierung gegenüber dieser war Haseloffs Hauptthema im Wahlkampf. Das offenbar verfangen hat. Die Wähler wissen genau, dass die Corona-Politik nicht in Magdeburg entschieden wird.
2.) War die Wahl eine Vorentscheidung für die Bundespolitik?
Nein. Aus den oben angeführten Gründen. Und auch, weil sich in Zeiten von Corona die politische Lage und auch die Stimmungen binnen kurzer Zeit sehr schnell ändern können. Drastisch zugespitzt: Die gut dreieinhalb Monate bis zum Urnengang bergen mehr Änderungspotential und politische Sprengkraft als in normalen Zeiten ein 12-Monats-Zeitraum. Ein wichtiger Faktor ist dabei wohl auch, was noch alles an Skandalen an die Öffentlichkeit kommt – und ob sich die generelle Grundstimmung in Sachen Corona noch grundlegend ändert. Insofern wird die Bundestagswahl 2021 wohl so spannend wie kaum eine seit langer Zeit.
3.) Haben die Sachsen-Anhalter Armin Laschet das Genick gerettet?
Ja. Insofern, dass es „Putsch“-Pläne für den Fall eines Wahldesasters aus verschiedenen Ecken gab. Zum einen hoffte Markus Söder in München angeblich darauf, nach einer Schlappe der Schwesterpartei eine Neuentscheidung über die Kanzlerkandidatur durchzudrücken – quasi eine Rochade. Diese letzte Hoffnung für Söder ist nun obsolet. Ebenso gab es in konservativen CDU-Kreisen die Hoffnung, durch eine erwartete Schlappe der CDU in Magdeburg doch noch Friedrich Merz durchdrücken zu können. Auch wenn beide Pläne wohl kaum realistisch waren – Reiner Haseloff hat seinem Parteichef ganz eindeutig eine Vollkasko-Versicherung für die Kanzlerkandidatur beschert. Besonders pikant daran: Haseloff hatte sich im CDU-internen Kandidaten-Wettkampf eindeutig gegen Laschet und für Söder ausgesprochen.
4.) Wird die Regierungsbildung in Sachsen-Anhalt den Wählerwillen widerspiegeln?
Die Antwort auf diese Frage ist in meinen Augen die wichtigste und die mit der größten Tragweite. Es fällt auf, dass ein entscheidender Aspekt des Wahlabends so gut wie gar nicht thematisiert wird bei ARD, ZDF & Co.: Fast zwei Drittel der Wähler in Sachsen-Anhalt haben für nicht-linke Parteien gestimmt. SPD, Linke und Grüne kommen zusammen gerade einmal auf ein gutes Viertel der gültigen Stimmen: 26 Prozent. Dennoch werden die mitregieren. Das zeigt, in was für einem massiven Dilemma sich unser Parteien-System befindet. Egal was die Menschen wählen – sie bekommen immer (auch) linksgrüne Politik. Insofern ist die AfD, wenn man es zugespitzt ausdrückt, bzw. deren Ausgrenzung aus dem politischen Wettbewerb der Faustpfand für eine linksgrüne Politik: denn ohne sie kann die CDU faktisch nur mit linker Hilfe eine Regierung bilden. Zementiert wurde diese Situation durch Angela Merkels Durchgreifen in Thüringen im Februar 2020. Damals forderte sie aus Südafrika, dass die Wahl von Thomas Kemmerich von der FDP rückgängig gemacht wird, weil sie mit Stimmen der AfD zustande kam – die ohne Absprache erfolgte. Mit ihrer Intervention in Thüringen hat Merkel den Zustand zementiert, dass nur mit linken Parteien Politik gemacht werden kann. Egal, wo man politisch steht – eine Monokultur ist immer gefährlich.
Bild: ARD/Screenshot / Shutterstock
Text: br
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