Ist Gender-Kritik rechtsextrem und toxisch männlich? „Wissenschaft“ absurd

Von Kai Rebmann

„Puh, nochmal Glück gehabt!“ So kommentierte eine unserer Lektorinnen die Entscheidung des Rechtschreibrats gegen den Gender-Sprech. Das gilt für Deutschland aber offenbar nur teilweise und für Österreich noch weniger.

Es wäre wohl vermessen zu glauben, dass sich die Anhänger dieser Fantasie-Sprache, die vornehmlich in Schulen, Universitäten, Redaktionsstuben und Behörden zu finden sind, davon beeindrucken lassen. Denn schon in der Vergangenheit hatte der Rechtschreibrat ganz ähnlich geurteilt, ohne dass dies jemanden interessiert hätte. Dabei sind die Beschlüsse dieses Gremiums bindend – offiziell zumindest.

Woke Diffamierungen aus Österreich

Zur Begründung zitiert die Nachrichtenagentur KNA unter Berufung auf Teilnehmer der Sitzung: „Sonderzeichen innerhalb von Wörtern beeinträchtigen die Verständlichkeit, die Lesbarkeit, die Vorlesbarkeit und die automatische Übersetzbarkeit.“ Ebenso fehle es solchen Begriffen und Texten an „Eindeutigkeit und Rechtssicherheit“, so das Urteil des Rechtschreibrats.

Klingt eigentlich sehr einleuchtend und vernünftig. Doch an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) will man davon nichts wissen. Ein dort angesiedelter Arbeitskreis, der sich eigenen Angaben zufolge mit „allen Fragen und Anliegen, die die Gleichbehandlung betreffen“ beschäftigt, wehrt sich jetzt mit den aus diesen woken Kreisen bestens bekannten Mitteln.

Soll heißen: Anstatt den offenen Diskurs auf der Sachebene zu suchen, wird die Debatte auf die persönliche Ebene verlagert. Weil man die besseren Argumente auf der Gegenseite sieht? Oder man sich schlicht im Alleinbesitz der Wahrheit wähnt?

In einem kürzlich verbreiteten Flugblatt wirbt der Arbeitskreis der ÖAW für eine seiner Veranstaltungen und stellt dabei einige sehr steile Thesen auf, die umso absurder wirken, als dass sie im Gewand der Wissenschaft – und allem Anschein nach mit Wissen und Billigung der Chefetage – verkündet werden.

Darin heißt es unter anderem: Da es sich bei „Anti-Genderismus“ um einen „interdisziplinären Untersuchungsgegenstand“ handele, müsse dieser unter dem Dach einer „feministischen Rechtsextremismusforschung“ betrachtet werden. Doch das sollten nicht die einzigen durchaus kreativen Wort- bzw. Begriffsschöpfungen bleiben.

Weiter heißt es: „Maskulinistische Identitätspolitik ist als Kampf gegen ‚Gender‘ eingebettet in eine Strategie, muskulär-aggressive weiße Männlichkeit zu re-souveränisieren und hierarchische Zweigeschlechtlichkeit zu re-etablieren. Diese Vorgehensweise kultureller Hegemonie basiert auf einer ‚moralischen Panik‘, der vermeintlichen ‚Krise‘ (weißer) Männlichkeit. Weiße Männer werden im autoritär-rechten Diskurs als Opfer von Gleichstellungspolitik und einer generellen ‚Feminisierung‘ der Gesellschaft gezeichnet.“

Kurz gesagt: Wer gegen Gendern ist und/oder behauptet, dass es nur zwei Geschlechter gibt, und zwar genau zwei, muss quasi zwangsläufig auch rechtsextrem und überhaupt ein „alter, weißer Mann“ sein.

‚Gefährliche Immunisierungslogik‘

Dass das generische Maskulinum nichts mit toxischer Männlichkeit und noch viel weniger mit rechtsextremem Gedankengut zu tun hat, braucht man jemandem, der eben solches behauptet, wohl gar nicht erst versuchen zu erklären. Der Plagiatsgutachter und Kommunikationswissenschaftler Stefan Weber probiert es auf seinem Blog trotzdem: „Aus der Tatsache, dass etwas ein interdisziplinärer Untersuchungsgegenstand ist, folgt doch keineswegs, dass er unter das Label der Rechtsextremismusforschung zu fallen hat.“

Weber stellt dabei fest, dass bei eben dieser Aussage „Bedingung und Bedingtes“ logisch nicht zusammengehen. Darüber hinaus transportiere dieser Satz „konnotativ eine gefährliche Immunisierungslogik“, die beim Leser folgende Botschaft hinterlasse: „Wer gegen Gender(n) ist, ist (eigentlich) ein Rechtsextremer.“

Doch damit noch nicht genug, der Experte dreht den Spieß um und hält dem woken Arbeitskreis der ÖAW den Spiegel vor: „Weiße Männer müssen dabei tatenlos zusehen, wie sie zum neuen Feindbild an den Universitäten werden – wegen ihres Geschlechts und der Hautfarbe.“

Schließlich zieht Weber ein Fazit, dem wohl nichts mehr hinzuzufügen ist: „Universitäten werden offenbar immer weniger Schauplatz eines rationalen Diskurses, sondern von polarisierenden Stimmungsmachern. Sie werden zu Orten, für die sich die Schulen schämen müssen. […] Dass die ÖAW dem Ganzen eine Plattform bietet, ist verstörend und skandalös.“

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

Bild: Screenshot Youtube-Video WELT

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