Mehr als jeder dritte Deutsche (35 Prozent) ist für eine allgemeine Corona-Impfpflicht. 49 Prozent lehnen eine solche ab. Das ergab eine repräsentative Umfrage, die ich beim Meinungsforschungsinstitut INSA in Auftrag gegeben habe, um das Stimmungsbild, das in den großen Medien verbreitet wird, zu hinterfragen. Das Institut befragte repräsentativ 2.035 Frauen und Männer, sowohl per Telefon als auch online, wo ja gerade jüngere Menschen besser zu erreichen sind.
Die Befragten sollten sich zu der Aussage „Ich bin für eine allgemeine Impfpflicht“ positionieren. 14 Prozent antworteten mit „weiß nicht“, drei Prozent machten keine Angabe. Besonders groß ist die Ablehnung einer Impfpflicht bei den 30 bis 39-Jährigen – also der Gruppe, die wohl die meisten kleinen Kinder hat. Eine Mehrheit für eine Impfpflicht gibt es nicht einmal bei den Über-60-Jährigen, obwohl dort die Zustimmung mit 47 Prozent am höchsten ausfällt. Allerdings sind die Über-60-Jährigen die einzige Altersgruppe, bei der mehr für eine Impfpflicht sind als dagegen.
Erstaunlich ist die Aufschlüsselung nach Partei-Präferenzen. Die Wähler von Union und SPD (je 55 %) sind mehrheitlich für eine Corona-Impfpflicht, Wähler von AfD (76 %), FDP (71 %), Linke (54 %) sowie Grünen (58 %) mehrheitlich dagegen. Nach anderen Kriterien, etwa Ost/West, Regionen oder Einkommen, ergaben sich bei diesem Thema keine Unterschiede, die so gravierend sind, dass sie relevant für eine Erwähnung wären.
In der selben Umfrage hatte eine Mehrheit ausgesagt, sie würde sich nicht sofort impfen lassen, wenn der Impfstoff zur Verfügung stehe. Darauf angesprochen, sagte der Sprecher von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Hanno Kautz, auf meine Frage in der Bundespressekonferenz am Mittwoch, es werde keine Impfpflicht geben. Auf meine Rückfrage nach einer „indirekten Impfpflicht“ etwa dadurch, dass Vertreter bestimmter Berufe nur noch mit Impfung arbeiten dürften, ging Kautz nicht ein. Er sagte: „Ich kann mich nur wiederholen, die Impfung wird freiwillig sein, es wird keine Impfpflicht geben“ (anzusehen hier).
Die vorliegende Umfrage zeigt einmal mehr, wie sehr es bei der medialen Präsentation von solchen Umfragen auf die Darstellung ankommt und wie leicht hier „Framing“ betrieben werden kann. Je nachdem, ob man die Überschrift „Mehr als ein Drittel der Deutschen für Impfpflicht“ wählt oder „Mehrheit der Deutschen gegen Impfpflicht“, vermittelt man ein ganz unterschiedliches Bild – vor allem beim eiligen Leser. Und das sind heutzutage die meisten. Keine Zahl in der Überschrift zu nennen wäre indes ein journalistisches Schlafmittel. Getreu dem Grundsatz, dass der Aspekt mit dem größten Neuigkeitswert in die Überschrift gehört, habe ich mich für das „Drittel für Impfpflicht“ entschieden – weil es mir die überraschendere Zahl war als die (knappe) Mehrheit dagegen. Aber das ist natürlich subjektiv.
Die exklusive Umfrage bei INSA war nur möglich dank Ihrer Unterstützung, liebe Leserinnen und Leser, für die ich Ihnen herzlich danke. Weitere Umfragen werden folgen.
Bild: wsf-s/Shutterstock
Text: red
Methodische Angaben
Feldzeit:
30.10. – 02.11.2020
Methodik:
Die Umfrage wurde als Online-Befragung durchgeführt. Sie ist gestützt auf eine permanente Telefon-Befragung (INSA-Perpetua Demoscopia).
Stichprobe:
2.035 Personen aus Deutschland ab 18 Jahren nahmen an der Befragung teil.