Manchmal sind es die kleinen Szenen, die fast verborgen bleiben, und die entscheidend sind. Und mehr aussagen als der Rest. Das schien auch gestern bei der Talkshow „Anne Will“ in der ARD so gewesen zu sein. Wie so oft war schon durch die Auswahl der Gäste dafür gesorgt worden, dass nicht allzu viel Widersprüchlichkeiten oder gar Kritik aufkamen: Neben Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) war Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) geladen, Julian Nida-Rümelin, der unter Gerhard Schröder Kultur-Staatssekretär im Kanzleramt war, Ex-Innenminister Gerhart Baum (FDP), dem die heutige FDP zu rechts ist, die Virologen Helga Rübsamen-Schaeff sowie Kaschlin Butt, die Leiterin des Gesundheitsamts Wiesbaden.
Das Thema der Sendung von Anne Will, die extra wegen Corona eine Woche früher als geplant aus der Herbstpause zurückgekehrt war: „Hat Deutschland angesichts exponentiell vor sich hin explodierender Infektionszahlen noch die richtige Strategie“? Ex-Schröder-Mann Nida-Rümelin mahnte, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung werde zu hoch eingeschätzt. Das Silicon Valley und das Finanzamt wüssten ohnehin „alles über uns“, warum sollte das also nicht in der Krise auch das Gesundheitsamt dürfen, so sein gewagter Vergleich. Kaschlin Butt vom Gesundheitsamt Wiesbaden sah das ähnlich. Sie klagte, Ihre Behörde könne die Nachverfolgung „nicht mehr zeitnah leisten“. Dies ist besonders interessant vor dem Hintergrund etwa eines Insider-Berichts aus einem Gesundheitsamt, der beschreibt, wie dort die Zeit verplempert wird (nachzulesen hier).
Eine Stunde lang erläuterte die Runde mehr oder weniger einhellig, warum Merkel toll ist. Ebenso einhellig wurde dafür geworben, Abstand zu halten, und auf die immense Wichtigkeit von Masken verwiesen. Aber sobald die Sendung zu Ende war und die Teilnehmer offenbar dachten, die Kameras seien aus, nahmen sie es mit den gerade noch so inbrünstig geforderten Regeln nicht mehr ganz so genau. Sie standen nahe zusammen. Das war im Abspann noch zu sehen, auch wenn das Bild stark abgedunkelt war. Man stelle sich das hämische Medienecho vor, wäre so etwas bei der FDP oder der AfD passiert.
Ansehen können Sie die Sendung hier.
Bilder: Screenshots ARD
Text: red