Katholische Kirche bezahlt Spielschulden eines Priesters aus Sondervermögen für Missbrauchsopfer Skandal im Erzbistum Köln verstärkt den Druck auf Kardinal Woelki

Von Kai Rebmann

Nur wenige Wochen nach der Wiederaufnahme seines Dienstes steht der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki erneut im Mittelpunkt eines handfesten Kirchenskandals. Aufgrund seines Umgangs mit zahlreichen Fällen von sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen im Erzbistum Köln sah sich Kardinal Woelki in den vergangenen Jahren schon mehrfach mit Rücktrittsforderungen konfrontiert. Im September 2021 hatte Papst Franziskus zwar entschieden, den Kardinal im Amt zu belassen, dem Oberhirten der Kölner Katholiken jedoch eine sechsmonatige „Bedenkzeit“ und „geistliche Auszeit“ verordnet. Nachdem der Kardinal während dieser Zeit von Weihbischof Rolf Steinhäuser vertreten worden war, kehrte er am 2. März 2022 wieder an die Spitze des Erzbistums Köln zurück.

Vor diesem Hintergrund kommt der neueste Skandal im Erzbistum Köln für den Kardinal zur Unzeit. Wie mehrere Medien berichteten, sprang das Erzbistum Köln einem Priester zur Seite, um dessen Spielschulden in Höhe von 500.000 Euro zu begleichen. Das Geld stammte zumindest zum Teil aus einem Sondervermögen, das eigentlich zur Entschädigung von Opfern sexualisierter Gewalt in der Katholischen Kirche gebildet worden war. Zu den bekanntesten Missbrauchsfällen im Erzbistum Köln, die den Kardinal in der Vergangenheit bereits in Bedrängnis gebracht hatten, gehören die Vergehen von „Priester O.“ und „Priester F.“.

Der aktuelle Skandal fällt nach Angaben des Erzbistums zwar in die Amtszeit von Erzbischof Joachim Meisner, Woelkis Vorgänger, könnte für den amtierenden Kardinal aber deshalb zum Problem werden, weil er nach seinem Amtsantritt im Jahr 2014 Kenntnis davon erhalten hat und die Sache offensichtlich hat laufen lassen. Weil das Geld zur Begleichung der Spielschulden des Priesters damals nicht ordnungsgemäß versteuert worden war, wurden zudem Nachzahlungen in Höhe von weiteren 650.000 Euro fällig. Die letztgenannte Summe sei jedoch vollständig aus dem Personalkostenbudget des Erzbistums beglichen worden, wie ein Sprecher gegenüber dem WDR angab.

'Schämt euch in Grund und Boden'

Die Tilgung von Spielschulden eines Priesters mit Geld aus dem Sondervermögen für die Entschädigung von Opfern sexualisierter Gewalt in der Kirche hat in den vergangenen Tagen zu heftigen Reaktionen geführt. Johannes Norpoth, Sprecher des Betroffenenbeirats der Deutschen Bischofskonferenz, wird von der „Welt“ mit folgenden Worten zitiert: „Opfer von Sexualstraftaten, teilweise ohne gesicherte Einnahmen wie bei einem Priester, werden mit einem Betrag abgespeist, welcher weniger als zwei Prozent von dem beträgt, was die Kirche als Ausgleich für die selbst verschuldete finanzielle Schieflage eines Priesters zu zahlen bereit war. Erinnert man sich dann noch der Begründung, dass dies mit Rücksicht auf das Gemeindeleben geschehe, bleibt nur noch auszurufen: Schämt euch in Grund und Boden.“

Den Angaben des Opfervertreters zufolge erhielten 60 Prozent der Antragsteller weniger als 20.000 Euro. In vielen Fällen zahlte die Kirche den Opfern von sexualisierter Gewalt nur einige tausend Euro. Nach der Überarbeitung des Anerkennungssystems könnten die Opfer laut Norpoth künftig mit einer Entschädigung in Höhe von maximal 50.000 Euro rechnen. Auch Maria Mesrian macht es fassungslos, wenn einerseits die Opfer sexuellen Missbrauchs „mit lächerlichen Summen abgespeist“ werden und andererseits „Millionen für eine überflüssige Hochschule oder eben für die privaten Spielschulden eines Priesters verschleudert werden“, wie die Sprecherin der Reform-Initiative „Maria 2.0. Rheinland“ gegenüber dem „Stern“ erklärte.

Kirchenaustritte in Deutschland auf Rekordniveau

Die Katholische Kirche in Deutschland kommt also nicht zur Ruhe und Reformen in vielen Bereichen erscheinen dringend notwendig. Erst im Januar wurde ein Rechtsgutachten zu Missbräuchen in der Erzdiözese München und Freising vorgestellt. In den Wochen danach stieg die Zahl der Kirchenaustritte sprunghaft an. Während in München bis zum 8. April im Vorjahr etwas weniger als 5.000 Menschen aus der Kirche ausgetreten sind, verlor die Kirche in diesem Jahr konfessionsübergreifend im selben Zeitraum 9.074 Mitglieder. In Regensburg lag die Zahl der Kirchenaustritte mit 1.470 mehr als doppelt so hoch wie im Vorjahreszeitraum (681). Einen nur unwesentlich flacheren Verlauf nahm die Kurve der Kirchenaustritte in Augsburg, wo in diesem Jahr bis zum 8. April 1.012 Austritte verzeichnet wurden, was eine Zunahme um mehr als 300 gegenüber dem Vorjahr bedeutet.

Aber auch außerhalb von Bayern setzt sich dieser Trend bundesweit fort und betrifft in etwas abgeschwächter Form auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD). Wie in Regensburg hat sich die Zahl der Kirchenaustritte auch in Freiburg (Baden-Württemberg) von 561 auf 1.183 mehr als verdoppelt. Nicht viel besser sieht es aus Sicht der Kirchen in Hannover (Niedersachen) oder Leipzig (Sachsen) aus, wo die Anzahl der Kirchenaustritte von 1.669 auf 2.140 (Hannover) bzw. von 617 auf 853 gestiegen ist. Nachrichten wie jene vom jüngsten Skandal im Erzbistum Köln dürften das Jahr 2022 für die Kirchen in Deutschland in Bezug auf die Kirchenaustritte im negativen Sinne zu einem Rekordjahr machen.

Insbesondere die Katholische Kirche scheint den Bedarf an umfassenden Reformen erkannt zu haben. Ein Mittel, um dem Exodus aus den Kirchen zu begegnen, ist der sogenannte „Synodale Weg“, der im Jahr 2018 nach der Veröffentlichung der viel beachteten MGH-Studie eingeschlagen wurde. Im Rahmen des „Synodalen Weges“ finden mehrere Versammlungen statt, auf denen Reformen für die Katholische Kirche in Deutschland diskutiert und angestoßen werden sollen. Die Erste Synodalversammlung fand im Frühjahr 2020 statt, die Fünfte Synodalversammlung ist vom 9. bis 11.3.2023 geplant und soll den Abschluss dieses Reformprozesses bilden. In der Präambel zur Satzung des „Synodalen Wegs“ heißt es: „Als getaufte Frauen und Männer sind wir berufen, die ‚Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes‘ (Tit 3,4) in Wort und Tat zu verkündigen, so dass Menschen die Frohe Botschaft in Freiheit hören und annehmen können. Wir wollen auf dem Synodalen Weg die Voraussetzungen dafür verbessern, dass wir diese Aufgabe glaubwürdig erfüllen können.“

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

Bild: Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)
Text: kr

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