Kehrtwende bei der Impfpflicht in Großbritannien „Wegen der Omikron-Variante nicht mehr nötig“

Von Daniel Weinmann

Die Corona-Politik in Deutschland und Großbritannien könnte kaum unterschiedlicher sein. „Wir müssen mit unseren eigenen Regeln arbeiten, und die müssen immer die deutsche Sonderstellung berücksichtigen“, brachte Gesundheitsminister Karl Lauterbach seine ureigene Herangehensweise Ende Februar in einer Gesprächsrunde der „Zeit“ auf den Punkt. Der SPD-Politiker warb einmal mehr für eine allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahren – die früh auf den Weg gebracht werden müsse. Es sei zu spät, wenn man abwarten wolle, ob eine neue Welle komme.

In Großbritannien hingegen müssen sich Pflegekräfte und Beschäftigte des englischen Gesundheitsdienstes NHS – anders als bislang avisiert – doch nicht verpflichtend gegen das Coronavirus impfen lassen. Ursprünglich mussten Vertreter dieses Berufsstandes ab dem 1. April eine vollständige Vakzinierung nachweisen, um ihren Job nicht zu verlieren. Für Beschäftigte in Pflegeheimen galt dies bereits seit dem vergangenen Jahr.

Gesundheitsminister Sajid Javid hatte anlässlich der weitgehenden Lockerung der Corona-Maßnahmen im Vereinigten Königreich bereits eine erneute Prüfung der Teil-Impfpflicht angekündigt. Am vergangenen Dienstag bestätigte er, dass die Vorschriften im Gesundheitswesen aufgehoben werden und am 15. März ad acta gelegt werden sollen. Die aktuell vorherrschenden Omikron-Variante führe zu weniger schweren Verläufen als die gefährlichere Delta-Variante, lautete die Begründung.

Viele haben bereits gekündigt und kommen nicht mehr zurück

Die Teil-Impfpflicht stieß auf den heftigen Widerstand einiger Arbeitgeber, die davor warnten, dass die Entlassung Ungeimpfter die ohnehin schon ernste Personalkrise in den Gesundheits- und Pflegediensten zusätzlich verschärfen würde. Auch mehrere Abgeordnete hatten die Entscheidung kritisiert.

Nun stellt sich die Frage, ob Pflegekräfte, die wegen der nahenden Impfpflicht bereits ihren Job gekündigt haben, wieder zurückkehren können. Laut Martin Green, Geschäftsführer von Care England, ist Javids Ankündigung zu spät gekommen, um den „enormen“ Schaden im Pflegesektor zu beheben.

„Das Personal hat die stationären Pflegedienste bereits verlassen und neue Jobs im National Health Service und in der häuslichen Pflege gefunden“, sagte er dem Guardian, „ich bezweifle ernsthaft, dass viele von ihnen zurückkommen werden.“ Gleichwohl gebietet für ihn die „berufliche Verantwortung des Gesundheits- und Pflegepersonals und anderer Personen, die im Gesundheits- und Sozialbereich arbeiten, geimpft zu sein“.

»Im Gesundheits- und Sozialwesen sind Zehntausende von Stellen in der Krankenpflege unbesetzt«

Seine Einschätzung deckt sich mit derjenigen der größten Einzelgewerkschaft im Vereinigten Königreich, Unison. Danach werden viele Mitarbeiter, die aufgrund der Anforderungen Pflegeheime verlassen haben, wohl nicht mehr an ihren ursprünglichen Arbeitsplatz zurückkehren.

Pat Cullen, Generalsekretärin und Geschäftsführerin der größten englischen Berufskörperschaft für Pflegeberufe (Royal College of Nursing), forderte vor diesem Hintergrund: „Die Minister müssen sich jetzt dringend mit dem Personalmangel im Gesundheits- und Sozialwesen befassen, der die Fähigkeit des Pflegepersonals untergräbt, ihre Patienten sicher zu versorgen. Hier sind Zehntausende von Stellen in der Krankenpflege unbesetzt.“

Aperçu am Rande und hierzulande ebenfalls kaum vorstellbar: Laut einer Erhebung der britischen Regierung befürworten 90 Prozent der Befragten die Aufhebung der Teil-Impfpflicht.

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.

Bild: DesignRage/Shutterstock
Text: dw

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