Von Kai Rebmann
Politische Alleingänge der Bundesregierung haben in Europa inzwischen Tradition. So war es bei zahlreichen Corona-Maßnahmen, so war bei der Haltung zu Waffenlieferungen in die Ukraine und so ist es nach wie vor bei der Nutzung von Kernenergie. Während nahezu alle Nachbarn um uns herum neue Atomkraftwerke bauen oder zumindest die bisher vorhandenen weiterbetreiben wollen, soll die Ära der Kernkraft in Deutschland ab Samstag der Vergangenheit angehören – wider besseres Wissen und entgegen dem Rat führender Experten.
Mehr als zwei Dutzend Wissenschaftler aus fachübergreifenden Disziplinen haben sich jetzt mit einem offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gewandt. An der Spitze stehen mit Klaus von Klitzing (Deutschland) und Stephen Chu (USA) auch zwei Nobelpreisträger der Physik. Mit Stand von Freitag, 14. April 2023, wurde das Dokument von insgesamt 25 Wissenschaftlern aus aller Welt unterzeichnet, darunter Klimaforscher, Ökonomen und Juristen.
AKW versorgen ein Viertel der deutschen Haushalte
Deutschland und Europa befänden sich durch das „nicht mehr zur Verfügung stehende russische Erdgas“ in einer offenkundigen Energiekrise, weshalb die letzten deutschen Kernkraftwerke weiter betrieben werden müssten, fassen die Unterzeichner ihre Forderung einleitend zusammen. Man begrüße die Anstrengungen der Bundesregierung, die Treibhaus-Emissionen „entsprechend den abgeschlossenen, internationalen Verträgen“ zu reduzieren.
Nach diesen eher noch blumigen Sätzen wird der Kanzler in der Folge jedoch mit der harten Realität konfrontiert. Im Jahr 2022 seien die CO₂-Emissionsziele durch die von Einsparungen beim Erdgasverbrauch bedingte, verstärkte Nutzung der Kohlekraftwerke „um 40 Millionen Tonnen überschritten“ worden, Schätzungen für das Jahr 2023 gingen von 38 Millionen Tonnen aus, so die Wissenschaftler.
Auf der anderen Seite hätten die Kernkraftwerke Emsland, Isar 2 und Neckarwestheim 2 allein im vergangenen Jahr rund 32,7 Milliarden Kilowattstunden an „emissionsarmem Strom“ geliefert. Ausgehend von einem durchschnittlichen Verbrauch pro Privathaushalt von 3.190 Kilowattstunden pro Jahr hätten damit mehr als 10 Millionen Haushalte oder ein Viertel aller Haushalte in Deutschland versorgt werden können, rechnen die Unterzeichner vor.
Ideologie geht vor Vernunft
Aber auch von diesen Zahlen wird sich die selbsternannte „Fortschritts-Koalition“ kaum beeindrucken lassen. Ideologie geht in Berlin eben vor Vernunft und das nicht erst, seit die Ampel das Ruder übernommen hat. Allzu häufig wird in diesen Tagen vergessen, dass das AKW-Dilemma nicht zuletzt auf das Konto von CDU und CSU geht, die den Atom-Ausstieg im Jahr 2011 völlig ohne Not in die Wege geleitet haben. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte damals, im Jahr 2011, noch das Ende aller fünf AKW im Freistaat bis spätestens 2020 gefordert, jetzt gibt er den großen Befürworter der Kernenergie.
Ob es sich dabei um (zu) späte Einsicht oder puren Opportunismus handelt, sei einmal dahingestellt. Dass es grundsätzlich aber möglich ist, einen einmal eingeschlagenen falschen Kurs zu korrigieren, zeigen unsere Nachbarn. Die Forscher verweisen hierzu auf Länder wie Frankreich, Großbritannien, Polen, Tschechien oder die Niederlande, die inzwischen wieder „eine andere Haltung zur Kernenergie eingenommen“ hätten und den Bau neuer AKW planten. Weitere Nachbarn wie Belgien oder die Schweiz würden zumindest Verlängerungen der Nutzung von Kernenergie anstreben.
Aus den genannten Gründen wird die Bundesregierung mit Kanzler Scholz an der Spitze aufgefordert, „im Interesse der Bürger in Deutschland, Europa und der Welt“ zu handeln, den Atomausstieg zu überdenken und die noch zur Verfügung stehenden Kapazitäten weiter zu nutzen. Die Kernenergie in Deutschland könne „klar ersichtlich“ zur Linderung der Energiekrise und dem Erreichen der deutschen Klimaziele beitragen, sind die Unterzeichner sicher.
So richtig und wichtig dieser Aufruf grundsätzlich auch sein mag – er kommt natürlich viel zu spät. Um viel mehr als Aktionismus handelt es sich dabei nicht, denn die genannten Zahlen sollten im zuständigen Ministerium von Robert Habeck (Grüne) hinlänglich bekannt sein. Und wer grün wählt, der bekommt grüne Politik geliefert. Die Folgen werden freilich alle Bürger in Deutschland – und darüber hinaus? – zu tragen haben.
Ausschreibung zur Fahndung durch die Polizei, Kontenkündigungen, Ausschluss aus der Bundespressekonferenz: Wer in Deutschland kritisch berichtet, sieht sich Psychoterror ausgesetzt. Und braucht für den Spott der rot-grünen Kultur-Krieger nicht zu sorgen. Ich mache trotzdem weiter. Auch, weil ich glaube, dass ich Ihnen das schuldig bin. Entscheidend fürs Weitermachen ist Ihre Unterstützung! Sie ist auch moralisch sehr, sehr wichtig für mich – sie zeigt mir, ich bin nicht allein und gibt mir die Kraft, trotz der ganzen Schikanen weiterzumachen! Ganz, ganz herzlichen Dank im Voraus für Ihre Unterstützung, und sei es nur eine symbolische!
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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