Die Tagesschau und der Fernseher, der Energie generiert ARD fällt auf Betrüger aus Simbabwe herein

Von Kai Rebmann

Kennen Sie Paul Nipkow? Die nach ihrem Erfinder benannte Nipkow-Scheibe erhielt am 15. Januar 1885 vom kaiserlichen Patentamt das Patent mit der Nummer 30105 und legte den Grundstein für die Entwicklung des Ferntonkinos, das im weiteren Verlauf als Fernseher bekannt werden sollte. Doch jetzt, knapp 140 Jahre später, muss die Geschichte des Heimkinos neu geschrieben werden, zumindest wenn es nach der Tagesschau geht. Maxwell Chikumbutso, ein Tüftler aus Simbabwe, stellte der ARD jetzt seine neueste Erfindung vor – einen Fernseher, der selbst keinen Strom verbraucht, sondern Energie erzeugt; und das sogar, wenn er ausgeschaltet ist. Jana Genth, Afrika-Korrespondentin der Tagesschau, berichtete über die vermeintliche Welt-Sensation aus Simbabwe – und sorgte damit für einen peinlichen Bauchklatscher des mit Milliarden von Zwangsgebühren finanzierten Senders.

Nur wenige Stunden, nachdem die Tagesschau über den „Wunder-Fernseher“ aus Simbabwe berichtet hat, war der entsprechende Artikel sowohl von der Homepage als auch bei Twitter verschwunden. Im Online-Archiv ist der Bericht aber nach wie vor zu finden. Alleine die Tatsache, dass die Kollegin Jana Genth offensichtlich einem Betrüger aufgesessen ist, wäre keinesfalls verwerflich – sie wäre damit nicht die erste und auch nicht die letzte Journalistin, der das passiert. Dennoch wirft der Fall einige Fragen auf: Wie konnte es ein Artikel über eine geradezu phantastische Erfindung bei der ARD ungeprüft zur Veröffentlichung bringen? Welche Redakteure geben so etwas frei? Vor allem aber stellt sich die Frage, ob der öffentlich-rechtliche Journalismus nur noch der eigenen Agenda folgt oder an einer objektiven und neutralen Berichterstattung interessiert ist. Denn: Jana Genth behauptet gleich in der Einleitung ihres Artikels, dass die Erfindung zwar Schule machen könnte, es für Innovationen aus dem südlichen Afrika im Rest der Welt aber wenig Aufmerksamkeit gebe. Woran das im vorliegenden Fall wohl gelegen haben könnte?

Fernseher wird zum Mikroschallgerät, das Energie generiert

Selbst technische Laien müssen schon beim ersten Lesen des Artikels stutzig werden. Zunächst falle auf, so schreibt die Tagesschau, dass an dem Flachbildfernseher das Stromkabel fehle. Nachdem Chikumbutso das Gerät ausgeschaltet hat, erklärt er der Korrespondentin: „Jetzt ist es ein Mikroschallgerät, das Energie generiert. Selbst wenn der Fernseher aus ist, können durch ihn andere Dinge mit Strom versorgt werden. Alles andere ist an, der Fernseher ist aber aus. In ihm ist eine Art Generator, an den man andere Elektrogeräte anschließen kann.“ Der Fernseher bzw. „Generator“ werde durch Funkwellen betrieben, behauptet sein „Erfinder“. Chikumbutso gibt an, lange getüftelt und mit Materialien experimentiert zu haben, die es „vor Ort in Simbabwe“ gebe. Danach habe er seine Erfindung von Forschern in den USA testen lassen und die Bestätigung erhalten, dass sie funktioniere. Für Nachweise dieser angeblichen Referenzen, die es in Wirklichkeit wohl nicht gibt, hat sich die Afrika-Korrespondentin nicht interessiert.

„Der Fernseher nutzt gewissermaßen kostenlose, erneuerbare und grüne Energie. Keine Emissionen, kein Verbrauch, keine Rohstoffe. Er nutzt die Funkwellen und wandelt sie um“, erläutert der Hochstapler die angeblichen technischen Details des Geräts. Kostenlose Energie und kabellose Geräte mit eigener Stromversorgung. Das klinge nicht nur für Afrika gut, jubelt Genth in ihrem Artikel für die Tagesschau. Glaubt man der ARD-Korrespondentin, so soll Chikumbutso auch schon eine Straßenbeleuchtung erfunden haben, die ebenfalls durch Funkwellen betrieben werden und in Mexiko und Nordamerika bereits im Einsatz sein soll. Der „Erfinder“ klagt, dass seine Ideen „ein ganz großer Wurf“ sein könnten, aber in weiten Teilen Europas werde ihm nicht einmal zugehört.

Bedienung des Narrativs der systematischen Benachteiligung Afrikas

Mit dieser Aussage hat Chikumbutso der ARD-Journalistin einen Köder hingeworfen, den diese sofort schluckte. Erfinder vom Schwarzen Kontinent hätten zwei grundsätzliche Probleme: „Ihnen fehlt Kapital und sie haben kaum Möglichkeiten, ihre Produkte auf Messen auszustellen“, glaubt Genth. Um dieses Narrativ zu untermauern, wird der Ingenieur Clive Nyapokoto zitiert, der für ein Unternehmen arbeitet, das biologische Dünger und Pestizide herstellt: „Es ist doch so, dass man als afrikanischer Innovator unterschätzt oder auf einen herabgesehen wird. Man glaubt, aus Afrika würde nie etwas Neues kommen, aber auch hier gibt es Erfinder.“ Die gibt es mit Sicherheit, und wirklich gute Innovationen werden sich letztendlich durchsetzen – auch wenn sie aus Afrika kommen. Oder glaubt Jana Genth ernsthaft, ein Fernseher, der aus Funkwellen Energie generiert – wenn er es denn täte – würde nur deshalb abgelehnt werden, weil er in Simbabwe erfunden wurde?

Stattdessen bleibt die Afrika-Korrespondentin der ARD sich und ihrem Narrativ bis zum Schluss treu. Trotz aller vermeintlichen Widrigkeiten gebe Chikumbutso nicht auf, freut sich die Tagesschau. Dieser wolle „seinen schnurlosen Fernseher, der keine Energie verbraucht, sondern sogar welche generiert, der ländlichen Bevölkerung zugänglich machen.“ Der Fernseher 2.0 wird zudem als besonders nachhaltig beschrieben, weil er ausschließlich Funkwellen nutze, die ja ohnehin da seien. Am Ende des Artikels sind die Journalistin und ihr Gegenüber offensichtlich schon beim Du angekommen: „Maxwell glaubt aber, sie [die „Erfindung“] wäre durchaus auch attraktiv für die westliche Welt, zum Beispiel auch für Deutschland.“ Auch wenn Genth es nicht wird nachvollziehen können, wird sich die Nachfrage nach dieser Innovation wohl in engen Grenzen halten – aber nicht, weil sie aus Afrika kommt.

DAVID
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

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