Von Kai Rebmann
Karl Lauterbach bezeichnet sich selbst gerne als Arzt, obwohl er nie wirklich in diesem Beruf gearbeitet hat. Andere sehen den Bundesgesundheitsminister seit jeher als Lobbyisten der Pharmaindustrie und verweisen nicht zuletzt auf die Rolle des SPD-Politikers während der Corona-Jahre.
Letztere werden sich einmal mehr bestätigt sehen, nachdem Lauterbach in der letzten Sitzung des Bundestags vor der Sommerpause seinen Entwurf zum sogenannten „Gesundes-Herz-Gesetz“ (GHG) vorgelegt hat. Experten verschiedener Fachdisziplinen haben das Papier schon im Vorfeld zerrissen, ihre Einwände werden im Bundesgesundheitsministerium aber weitgehend ignoriert.
Das durchaus lobenswerte Ziel des Gesetzes ist die Reduzierung der Herz-Kreislauferkrankungen. Diese sind in Deutschland nach wie vor die mit Abstand häufigste Todesursache und machen jährlich knapp die Hälfte (rund 350.000) aller Sterbefälle aus. Es ist eine Binsenweisheit, dass dabei Rauchen, Alkohol, falsche Ernährung und zu wenig Bewegung zu den wichtigsten Risikofaktoren gehören.
Umverteilung in die Kassen der Pharma-Industrie
Statt wie bisher auf Prävention durch Aufklärung zu setzen, will Karl Lauterbach künftig schon im frühesten Kindesalter mit der lebenslangen Gabe von Medikamenten beginnen, insbesondere von Statinen und anderen Medikamenten zur Senkung des Cholesterinspiegels – zur Vorbeugung, wie es in seinem Entwurf heißt.
In Deutschland gab es im vergangenen Jahr 110.000 solcher Kurse, die von insgesamt rund 67.000 zertifizierten Anbietern durchgeführt und von 1,5 Millionen Teilnehmern in Anspruch genommen wurden. Für die Erstattung der Kosten stellte der Bund den Krankenkassen rund 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung.
Ein Großteil dieses Geldes soll künftig in die Kassen der Pharma-Industrie fließen, falls sich Karl Lauterbach mit seinem Entwurf durchsetzt. Die Prävention der lebensstilbedingten Ursachen für Herz-Kreislauferkrankungen soll in den Hintergrund treten, stattdessen will der Minister verstärkt auf die vorbeugende Verschreibung von Statinen setzen. Die bisher zur Verfügung stehenden Mittel sollen entsprechend umverteilt werden.
Deutliche Kritik äußern Vertreter der Kassenverbände in einem offenen Brief: „Wenn aus diesem Budget nun auch Arzneimittel zur Cholesterinsenkung sowie erweiterte Leistungen der Gesundheitsuntersuchungen und ärztliche Honorare finanziert werden sollen, stehen für die Bekämpfung der lebensstilbedingten Ursachen nur noch wenige bis keine Mittel mehr zur Verfügung.“
Behandlung schon im Rahmen der U-Untersuchung für Kinder
Andreas Gassen, Stefan Hofmeister und Sybille Steiner, die Vorstände der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) stören sich vor allem daran, dass mit der Behandlung schon im frühesten Kindesalter begonnen werden soll: „Abzulehnen ist es, dass Ärztinnen und Ärzte breiten Bevölkerungsschichten Statine als Cholesterin- beziehungsweise Lipidsenker ziemlich unkritisch anbieten sollen, vor allem auch schon Kindern. Das sind sehr wirksame Medikamente, aber mit teils erheblichem Nebenwirkungspotenzial.“
Josef Hecken, der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) schlägt gegenüber dem RND in eben diese Kerbe und weist darauf hin, dass es sich dabei nicht um „Pfefferminzbonbons aus dem Supermarkt“ handele. Vielmehr stünden diese Medikamente mit zahlreichen Neben- und Wechselwirkungen in Verbindung, etwa Muskelschmerzen, Leberschäden und Diabetes. Die Gabe von Statinen und ähnlichen Arzneimitteln sieht Hecken bei Kindern als „absolute Ausnahme, wenn aus medizinischer Sicht nichts anderes geht“.
Karl Lauterbach will diese Praxis jedoch zur Regel machen. Im Laufe der Fachanhörung im Bundestag wurde deutlich, dass Kinder im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung U9, also im Alter von 5 bis 6 Jahren, auf die seltene Erbkrankheit „Familiäre Hypercholesterinämie“ gescreent werden und dabei zur Vorbeugung möglicher Herzinfarkte auch Statine verschrieben bekommen sollen. Ursprünglich hätte dieses Screening bereits bei Neugeborenen im Rahmen der U1 (am ersten Lebenstag) erfolgen sollen. Damit konnte sich der Gesundheitsminister aber offenbar nicht durchsetzen.
Geradezu vernichtend fällt die Kritik von AOK-Chefin Carla Reimann (Ex-CDU) aus: „Dieser Gesetzesentwurf ist komplett missraten. Die Ampel täte gut daran, ihn schnell zurückzuziehen.“ Die im GHG vorgesehenen Früherkennungsuntersuchungen bezeichnete die Biotechnologin nach dem bisherigen Kenntnisstand als „sinnlos“. In den „detaillierten medizinischen Vorgaben für den breiten Einsatz von Statinen“ sieht Reimann eine „Staatsmedizin nach dem Rezept Pillen statt Prävention“.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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