Von Daniel Weinmann
„Wo ist Olaf?“, fragten die Klimaaktivisten der Gruppe „Letzte Generation“. Der Kanzler der klimafreundlichsten Bundesregierung der Geschichte ist in ihren Augen zu kraftlos. Für die radikalen Aktivisten ist dies offensichtlich die Legitimation, gleich mehrfach die Außenfassade des Bundeskanzleramts zu beschmieren. So geschehen am vergangenen Freitag und am Mittwoch, als sie es mit dem Schriftzug „Öl sparen statt bohren“ besudelt hatten. Zudem brachten sie eigenen Angaben zufolge Vermisstenanzeigen um den Amtssitz des SPD-Politikers an.
Deren Botschaft: „Wir suchen den Klimakanzler! Er wurde zuletzt gesehen im September 2021 während des Bundestagswahlkampfs. Sein Name ist Olaf Scholz, er ist 64 Jahre alt und ca. 1,70 Meter groß. Um Hinweise wird dringend gebeten, da die unwiederbringliche Zerstörung der Lebensgrundlage der Menschheit kurz bevorsteht“.
Die Bundespolizei nahmen fünf Tatverdächtige im Alter zwischen 21 und 26 Jahren fest, die nach Feststellung ihrer Personalien wieder auf freien Fuß kamen. Sie müssen sich nun wegen des Verdachts der Sachbeschädigung an dem Regierungsgebäude verantworten. Die Ermittlungen führt der Polizeiliche Staatsschutz.
Mehr Überspanntheit geht nicht
„Öl bedeutet Tod. Öl zerstört die Zukunft unserer Kinder. Neue Ölbohrungen in der Nordsee bedeuten weltweite Wasserknappheit, Hungerkatastrophen, Flucht und Kriege. Wir fordern, dass Olaf Scholz jetzt ein Machtwort spricht und mit einer öffentlichen Erklärung diesen Ölbohrungen eine Absage erteilt“, postuliert Henning Jeschke, Mitinitiator der „Letzte Generation“ auf der Website der Gruppe.
Seine Aktion, ein Flugzeug am Lübecker Flughafen am Abheben zu hindern, hat ihn bereits vor Gericht gebracht. „Wir haben noch drei Jahre, um den Zusammenbruch unseres Klimas abzuwenden“, glaubt der erst 22-Jährige zu wissen. Um das Leben von Milliarden Menschen zu retten, müsse das exzessive Verbrennen von todbringendem fossilem Öl gestoppt werden. Mehr Überspanntheit geht nicht. Um zehnstellige Zahlen geht es auch in Sachen Tempolimits. Hier sind es „Milliarden Liter Sprit“, die durch Geschwindigkeitsbegrenzungen eingespart werden könnten.
Die Forderung an den Bundeskanzler kann daher nur lauten: „Olaf Scholz, lösen Sie ihr Wahlversprechen ein! Werden Sie zum Klimakanzler und sagen Sie ‚Nordseeöl? Nö! – Es wird keine neuen Ölbohrungen in der Nordsee geben.’” Scholz müsse „glaubhaft“ erklären, dass es keine neuen Erdölbohrungen in der Nordsee geben wird, verlangen die Untergangspropheten.
Wäre Olaf Scholz ein Grüner, hätte er den Klima-Apokalyptikern wohl längst seine Aufwartung gemacht
„Wir sind die #LetzteGeneration, die den völligen Klimakollaps noch aufhalten kann“, verkündet die Gruppe in beispielloser Hybris. Ihr Name spielt entgegen der Intuition nicht auf die letzte Generation der Menschheit an, sondern auf die Letzte, die noch das Schlimmste verhindern kann. Um dies zu erreichen, scheuen die Mitglieder auch nicht vor Gefängnisstrafen zurück.
Schließlich will man ja nichts weniger als den „Zusammenbruch der Zivilisation“ verhindern (reitschuster.de berichtete). Nicht ohne Grund sieht der Religionspsychologe Michael Utsch von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen bei den Klima-Apokalyptikern „Parallelen zu einer religiösen Sekte“.
In der vergangenen Woche hatten sie einmal mehr den Verkehr in Berlin lahmgelegt. Einige Aktivisten hatten sich am Frankfurter Tor auf der Straße festgeklebt. Immerhin, ihre Aktion fand in der Politik Gehör, wenn auch nicht bei Olaf Scholz. Es war die Grünen-Bürgermeisterin des Berliner Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg, Clara Hermann, die „‘ne Solidarität“ zeigte und am Donnerstag die Demonstranten besuchte. Mit „Ja wir brauchen #klimaschutz jetzt!“ zeigte sie via Twitter Verständnis für die illegale Aktion der „Letzten Generation“.
Wäre Olaf Scholz ein Grüner, hätte er den Klima-Apokalyptikern vermutlich längst seine Aufwartung gemacht.
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.
Bild: Sören Hinze/Screenshot Twitter (Video)Text: dw