Ein Gastbeitrag von Thomas Rießinger
Sie passen zusammen, der Sänger und der Ministerpräsident, man kann es kaum leugnen.
Ob man die Musik oder gar die Texte der Gruppe „Die Prinzen“ schätzt oder nicht – sie existiert seit mehr als 30 Jahren und scheint sich auch in unseren Tagen noch ihrer Anhänger zu erfreuen. Ihr Frontmann Sebastian Krumbiegel hat sich nun als Wahlhelfer betätigt, auf dem X-Account der Partei „Die Linke Thüringen“ kann man sich das Resultat seiner Bemühungen ansehen. Etwas älter ist er geworden, das kann man ihm nicht vorwerfen, und nicht nur an Jahren hat er wohl zugelegt, sondern auch an Gewicht, wie es sich für einen guten Sozialisten gehört.
Was teilt er uns mit? Er versucht sich an einer musikalischen Wahlempfehlung, obwohl er gleich behaupten wird, dass er keine Wahlempfehlung geben will. Zunächst sieht man nur Klavier spielende Hände und hört die Stimme Krumbiegels, die den spannenden Einleitungssatz „Die Demokratie ist so verletzlich“ singt. Da hat er sicher recht, ich bin mir aber nicht sicher, ob er dabei an die tatsächlichen Gefährder der Demokratie denkt wie z. B. Nancy Faeser, die sich mit schöner Regelmäßigkeit im Brechen der Verfassung übt, oder vielleicht an Ricarda Lang, von der man hört, „dass man neue Formen der Demokratie ausprobieren soll, also zusätzlich zur parlamentarischen Demokratie auch Bürger*innenräte – mehr Bürger*innenpartizipation“, oder am Ende sogar an die Mutter aller Demokraten Angela Merkel, die es in Thüringen immerhin geschafft hat, das Ergebnis einer demokratischen Wahl rückgängig zu machen, weil es ihr nicht passte. Kandidaten gibt es da viele, auf einen weiteren komme ich gleich zu sprechen.
„Hey Leute ... wir haben bald Wahlen“
„Ich weiß nicht“, fährt er fort, „aber ich glaube, dass die Klugheit auf der Matte steht.“ Er weiß nichts, glaubt aber etwas: Die Klugheit soll auf der Matte stehen. Ich weiß es auch nicht, wo die Klugheit hierzulande geblieben ist, wüsste aber doch gerne, auf welcher Matte ich sie wohl finden könnte. Ist es die Matte an Krumbiegels Eingangstür, auf der die Klugheit vielleicht auf Einlass wartet? Steht sie unter Umständen an der Pforte des Kanzleramtes und Olaf Scholz hat nur vergessen, sie hereinzubitten? Wir wissen es nicht. Was wir aber wissen, ist, dass Krumbiegel an dieser Stelle die Lust am Singen wohl vergangen ist, denn ab jetzt spricht er nur noch mit treuherzigem Blick in die Kamera, während er dem Klavier noch einige untermalende Töne entlockt.
„Hey Leute“, hören wir, „wir haben bald Wahlen.“ Gut, dass er uns das erklärt, man hätte es ja vergessen können. „Wir haben bald demokratische Wahlen, wir sollten demokratisch wählen. Wir sollten aufpassen, dass das Kreuz, das wir machen, keinen Haken hat.“ Ja, mit demokratischen Wahlen kennt man sich aus in Thüringens Landtag. Ich darf hier kurz an die letzte thüringische Landtagswahl im Oktober 2019 erinnern, bei der Bodo Ramelow, der Ministerpräsident der Linkspartei, aus dem Amt gewählt wurde und erst einmal geschäftsführend weiter amtierte, bis man sich schließlich Anfang Februar 2020 zur fälligen Wahl eines Ministerpräsidenten aufraffte. Doch wie seltsam: Die Lichtgestalt Ramelow konnte in zwei Wahlgängen keine Mehrheit auf sich vereinen. Und als dann im dritten Wahlgang sogar zu seiner eigenen Überraschung Thomas Kemmerich, der Kandidat der FDP, zum Ministerpräsidenten gewählt wurde, herrschte große Verwirrung. Mit den Stimmen der übelsten Partei aller Zeiten war er gewählt worden, ohne dass er es vorher gewusst hätte. Es handelte sich zwar um eine demokratische Wahl innerhalb eines ebenfalls demokratisch gewählten Landtages, aber wen interessierte das schon? Die stets friedliche Antifa zog in ihrer bewährten gewaltfreien Manier durch die Straßen, und was das Wichtigste war: Die Kanzlerin bezeichnete die Wahl als unverzeihlich, es handle sich um einen schlechten Tag für die Demokratie, und das Wahlergebnis müsse rückgängig gemacht werden. Nach einigen Tagen trat Kemmerich zermürbt zurück, und Ramelow wurde endlich mithilfe der CDU zurück an die Macht gekungelt.
Das Abwickeln einer demokratischen Wahl versteht man in linken Kreisen – zu denen man zweifellos auch Merkel zählen darf – also als Demokratie. Nur wer in irgendeiner Form links wählt, wählt demokratisch. Wohl deshalb muss Krumbiegel darauf hinweisen, man solle aufpassen, dass das Kreuz auf dem Wahlzettel keine Haken habe. Welch ein feinsinniges Bild! Um noch feinsinniger zu sein, hätte er vermutlich mit dem Holzhammer auf die Klaviertasten schlagen müssen.
Nach dieser klaren Argumentation fährt Krumbiegel fort: „Ich will keine Wahlempfehlung geben, aber es gibt echt gute Leute, die man wählen kann.“ Und in diesem Moment schlendert Bodo Ramelow um die Ecke und ins Bild, gütig-väterlich lächelnd und ohne ein Wort zu sagen, während Krumbiegel noch einmal sein Bestes auf dem Klavier gibt und zum Schluss triumphierend die Faust hebt, stets beobachtet von Ramelow, der gar nicht mehr weiß, wo er sein Übermaß an Güte und Väterlichkeit unterbringen soll.
Das war also die große Überraschung der nicht gegebenen Wahlempfehlung: Bodo Ramelow ist es, den Krumbiegel meint, wenn er über „gute Leute, die man wählen kann“ spricht. Wie sollte man auch etwas Anderes denken? Immerhin gehört Ramelow der Linkspartei an, und das ist nicht etwa ein Rechtsnachfolger der guten, alten Mauerschützenpartei SED – es ist die mehrfach umbenannte SED selbst; die Partei ist immer die gleiche geblieben, nur der Name wurde hin und wieder ausgetauscht. Es ist die Partei Ulbrichts und Honeckers, es ist die Partei des Mauerbaus und der Mauerschützen, der übrigens auch Sahra Wagenknecht lange angehörte, bevor sie vor Kurzem ihre eigene Filiale des übertünchten Sozialismus gründete. Selbstverständlich ist das die beste Herkunft für „gute Leute, die man wählen kann“. Und auch unabhängig von seiner Partei hat Ramelow seine demokratische Gesinnung im Lauf der letzten Jahre deutlich gezeigt. Seine Minderheitsregierung sollte 2020 nicht lange im Amt bleiben, Neuwahlen waren zugesagt worden. Leider kam immer irgendetwas Lästiges dazwischen, erst war es die sonderbare PCR-Pandemie, dann „wackelte die notwendige Zweidrittel-Mehrheit zur Auflösung des Landtags ohne die Stimmen der AfD“, und am Ende hatte Ramelow keine rechte Lust mehr. So geht Demokratie: Man wird abgewählt, schlängelt sich mit der Zusage auf baldige Neuwahlen doch noch ins Amt und findet dann immer wieder Gründe, warum die Sache mit den Wahlen gerade ungünstig ist.
„Das ist alles nur geklaut, und gestohlen, nur gezogen und geraubt. Entschuldigung, das hab ich mir erlaubt“ – so sangen einst „Die Prinzen“ mit ihrem Frontmann Krumbiegel. Ich sagte es zu Beginn, dass Krumbiegel und Ramelow zusammenpassen, denn viel besser kann man die Legitimität von Ramelows aktueller Amtszeit kaum beschreiben.
So macht ein linker Sänger Wahlwerbung für einen linken Ministerpräsidenten, selbstverständlich ohne eine Wahlempfehlung abzugeben. Es ist eher erbärmlich als erbaulich, aber da kann man nichts machen. Linke neigen wohl manchmal zu Erbärmlichkeiten.
Sonst wären sie keine Linken.
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Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Thomas Rießinger ist promovierter Mathematiker und war Professor für Mathematik und Informatik an der Fachhochschule Frankfurt am Main. Neben einigen Fachbüchern über Mathematik hat er auch Aufsätze zur Philosophie und Geschichte sowie ein Buch zur Unterhaltungsmathematik publiziert.
Bild: Screenshot Video X