Von Kai Rebmann
Eigentlich ist über das ominöse „Potsdam-Treffen“ alles gesagt. Für die von Correctiv aufgestellte Behauptung, wonach es in dieser Runde um Remigration selbst deutscher Staatsbürger mit Migrationshintergrund in großem Stile gegangen sein soll, gibt es bis heute keinen einzigen Beleg. Die vermeintlichen „Enthüllungen“ sind in weiten Teilen widerlegt. Inzwischen hat das Landgericht Hamburg David Schraven, dem Geschäftsführer des selbsternannten „Recherche-Netzwerks“ sogar die Verbreitung der Behauptung untersagt, die „Kernaussagen“ des Berichts seien gerichtlich bestätigt worden.
Das hält Politik und Medien aber nicht davon ab, verbissen an dem angeblichen „Skandal“ festzuhalten und Stimmung gegen die Teilnehmer des damaligen Treffens zu machen. So wie etwa Ulrich Vosgerau, der Mitglied der CDU ist und als solches am kommenden Freitag (23. August) auf Einladung der Mittelstandsunion Mittelfranken im Hotel Bayerischer Hof in Erlangen sprechen soll.
Potsdamer Kartenhaus ‚vollends in sich zusammengebrochen‘
Der Staatsrechtler soll dabei über die EU-Politik referieren, unter anderem über die Auswirkungen des sogenannten „Green Deal“, des „Clean Industrial Deal“, des EU-Vermögensregisters sowie des geplanten Verbrennerverbots ab dem Jahr 2035. Potsdam wird an diesem Abend also keinerlei Rolle spielen, was der MU-Bezirksvorsitzende Robert Pfeffer gegenüber den „Erlanger Nachrichten“ wie folgt begründet: Das diesbezügliche Kartenhaus sei inzwischen „vollends in sich zusammengebrochen.“
Dem Lokalblatt ist das einerlei, verbreitet es doch die angeblichen „Kernaussagen“ des Treffens anlässlich der Berichterstattung über den Vosgerau-Auftritt in Erlangen munter weiter. Thema sei damals „Remigration“ gewesen, worunter „Rechtsextreme“ verstünden, „dass eine große Zahl von Menschen mit ausländischer Herkunft – auch unter Zwang – das Land verlassen soll.“
Und auch die einst so konservative CSU springt brav über das hingehaltene Stöckchen und diffamiert das CDU-Mitglied Ulrich Vosgerau unter anderem als „AfD-Anwalt“. Anstatt ein Plädoyer für Demokratie und Meinungsfreiheit zu halten, apportiert der CSU-Kreisvorsitzende Kurt Höller weiter: „Ich sehe mit großem Bedauern, dass sich die Führung der MU Mittelfranken mit einem solchen Termin in einer Stoßrichtung positioniert, die deutlich außerhalb des von der CSU Erlangen – und im Übrigen auch der Mittelstandsunion auf Landesebene – vertretenen liberal-konservativen Spektrums steht.“
Das Verbrechen des „AfD-Anwalts“ besteht in den Augen des CSU-Politikers demnach darin, sowohl den Thüringer Parteichef Björn Höcke als auch die parteinahe Desiderius-Erasmus-Stiftung schon gerichtlich vertreten zu haben.
Diese Steilvorlage nehmen natürlich auch die in Mittelfranken aktiven Mitglieder eines selbst ernannten „Demokratienetzes“ dankbar auf. Eine Gruppierung, die sich „Aktion Courage Erlangen“ nennt, fordert: „Kein Podium für AfD-Anwalt in Erlangen“. Dabei nimmt es das Bündnis auch mit den Fakten nicht ganz so genau und bezeichnet unter anderem die in Wirklichkeit parteinahe Desiderius-Erasmus-Stiftung als „AfD-Parteistiftung“. Und auch der Hinweis auf den angeblichen „Geheimplan für Deutschland“, an dessen Ausheckung Vosgerau in Potsdam beteiligt gewesen sein soll, darf natürlich nicht fehlen.
Vorwurf der Verdachtsberichterstattung
Vielsagend ist in diesem Zusammenhang auch eine Äußerung von Clara Roth. Diese ist in der „mobilen Beratung“ bei der Landeskoordinierungsstelle Bayern gegen Rechtsextremismus tätig und befürchtet, dass ein Auftritt Vosgeraus bei der Mittelstandsunion „die Grenzen des Sagbaren noch weiter nach rechts“ verrücken könnte, getreu dem Motto: „Schaut her, Ulrich Vosgerau redet doch auch bei der Mittelstandsunion der CSU.“
Robert Pfeffer sieht das gegenüber reitschuster.de genau umgekehrt. Er habe den Eindruck, dass durch Aufrufe wie jenen des „Aktion Courage“ der vermeintlich zulässige Meinungskorridor zunehmend verengt werden soll: „Es sieht sehr danach aus, als ob Minderheiten versuchen, den politischen Gegner stumm zu schalten, indem sie ihn in die ‚rechte Ecke stellen‘.“ Dabei sei es die Aufgabe des Rechtsstaats, unser aller Freiheit zu sichern, wozu für Pfeffer insbesondere die Meinungsfreiheit gehöre. Diese bezeichnet der Chef der MU Mittelfranken als „ein unveräußerliches Grundrecht“.
Den „Erlanger Nachrichten“ wirft Pfeffer unterdessen eine tendenziöse Verdachtsberichterstattung vor und hat deshalb rechtliche Schritte gegen das Blatt angekündigt. So sei etwa in einem Artikel vom 13. August 2024 unter anderem von Posts und Videos rechtsextremen Inhalts die Rede, die auf verschiedenen Kanälen der MU Mittelfranken veröffentlicht bzw. gelikt worden sein sollen. Dabei seien die MU-Accounts auf Plattformen wie Twitter/X oder TikTok schon zum Jahreswechsel stillgelegt worden, wie Pfeffer gegenüber reitschuster.de versichert und deshalb eine Verwechslung vermutet. Auch von einer Einladung zu einem „Sechs-Augen-Gespräch“, die die „Aktion Courage“ laut „Erlanger Nachrichten“ ihm gegenüber ausgesprochen haben will, sei ihm nichts bekannt, beteuert Pfeffer.
CSU-Kreisvorsitzender macht sich ‚große Sorgen‘
Dass den Linken konservative Ansichten nicht so recht in den Kram passen, ist erwartbar. Noch vor nicht allzu langer Zeit völlig undenkbar war es jedoch, dass ihnen dabei von einem CSU-Kreisvorsitzenden das Wort geredet wird.
Scheinbar ohne es selbst zu merken, dreht sich Kurt Höller im Kreis, wenn er die Meinungsfreiheit zwar als „ein hohes Gut“ bezeichnet, sich mit Blick auf Ulrich Vosgerau gleichzeitig aber „große Sorgen um die Wirkung eines solchen nach Erlangen eingeladenen Referenten auf die vielen internationalen Fach- und Führungskräfte“ der Arbeitgeber der Region macht. Und weiter: „Wer solchen Rednern in Erlangen eine Bühne gibt, erweist – ungeachtet des tatsächlichen Veranstaltungstitels – uns allen einen großen Bärendienst.“
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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