Merkels Waterloo? Die Regierung hat fertig, die Stimmung kippt Die Kanzlerdämmerung – Merkel zieht zurück und gesteht Fehler ein

Sind mit dem Reitschuster jetzt die Gäule durchgegangen, werden Sie sich fragen angesichts meiner Überschrift. Aber ich kann Sie beruhigen:“Merkels Waterloo“ war einfach mein erster Gedanke, als ich gerade diese Schlagzeile las: „Merkel über gekippte Osterruhe: ‚Dieser Fehler ist einzig und allein mein Fehler“‘. Bei nüchterner Betrachtung ist es natürlich kein Waterloo, was da geschehen ist. Aber es ist ein sehr wichtiger Wendepunkt. Psychologisch. Meine zweite Assoziation nach Lesen der Nachricht war: Jetzt geht es los wie beim Ende der Sowjetunion, das ich 1990 als westdeutscher Gaststudent in Moskau ganz hautnah erlebte. Was wir hier sehen, ist die Erosion einer Regierung, die den Bezug zu den Menschen im Land verloren hat. Und zwar im Endstadium, wenn sich alles beschleunigt und ein morsches, aber von außen noch stabil wirkendes Gebilde unerwartet zusammenbricht. Die Ansätze dafür waren schon seit langem zu beobachten. Doch jetzt hat die Erosion eine atemberaubende Geschwindigkeit erreicht.

Die atemberaubende Fehlentwicklung eines polit-medialen Komplexes, der sich viel mehr um Gender, Minderheiten und Spartenthemen kümmerte, als um die immer größer werdenden Probleme der Menschen, war schon seit langem zu sehen. Doch erst die Krise, Corona, machte sie wirklich offensichtlich: Die Süßwassermatrosen auf der Kommandobrücke sind völlig überfordert, seit das Staatsschiff auf hoher See in einen Wirbelsturm geraten ist. Von vielen ist dieses Versagen verdrängt worden. Viele sahen fast schon zwanghaft weg und dachten sich alles schön. Auf einem Schiff auf hoher See im schlimmen Sturm will niemand Zweifel am Kapitän und seiner Mannschaft hören. Das ist menschlich. Aber extrem gefährlich.

Zuletzt wurde das Versagen dieser Regierung so offensichtlich, dass sonst die von ihr mit Steuergeldern sattgepäppelten Medien oft nicht mehr wegsehen konnten. „Was ist aus uns geworden? Sind wir ein Witz?“ – unter dieser Überschrift schrieb Ulf Poschardt, Chefredakteur der „Welt“, die zum einst so Merkel-treuen Springer Verlag gehört, gestern eine Abrechnung mit der Kanzlerin, die vernichtender nicht sein könnte, nur leider hinter einer Bezahlschranke versteckt. Sein Fazit: „Die Beschlüsse des Kanzler-Ministerpräsidenten-Direktoriums belegen: Deutschland versagt. Die Regierenden, eine Kohorte überforderter Krisen-Nichtbewältiger, entfernen sich in der Pandemie immer weiter vom Wahlvolk. Das geht in einer liberalen Demokratie nicht lange gut.“

Weiter schreibt Poschardt: „Deutschland versagt. Und es versagt auf eine Weise, die seit 1945 unbekannt war: Es ist ein Versagen der Institutionen und der Regierungen, aber vor allem besteht dieses Versagen in dem Unvermögen, sich durch die Erschütterung einer Krise zielgerichtet neu zu erfinden. Es ist die Endmoräne jener entmündigenden Staatsgläubigkeit, die eine einst liberale Union mit einer staatsnostalgischen SPD aufgeschüttet hat.“ Und weiter: „Diese große Koalition hat nur einen gemeinsamen Glauben: den an den Status quo und die Heiligkeit des Staatlichen. Das hat die Republik verändert. Nun, wo die Eigenverantwortung denunziert und der Freiheitsliebende verunglimpft ist, stehen die staatsgläubigen Bürger ungläubig vor den Ruinen ihrer Konfession und hadern. Dass der Staat nicht alles kann, wussten mündige Bürger immer schon. Dass er in dieser Krise fast gar nichts kann, überrascht selbst staatsskeptische Liberale. Das Versagen der Regierung ist das eine, die Impfstoffbeschaffungsblamage bei der EU das andere, aber die Ansammlung der Ministerpräsidenten als eine Kohorte überforderter Krisen-Nichtbewältiger raubt auch treuesten Anhängern der Berliner Republik Restvertrauen.“

Poschardt bestätigt dann auch genau das, was ich seit Monaten direkt vor Ort so fühle: „All die falschen, dröhnenden Versprechen, wann es wieder besser wird, haben Glaubwürdigkeit zersetzt. Die gestanzten Formeln in den Pressekonferenzen haben mit der Sprache und der Gefühlslage der Menschen nur wenig zu tun.“

Selbst der sonst so regierungsfreundliche Spiegel weicht von seiner Nibelungentreue zur Kanzlerin ab: „Corona-Chaos in Deutschland: Multiples Politikversagen“, titelt das Blatt. Das ebenso vernichtende wie zutreffende Urteil: „Lassen wir die absolute Posse mal beiseite, dass die wichtigsten Politiker Deutschlands viele Stunden mit der Frage verbracht haben, ob ein »kontaktarmer« Osterurlaub in Ferienwohnungen, Campingplätzen oder Wohnmobilen an der Küste erlaubt oder verboten wird. Oder über die Frage, ob die Supermärkte rund um die Ostertage ein paar Tage länger geschlossen bleiben. Und lassen wir auch mal beiseite, dass sie in diesen wertvollen Stunden nicht über das wirklich Relevante geredet haben: über eine effiziente Impf- oder Teststrategie. Diese komplett falsche Prioritätensetzung ist ein Skandal. Aber der Begriff des Skandals hat sich aufgrund des chronisch skandalösen Versagens der deutschen Politik leider längst entwertet.“

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) soll sich dem Vernehmen nach über die Kehrtwende der Kanzlerin echauffiert haben in der heute kurzfristig einberufenen neuen Ministerpräsidentenrunde. Sie stünden nun als Idioten da, soll Bouffier gesagt haben. Wer möchte da widersprechen? Erstaunlich auch: Merkel übernimmt nach eigenen Worten die volle Verantwortung, sagte, alles sei ihr Fehler gewesen. War es etwa nicht eine demokratische Entscheidung, bei der alle 16 Länderchefs zugestimmt haben? Merkels eigene Wortwahl klingt so, als sei doch etwas dran an den Vorwürfen, sie regiere zunehmend autokratisch.

Merkel und ihre Getreuen haben den Bogen überspannt. Wurde ich gestern noch für meine harte Kritik an ihr („Merkel & Co. außer Rand und Band: Ein Land in Geiselhaft“) heftig attackiert und als „überdreht“ hingestellt, so scheint meine Skepsis jetzt buchstäblich im Mainstream angekommen zu sein. Ein Land in Geiselhaft und im Stockholmsyndrom, schrieb ich in der Nacht auf Dienstag nach dem Gipfel in meinem Beitrag. Heute habe ich zumindest ein bisschen Hoffnung, dass hier etwas in Bewegung geraten ist und die Gesellschaft sich aus dieser Geiselhaft befreit. Natürlich sind meine persönlichen Eindrücke nicht repräsentativ. Aber meine persönliche Erfahrung ist, dass auch sehr viele, die bisher in treuem Glauben zur Regierung verharrten, von diesem Glauben abgefallen sind. Zu offensichtlich wurde das Versagen von Merkel & Co., zu offensichtlich, dass sie die Menschen für ihr Versagen mit immer neuen Verboten und Einschränkungen in Geiselhaft nimmt.

Dass sich Merkel nun hinstellt und entschuldigt, ist ein gutes Zeichen: Die Demokratie funktioniert noch. Zumindest in Ansätzen. „Die Idee sei mit bester Absicht beschlossen worden, sagte sie jetzt in Berlin, aber so nicht umsetzbar“. Ich musste bei diesen Worten sofort an den legendären russischen Ministerpräsidenten Viktor Tschernomyrdin denken, der einst einen Satz aussprach, der inzwischen in Russland ein geflügeltes Wort geworden ist und immer dann zum Zuge kommt, wenn Pleiten, Pech und Pannen zusammentreffen: „Wir wollten nur das Beste, aber es kam so, wie es immer kommt.“ Was könnte die Spätphase der Ära Merkel besser prägen als dieser Satz?

Böse russische Leser gehen inzwischen so weit, die Auftritte von Merkel und ihren Sprechern mit dem legendären Auftritt der Putschisten gegen Gorbatschow im August 1990 zu vergleichen, als sie schweißgebadet und mit zitternden Händen vor die Kameras der Weltöffentlichkeit traten und beteuerten, sie hätten die Lage im Griff. Ich mache mir diesen Vergleich ausdrücklich nicht zu eigen, ja distanziere mich davon, weil wir es mit einer demokratisch gewählten Regierung zu tun haben. Aber dass überhaupt bei Menschen solche Assoziationen aufkommen, ist bezeichnend.

Politik funktioniert in vielem nach den Prinzipien eines Wolfsrudels. Wenn da der Anführer schwächelt, wird er schnell weggebissen. Die große Frage ist nun: Gibt es in der weitgehend von Merkel kastrierten Union noch Leute, die den Mut haben, Merkel in den politischen Ruhestand zu schicken, bevor sie die Partei endgültig mit sich in den Abgrund reißt? Oder sie zumindest zu einem Kurswechsel zu zwingen? Auf Anhieb sind solche entschlossenen Persönlichkeiten nicht zu sehen – die Kanzlerin hat alle weggebissen, die keine braven Befehlsempfänger waren. Doch manchmal wachsen Menschen in Ausnahmesituationen über sich hinaus. Die große Frage ist: Bekommen wir jetzt einen Boris Jelzin? So distanziert und negativ ich das spätere Wirken Jelzins sehe – er spielte in der historischen Phase des Umbruchs eine entscheidende Rolle.

Die aktuelle Entwicklung zeigt: Deutschland hat noch einmal eine Chance, sich aus dem Würgegriff Merkels und ihrer Schönwetter-Matrosen zu befreien. Die kommenden Tage, ja Wochen könnten entscheidend werden für die Zukunft unseres Landes. Jetzt liegt es auch an der Gesellschaft, ob sie genügend Druck aufbringt, um heute noch zaudernde Politiker mutig zu machen. Unser Land hat es verdient. Allerdings ist kaum zu erwarten, dass Merkel freiwillig Macht abgibt. Mit ihrer taktischen Finesse und ihrer Verschlagenheit könnte sie das Ruder noch einmal herumreißen. Die Folgen wären verheerend.

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

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Bild: Armin Staudt/Shutterstock
Text: br


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