„Methoden einer linken Faschosphäre“ Philosoph rechnet mit Woke Culture, "Linken" und US-Internetgiganten ab

In meiner Journalistenausbildung wurden wir einmal ironisch davor gewarnt, uns zu wichtig zu nehmen: Mit dem, was wir heute mit Herzblut schreiben, wird morgen schon der Fisch auf dem Markt eingewickelt, so die weise Warnung. Die heute zwar technisch nicht mehr ganz korrekt ist, zumindest, was Internet-Journalisten wie mich angeht. Aber inhaltlich ist sie wahrer denn je. Allerdings trifft sie nicht für alle Texte zu. Manche sind wie guter Wein: Sie werden mit der Zeit nur noch besser. Oder, um es auf den Journalismus zu übertragen: wichtiger.

So stieß ich bei Joachim Steinhöfel auf ein Zitat und einen Artikel aus dem Jahre 2021, der es in sich hat. Es ist ein Interview mit dem französischen Philosophen Michel Onfray aus der „Welt“, das dort leider hinter einer Bezahlschranke steckt. Aber dafür viel zu schade ist. Onfray sagt darin eine neue Diktatur voraus. Heute, anderthalb Jahren nach Erscheinen, sind seine Warnungen aktueller denn je.

Der Vorwurf „Verschwörungstheoretiker“ sei, ebenso wie der Vorwurf „faschistisch“, „rechtsextrem“ oder „lePenistisch“, der Einwurf fauler Leute, die über keinerlei Argumente verfügen und stattdessen beleidigen, sagt der Philosoph: „Es sind die Methoden einer linken Faschosphäre, die unter dem Deckmantel des Antirassismus den Rassismus reaktiviert, unter dem Deckmantel der Palästinenserrechte einen Antizionismus aktiviert, der sich als neue Formel für den Antisemitismus entpuppt.“

Ich frage mich inzwischen ständig, warum ich mich so oft an den Geschichtsunterricht über die frühen 1930er Jahre erinnert fühle – und zwar nicht nur in Deutschland, auch in der Sowjetunion. Siehe meinen jüngsten Bericht über den Masken-Fanatismus in Deutschland. Mit seiner Theorie von der „linken Faschosphäre“ liefert Onfray Antworten auf beunruhigende Fragen.

In seinem Buch „Theorie der Diktatur“ stellt Onfray die These auf, unser aller Freiheit sei bedroht. In Zeiten des digitalen Überwachungskapitalismus und der politischen Korrektheit seien Dystopien wie „1984“ erschreckend aktuell. Auf die Frage, wie in Westeuropa diese „neue Art der Diktatur“,  wie er sie nennt, etabliert wird, und durch wen, antwortete Onfray der „Welt“ wie folgt:

„Das 20. Jahrhundert war eine Zeit des bewaffneten, behelmten und gestiefelten Totalitarismus. Unser letztes halbes Jahrhundert ist jedoch digital: Es hat das Erscheinen von Computern, Mobiltelefonen, Überwachungskameras, der Cloud und Big Data erlebt. Der digitale Totalitarismus hat den militärischen Totalitarismus abgelöst. Wenn Hitler oder Lenin diese Instrumente gehabt hätten, hätten sie ihren Totalitarismus darauf aufgebaut. Schdanow und Goebbels hätten die Cyber-Diktatur geliebt.“

Besonders hart geht der Philosoph mit den US-Internet-Giganten ins Gericht: „Macht, mit anderen Worten GAFAM, ist unsichtbar, aber überall präsent. Mit GAFAM meine ich Google, Amazon, Facebook, Apple, Microsoft. Diese Macht kontrolliert, selektiert, desinformiert, verzerrt, insinuiert, suggeriert, drängt sich auf. Sie konstruiert Meinungen, sie stellt Zustimmung her, fördert bestimmte Diskurse, verwirft andere. Sie verdrängt bestimmte soziale Netzwerke und sorgt für die größte Sichtbarkeit anderer. Ihr Ziel? Ein totaler Staat, dessen zivilisatorisches Ideal der Transhumanismus ist. Dieser Plan ist nicht versteckt, er ist nicht die Frucht eines Verschwörungswahns: Er wird von den Akteuren dieser GAFAM klar ausgesprochen. Schauen, lesen, hören Sie Elon Musk zu: Er weist in diese Richtung. Neuralink ist der atomare Kern dieser neuen Zivilisation.“

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Die politische Korrektheit im täglichen Leben fungiere „als der bewaffnete Arm dieser Ideologie“, so der Philosoph. Die „Welt“ konfrontiert Onfray in dem Interview mit dem bekannten Zitat der Schriftstellerin Françoise Giroud: „So beginnt der Faschismus. Er sagt nie seinen Namen, er krabbelt, er schwimmt und wenn er seine Nase zeigt, sagen wir: Ist er das? Glauben Sie das wirklich? Sie dürfen nicht übertreiben! Und dann bleibt er uns eines Tages im Gesicht hängen und es ist zu spät, ihn zu vertreiben.“ Ob er darauf anspiele, fragt ihn die Interviewerin – und wie er zu dem Vorwurf stehe, er verbreite Verschwörungstheorien.

Der Philosoph antwortet: „In der Tat. Es ist wie gesagt die Methode einer linken Faschosphäre, die unter dem Deckmantel des Feminismus die Misogynie, die Phallokratie und das Patriarchat rehabilitiert. Was die Verschwörungstheorie angeht: Es ist mir egal, was diese Leute über mich sagen. Vor allem, wenn diese Beleidigungen anonym sind und aus den Büros der politischen Parteien kommen, die ich ohnehin nicht mag. Ich bin einer, der sie alle kritisiert, und die Parteien lassen ihre digitalen Hunde auf mich los.“

Zur Entwicklung der Europäischen Union sagt Onfray: „Den Befürwortern eines Europas, das den Vertrag von Maastricht zu Grundlage hat, ist es gelungen, die falsche und perverse Idee zu verbreiten, dass Kritik am liberalen Europa, nicht etwa, weil es Europa ist, sondern weil es liberal ist, eine Kritik an Europa an sich ist. Ich möchte Sie daran erinnern, dass auch Napoleon, Hitler und Stalin Europa wollten. Man kann gegen ein nationalsozialistisches Europa sein, weil es nationalsozialistisch ist, gegen ein bolschewistisches, weil es bolschewistisch ist, gegen ein liberales, weil es liberal ist, ohne gegen Europa zu sein, das heißt – so formuliert es die linke Faschosphäre – für die Nation, also für den Nationalismus, also für den Krieg! Es sind die Imperien, die Kriege verursachen, nicht die Nationen.“

Als größten Fehler in der Konstruktion der heutigen Europäischen Union sieht Onfray, „dass sie nicht demokratisch, sondern oligarchisch ist. Die Macht liegt nicht im Parlament mit Abgeordneten, die von den Nationen gewählt werden. Sie liegt bei der Europäischen Kommission“. Diese werde zudem nicht in direkter Wahl gewählt, sondern „indirekt, je nach Wohlwollen des jeweiligen Staatschefs produziert, der wiederum gewählt wird, weil er oder sie die Maastricht-Version Europas verteidigt“.

Die Forderung Onfrays: „Wir müssen ein Europa der Nationen schaffen, in dem jedes Land seine Souveränität wiedererlangt, um auf vertraglich geregelte Weise stückweise über Verträge zu entscheiden. Das System muss umgekehrt werden: Die Nationalstaaten sollten nicht die Vasallen einer undemokratischen Europäischen Kommission sein, sondern die Kommission sollte in allgemeiner Direktwahl von den europäischen Bürgern gewählt werden.“

Bereits 2017 hatte Onfray in seinem Buch „Dekadenz“ die übermäßige politische Korrektheit kritisiert, die „Woke Culture“, die sich militant für die Rechte von Minderheiten einsetzt, und die damit zusammenhängende „Cancel Culture“. Auf die Frage, inwiefern seine Europa-Kritik an die Diagnose der Dekadenz gekoppelt ist, antwortet er: „Zivilisationen werden geboren, wachsen, haben einen Höhepunkt, gehen zurück, fallen und verschwinden, bevor sie durch andere ersetzt werden. Davon zeugen die Höhlenmalereien, die Pyramiden, der Parthenon, das Forum Romanum. Jeder wird hier zustimmen, dass niemand mehr an Horus oder Zeus glaubt. Warum sollte unsere Zivilisation diesem Gesetz der Geschichtsphilosophie entgehen?“

Die Warnung des Philosophen, der sich selbst als „libertären Sozialisten“ bezeichnet: „Tod und Auslöschung bringt nicht mehr der Marxismus in bolschewistischen, maoistischen oder linken Ausformungen mit sich, sondern der Marxismus im Gewand der Cancel Culture.“ Die Interviewerin sagt, ein Vierteljahrhundert lang habe „das Maastricht-Europa gelogen, um seine Ziele durchzusetzen, hat das Ende von Rassismus, Arbeitslosigkeit, von Kriegen, Elend, Armut und Antisemitismus versprochen – und es hat versagt. Glauben Sie, dass genau dieses Europa je selbstkritisch sein wird?“

Die Antwort Onfrays: „Ganz und gar nicht. Es verhält sich hier wie mit den Marxisten, die glaubten, dass der Gulag zustande kam, weil es noch nicht genug Marxismus gab. Ebenso glauben die Maastricht-Europäer, dass das, was in der EU falsch läuft, darauf zurückzuführen ist, dass es noch nicht genug Maastricht-Europa gibt. Europa ist von Massenarbeitslosigkeit, Sozialdumping, Rassismus und Antisemitismus geplagt, außerdem von unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung in alle Welt, insbesondere in islamische Länder exportierten Kriegen. Die Covid-Krise hat gezeigt, dass Europa eine Fiktion war und ist, die uns hat verarmen lassen.“

Die Bevölkerungen seien von ihren Staaten im Stich gelassen worden, die wiederum von der Europäischen Union zerstückelt wurden, so Onfray: „Und Europa ließ die einzelnen Staaten im Stich, obwohl es doch die Macht hätte, dies nicht geschehen zu lassen. Die Staaten, oder das, was von ihnen übrig ist, haben sich dann abgeseilt und der Verantwortung entzogen. Das ist typisch für ein Europa, in dem nur das Gesetz des Marktes zählt.“ Die Zeche dafür gezahlt hätten „die Armen, die Abgehängten. Darum ging es den Gelbwesten bei ihren Protesten, bevor die offizielle Linke sie einmal mehr zerstört hat und der Maastricht-Kapitalismus als institutioneller Mitläufer diese Zerstörung vollendete.“

Onfray gibt seit 2020 ein Magazin heraus, das die Stärkung der nationalen Souveränität propagiert. Auf die Frage der „Welt“, was die Ermordung von Samuel Paty, das Attentat von Rambouillet, der wachsende Antisemitismus für Europa bedeuten, antwortet er: „Dass dieser Antisemitismus aus der Grammatik der Linken stammt, die seit Jahrzehnten, je nachdem, ob sie moderat oder radikal ist, die alten antisemitischen Klischees unter der zeitgenössischen Flagge der Islamo-Linken reaktiviert … Der christliche Antisemitismus geißelte das ‚mörderische Volk‘. Zur Zeit der industriellen Revolution wurde der Antisemitismus sozialistisch: Die Juden wurden mit den Kapitalisten, denen die Welt gehörte, assoziiert – Marx selbst war als Jude antisemitisch und, mit wenigen Ausnahmen, der gesamte französische Sozialismus des 19. Jahrhunderts … Der Antisemitismus ist islamistisch-links geworden: Die Assoziation der Juden mit dem Kapital, dem Kapitalismus, den Vereinigten Staaten, dem Zionismus, dem Geld, dem Kolonialismus, ermöglicht es, gegen die Existenz des Staates Israel und damit gegen die Juden zu kämpfen. Es ist daher verständlich, dass die Islamo-Linken, um nicht enttarnt zu werden, überall beschwören, dass es den Islamo-Faschismus nicht gibt. Aber sie sind den Negationismus ja gewohnt.“

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