Von Kai Rebmann
Die Demokraten werden ihre hauchdünne Mehrheit im US-Senat möglicherweise auch nach den Midterms verteidigen können. Den sogenannten „Halbzeit-Wahlen“ war im Vorfeld eine richtungsweisende Bedeutung im Hinblick auf die Präsidentschaftswahl im Jahr 2024 beigemessen worden. Donald Trump hatte zuletzt offen mit seinen Ambitionen auf das Weiße Haus kokettiert und eine erneute Kandidatur als „sehr, sehr, sehr wahrscheinlich“ bezeichnet. Rückenwind erhoffte sich der Ex-Präsident nicht zuletzt durch die Midterms. Doch nachdem einiges dafür spricht, dass die Republikaner doch keine Mehrheit im US-Senat erringen konnten, sprechen die ersten Beobachter bereits davon, dass Donald Trump inzwischen einen Verzicht auf seine Kandidatur erwägen könnte. Wie bisher könnte den Republikanern am Ende genau ein Sitz zur Mehrheit im US-Senat fehlen, die es ihnen ermöglichen würde, die Politik von Präsident Joe Biden weitgehend zu blockieren.
Zum Zünglein an der Waage könnte Pennsylvania werden, wo die Demokraten auf Kosten der Republikaner einen Sitz hinzugewonnen haben. So zumindest wird es der allgemeinen Wahrnehmung entsprechen und in den Berichten vieler Medien zu lesen sein. Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit. Womöglich entscheidenden Einfluss auf den Ausgang der Wahlen hat auch dieses Mal wieder Google genommen. Die allgegenwärtige Suchmaschine spielt ihre Macht gerne zugunsten der Demokraten aus und versucht, unentschlossene Wähler im Vorfeld zur Abgabe der „richtigen“ Stimme zu bewegen. Wie genau das funktioniert und welcher Instrumente sich Google dabei bedient, hat der US-Psychologe Robert Epstein im Rahmen einer Studie untersucht. Fazit: Google beeinflusst die Wahlen in den USA in einem „massiven Ausmaß“.
Konzentration auf die Swing States
Pennsylvania ist ein sogenannter Swing State, in dem es keine traditionellen Präferenzen für eine der beiden großen Parteien gibt. Diesen Staaten, zu denen beispielsweise auch Florida, Arizona oder Wisconsin gehören, kommt bei allen Wahlen in den USA eine besonders wichtige Rolle zu, so auch bei den diesjährigen Midterms. Dementsprechend groß ist das Interesse an den Stimmen aus diesen Staaten. Die Wähler werden aber nicht nur von den Parteien und deren Kandidaten umgarnt. Auch Medien und Großkonzerne versuchen auf verschiedenste Weise, ihren Einfluss geltend zu machen. Im Falle von Google beschränkt sich dies jedoch nicht nur auf eine rein finanzielle Unterstützung.
Bereits vor der Präsidentschaftswahl im Jahr 2020 hat Robert Epstein über die Einflussnahme von Google und Co geforscht. Gegenüber dem US-Sender EpochTV enthüllte der Wahlkampfforscher damals, dass 96 Prozent der Spenden aus dem Silicon Valley, unter anderem von Google, an die Demokraten überwiesen werden. Bei einer rein finanziellen Unterstützung der Partei des späteren Wahlsiegers und amtierenden Präsidenten Joe Biden ließ und lässt es Google aber nicht bewenden. Vor zwei Jahren wurden Nutzer, die über Google nach bestimmten Begriffen suchten, zur Teilnahme an einem politischem Frage-Antwort-Spiel eingeladen, in etwa vergleichbar mit dem deutschen „Wahl-O-Mat“. Am Ende wurde von der Suchmaschine der Kandidat zur Wahl vorgeschlagen, der angeblich am besten zu den eigenen Überzeugungen passt.
Wähler in den Swing States bekamen dieses Feature besonders oft zu sehen. Epstein beschrieb diese Form des Meinungsabgleichs damals als „fantastische Möglichkeit“, Menschen zu manipulieren und deren politisches Weltbild sehr dramatisch zu verändern. Es komme lediglich auf die Art der Fragen an und wie diese gestellt werden. Die meisten User würden in der Regel nicht einmal merken, dass sie manipuliert werden, da sie hinter solchen Instrumenten keinerlei Voreingenommenheit vermuteten, so der Psychologe und Wahlkampfforscher. Nachdem sich einige Kandidaten der Republikaner bei Google beschwert hatten, deaktivierte der Internet-Gigant das Feature in Georgia und einigen weiteren Swing States.
Google erweitert seinen Instrumentenkasten
Zu den aktuellen Midterms hat sich Google nun etwas Neues einfallen lassen, um für die Demokraten auf Stimmenfang zu gehen. Robert Epstein und sein Team vom American Institute for Behavioral Research and Technology analysierten die Web-Inhalte, die in den vergangenen Wochen an Wähler in den Swing States geschickt worden sind. Die Forscher konzentrierten sich dabei neben Google auch auf weitere Suchmaschinen wie Bing oder soziale Medien wie Twitter. Ferner interessierten sich die Experten dafür, wem auf Youtube welche Videos empfohlen bzw. angezeigt werden.
Im Laufe der Studie konnten knapp zwei Millionen sogenannter „Ephemeral Experiences“ detektiert werden. Dabei handelt es sich um Inhalte, die dem Nutzer nur einmalig und auch nur über einen sehr begrenzten Zeitraum hinweg zur Verfügung stehen. In der Welt der sozialen Medien ist für dieses Instrument auch die Bezeichnung „Ephemeral Content“ gebräuchlich. Die künstliche Verknappung dieses virtuellen Angebots führe dazu, dass der Nutzer es im Zweifel annimmt, sprich konsumiert, um nicht Gefahr zu laufen, eventuell etwas für ihn Wichtiges zu verpassen, erklärt Epstein den wesentlichen psychologischen Aspekt hinter dieser Masche. Google und andere Unternehmen nutzten diesen Effekt, um „Meinungen und Wahlpräferenzen“ zu beeinflussen, nennt Epstein eine wesentliche Erkenntnis seiner Studie.
Eine ähnlich offensichtliche Voreingenommenheit haben die Forscher bei den Vorschlägen zu Suchanfragen über Google festgestellt. Insbesondere auf unentschlossene Wähler haben diese nach Einschätzung des Experten eine „umwerfende“ Wirkung. Epstein erklärt dazu: „Sorgfältig ausgearbeitete Suchvorschläge, die während der Eingabe eines Suchbegriffs aufblitzen, können eine 50/50-Aufteilung unter unentschlossenen Wählern in eine 90/10-Aufteilung umwandeln, ohne dass diesen bewusst ist, dass sie manipuliert werden.“ Die Autoren der Studie konnten darüber hinaus zeigen, dass in einigen demographischen Gruppen bis zu 80 Prozent der unentschlossenen Wähler ihre Parteipräferenz nach nur einer einzigen Suchanfrage geändert haben. Epstein spricht in diesem Zusammenhang von einem „hohen Maß an liberaler Voreingenommenheit“, die er so nur bei Google festgestellt habe, nicht aber bei Bing oder anderen Diensten.
Nicht zuletzt nimmt Google auch mit seinem News-Feature einen eher größeren als kleineren Einfluss auf die politische und gesellschaftliche Gemengelage. Erst kürzlich berichtete Boris Reitschuster über die Zensur dieser Seite bei Google News. Damit werden einerseits die Betreiber der gesperrten Seiten getroffen, andererseits aber auch die freie Meinungsbildung der Nutzer manipuliert. Epstein beziffert den Anteil der liberalen Nachrichtenquellen in den Swing States auf 92 Prozent. Dies könne bei den Midterms dazu führen, dass mehrere Hunderttausend Stimmen von einem in das andere Lager verschoben werden, ist Epstein überzeugt.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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