Von einem befreundeten Autor, der gelegentlich auch in diesem Blog publiziert und aus nachvollziehbaren Gründen anonym bleiben möchte, erhielt ich den folgenden Text:
„Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“ steht gleich im ersten Absatz in Artikel 3 des Grundgesetzes. Heute muss man leider hinzufügen: „Sofern sie die erwünschte Weltanschauung haben.“
Wie es um diese angebliche Gleichbehandlung tatsächlich bestellt ist, zeigte sich erst jüngst, als die Urheber zweier Sprengstoffanschläge (beide mit Sach- und ohne Personenschaden) zu höchst unterschiedlichen Strafen verurteilt wurden: Der Anschlag auf eine Moschee wurde mit 10 Jahren Haft und der auf ein AfD-Büro mit Bewährungsstrafen geahndet.
Aber auch in weniger dramatischen Fällen wie den nachfolgend beschriebenen zeigt sich, wie die Justiz im Sinne der politischen Klasse mit zweierlei Maß misst.
Fall 1
Am 5. September 2016 postete der bekannte Publizist Sascha Lobo auf Twitter folgendes: „‘Das Problem ist – ein Drittel der sächsischen Polizisten sind Nazis‘ (aus einem Hintergrundgespräch mit einem Polizeifunktionär)“. Ob dieser Polizeifunktionär tatsächlich existiert, muss offenbleiben, Tatsache aber ist, dass Herr Lobo eine nicht belegbare diffamierende Behauptung weiterverbreitet hat. Diese erfüllt mit einiger Wahrscheinlichkeit den Straftatbestand der Verleumdung gemäß § 187 StGB (Strafgesetzbuch):
„Wer wider besseres Wissen in Beziehung auf einen anderen eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden geeignet ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Nimmt man zugunsten von Herrn Lobo an, dass bei ihm kein „besseres Wissen“ vorhanden war und ist, ist mit Sicherheit der Straftatbestand der üblen Nachrede gemäß § 186 StGB gegeben, für den es genügt, dass eine behauptete Tatsache „nicht erweislich wahr“ ist.
Also erstattete ich Anzeige bei der Online-Wache der Polizei, unter anderem mit folgendem Wortlaut: „Herr Lobo zitiert öffentlich [Twitter] die angebliche Behauptung eines nicht genannten Polizeifunktionärs, dass ein Drittel aller sächsischen Polizisten Nationalsozialisten [‚Nazis‘] seien. Diese nicht belegte Behauptung erfüllt m. E. den Tatbestand der Verleumdung gemäß § 187 StGB sowie hilfsweise der üblen Nachrede gemäß § 186 StGB und ist durch die Schwere der Ehrverletzung nicht durch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt.“
Bereits am 5. Oktober 2016 erreichte mich ein Schreiben der Staatsanwaltschaft Z., dass das Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde. Die Begründung ist ebenso abenteuerlich wie juristisch fehlerhaft. Die Staatsanwaltschaft wandelte die angezeigten Vorwürfe der Verleumdung sowie der üblen Nachrede einfach in eine „Pauschalbeleidigung“ um, begründete die Einstellung dann mit fehlendem „besonderen öffentlichen Interesse“ und führte dann auf anderthalb Seiten mit den üblichen Textbausteinen aus, wieso die Äußerung keine Beleidigung sei!
Besonders bizarr ist dieses Vorgehen, weil die Staatsanwaltschaft Z. m. E. gar nicht zuständig war und ist, denn der Gerichtsstand ist nach den § 7 und § 8 StPO entweder der Tatort oder der Wohnort des Beschuldigten, ausgenommen Anzeigen wegen Beleidigung, aber um eine solche handelte es sich ja nicht.
Dass besagte Staatsanwaltschaft auch ganz anders kann, zeigt Fall zwei:
Fall 2
Ein Nutzer setzte unter einen Blogbeitrag zu einem Wortbeitrag des für seriöses Auftreten und sachliche Argumentation (Vorsicht, Satire!) bekannten Wuppertaler Bundestagsabgeordneten Helge Lindh einen sarkastischen Kommentar. Besagter Abgeordneter hatte in diesem Beitrag die AfD indirekt als mitverantwortlich an einem islamistischen Mordanschlag in Nizza diffamiert, was auch bei anderen Kommentatoren Unmut auslöste. Besagter Nutzer hatte bezüglich des bizarren Auftritts von Herrn Lindh angemerkt: „Der Herr mit der fliehenden Stirn ist das beste Argument gegen Drogen und Alkoholmissbrauch in der Schwangerschaft.“ Das ist zweifellos wenig nett und sicherlich überflüssig, liegt aber vor allem unter der Berücksichtigung des Kontextes deutlich unter Verunglimpfungen wie „Nazischlampe“ für eine unbescholtene AfD-Politikerin – eine Diffamierung, die bekanntlich juristisch folgenlos blieb.
Im Gegensatz dazu setzte die genannte Anmerkung sofort die von „Opfer“-Anwälten, Justiz und polizeilichem Staatsschutz betriebene Maschinerie der Strafverfolgung in Gang, die nach zwölfmonatigen aufwendigen Nachforschungen (die Ermittlungsakte füllte schließlich 185 A4-Seiten!) zur Dingfestmachung des vermeintlich Schuldigen, nämlich meiner Person, führte.
Der Nutzer hätte allerdings wissen können, dass der charismatische Abgeordnete Lindh nicht etwa nur die Schwefelpartei und masseneinwanderungsskeptische Rassisten mit ganzer Kraft bekämpft, sondern nach eigenem Bekunden 55 Strafanzeigen täglich verfasst und inzwischen ein ganzes Team der NGO HateAid damit beschäftigt, das Internet nach realen und vermeintlichen Beleidigungen zu durchforschen und die Urheber juristisch verfolgen zu lassen. Auch die Kommentatoren des Blogs „Achse des Guten“ bekamen dies bereits zu spüren, was Henryk Broder zu einem lesenswerten Kommentar unter dem Titel „Lindh lässt klagen“ veranlasste.
Nur hilft der schönste Sarkasmus nichts, wenn man einmal in den Mühlen der Justiz gelandet ist, denn die Protagonisten dieser Ermittlungsorgien sind nicht nur absolut humorlos, sondern auch unerbittlich, wenn es darum geht, dem vorgeblich verletzten Ego von vorzugsweise rot-grünen Politikern Genugtuung zu verschaffen.
Ein Richter allerdings, so verrät die Ermittlungsakte, scherte ein wenig aus der Reihe der verbeamteten Rächer aus, indem er unter anderem einwandte: „Der Kommentar liegt zwar sehr nahe an der Schmähkritik, dürfte aber bei gebührlicher Berücksichtigung von Art. 10 EMRK [Europäische Menschenrechtskonvention] und Art. 5 GG [Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland] nach Auffassung des Gerichts den Beleidigungstatbestand nicht erfüllen.“
Damit kam er allerdings beim Spiritus Rector der Ermittlungen, dem Frankfurter Oberstaatsanwalt Dr. Benjamin Krause (Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität), übel an, der dem Amtsgericht in einem vierseitigen (!) Schreiben die Richtung wies und auf der Datenauskunft beharrte. Möglicherweise rührte der Eifer des Oberstaatsanwaltes auch daher, dass eine möglichst hohe Zahl geahndeter „Hassverbrechen“ die Notwendigkeit seiner Behörde und seiner wohldotierten Anstellung rechtfertigt.
Also nahm das nunmehr wieder von der Staatsanwaltschaft Z. geführte Verfahren seinen Lauf, wobei sich diese auch von einem 10-seitigen wohlbegründeten Antrag auf Einstellung des Verfahrens nicht in ihrem Verfolgungseifer beeindrucken ließ (vermutlich hatte man das Anwaltsschreiben ebenso genau gelesen und verstanden wie die oben erwähnte Strafanzeige). Bereits am 28. Februar 2022, also nur 10 Tage nach dem Versand der Verteidigungsschrift, erhielt ich einen Strafbefehl vom 25. Februar 2022 wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB über 20 Tagessätze!
Fassen wir noch einmal zusammen: Ein linker Publizist verbreitet öffentlich auf einer vielfrequentierten Twitter-Seite Diffamierungen der sächsischen Polizei, die zumindest den Tatbestand der üblen Nachrede, wenn nicht sogar der Verleumdung erfüllen. Das Verfahren wird unter einem Vorwand ohne Ermittlungen eingestellt. Ein verärgerter Leser, nämlich ich, reagiert auf eine demagogische Rede des Bundestagsabgeordneten Helge Lindh mit einem sarkastischen Kommentar, worauf Polizei und Justiz über ein Jahr lang gegen ihn ermitteln und er schließlich trotz begründeter Zweifel wegen angeblicher Beleidigung verurteilt wird. Könnte die unterschiedliche Handhabung damit zusammenhängen, dass bundesdeutsche Staatsanwälte weisungsgebunden sind, wie kürzlich sogar der Europäische Gerichtshof monierte, oder handeln Staatsanwälte und Richter auch ohne konkrete Anweisung in vorauseilendem Gehorsam gegenüber dem Zeitgeist?
Selbst jenseits des Atlantiks erregt der rigide Umgang der bundesdeutschen Behörden mit kritischen Meinungsäußerungen inzwischen Anstoß. Eine umfangreiche Reportage der „New York Times“ widmet sich dem gestörten Verhältnis der deutschen Regierung zur Meinungsfreiheit und enthüllt, dass Deutschland im Kampf gegen regierungskritische Stimmen „weiter als jede andere westliche Demokratie gegangen ist, um Einzelpersonen für das zu verfolgen, was sie online sagen.“