Ein Gastbeitrag von Fritz Vahrenholt
Die Jahr für Jahr steigenden Strompreise sind eine maßgebliche Ursache für das Industriesterben in Deutschland. Das hat sich bis zur Bundesregierung herumgesprochen. Doch anstatt sich gegen die ausufernde Verteuerung der Strompreise durch die hohe CO2-Abgabe für Kraftwerke zu wehren, wurden Kapazitäten von Braunkohle-, Steinkohle- und sogar CO2-freien Kernkraftwerken abgeschaltet. Das Wort Kernenergie kommt in der Koalitionsvereinbarung von CDU und SPD an keiner Stelle mehr vor. Um das Schlimmste zu verhindern, soll nun der Strompreis für die Industrie durch den Bundeshaushalt heruntersubventioniert werden.
Das soll an drei Stellen passieren: Die Stromsteuer, der Industriestrompreis und die Netzentgelte sollen gesenkt werden. Und in allen drei Fällen versagt die Bundesregierung.
Die Stromsteuersenkung bringt nichts
Die Stromsteuer soll von 2,05 €ct/kWh auf 0,05 €ct/kWh gesenkt werden. Diese Entlastung soll der Industrie und dem Gewerbe zugute kommen. Die privaten Haushalte sollen nun, anders als in der Koalitionsvereinbarung erklärt, davon nicht profitieren. Die Steuersenkung soll 3 Milliarden € ausmachen. Für die energieintensive Industrie ist das aber ein alter Hut. Denn die Ampelregierung hatte bereits im November 2023 beschlossen, dass bis Ende 2025 die Stromsteuer für die energieintensive Industrie auf 0,05 €ct/kWh gesenkt wird und hatte bereits damals schon angekündigt, dass diese Senkung weiter fortgesetzt werden sollte. Der jährliche Aufwand betrug bislang 2 Milliarden € und erhöht sich nun um 1 Milliarde durch die Einbeziehung weiterer gewerblicher Unternehmen. Die Maßnahme ist für die energieintensive Industrie also bestenfalls ein Erhalt des Status Quo.
Offenbar hat aber die Regierung Merz die Konditionen für die energieintensive Industrie jedoch sogar noch verschlechtert. Nach der nun ab 1.1.2026 geltenden Regelung muss nämlich die Industrie -teilweise anders als früher – die Stromsteuer in voller Höhe von 2,05 €ct/kWh erstmal bezahlen und kann diese dann erst viele Monate später in einem bürokratischen Antragsverfahren zurückbekommen. Diese Bundesregierung ist richtig industriefreundlich und ganz groß im Bürokratieabbau. Die Liquiditätsverluste für die energieintensive Industrie machen für große Unternehmen Millionenbeträge aus, vom bürokratischen Aufwand ganz zu schweigen.
Die Senkung des Strompreises gilt nicht für die energieintensive Industrie
Schon im Juli kündigte Bundeskanzler Merz an : „Wir wollen die Stromkosten weiter senken,” so der Kanzler. „Diese Bundesregierung wird mit Ehrlichkeit handeln.” Im November 2025 sprach er von einem Zielpreis von 5 €ct/kWh für die stromintensive Industrie, die im internationalen Wettbewerb stehe. 5 Milliarden € sollten dafür bereitgestellt werden. Doch mittlerweile ist große Ernüchterung in den Chefetagen der stromintensiven Industrie eingetreten. Im Zentrum der Kritik steht dabei, dass ein Nachlass von 50 % auf den Strompreis nur für die Hälfte des bezogenen Stroms gewährt wird. (s. Textziffer 120 der EU-Regelung CISAF) Bei einem heute üblichen Börsenstrompreis von etwa 10 €ct/kWh wird also ein Strompreis von 7,5 €ct/kWh erreicht. Aber zusätzlich muss die Hälfte des Rabatts durch das Unternehmen in Investitionen zur Dekarbonisierung gesteckt werden, die nicht wirtschaftlich sind. Bringt man diesen „Einbehalt“ zum Abzug, werden aus den proklamierten 5 €ct/kWh 8,25 €ct/kWh. So wird aus ehrlichem Handeln (Merz) eine Mogelpackung.
Doch die größte Mogelei kommt noch. In den Veröffentlichungen der Bundesregierung wird vermieden, darauf hinzuweisen, dass die EU-Kommission eine Strompreissenkung nicht für die Industriebetriebe zulässt, die bereits eine Strompreiskompensation bekommen. Das ist aber die überwältigende Mehrzahl der deutschen energieintensiven Unternehmen. Das sind 350 Industriebetriebe der Metall-, Papier-, Glas- und chemischen Industrie, die einen hohen Anteil an Energiekosten aufweisen und gleichzeitig im internationalen Wettbewerb stehen. Um diese nicht aus dem internationalen Wettbewerb zu werfen, hatte die EU-Kommission bereits im Jahre 2013 erlaubt, dass diesen Unternehmen bis zu 75 % der im Strompreis versteckten CO2-Kosten erstattet werden können. (Da hiervon nicht alle Strommengen umfasst sind, kommen viele Unternehmen im Ergebnis jedoch nur auf eine Erstattung der tatsächlich angefallenen Kosten von 50 % und weniger). Und diese energieintensiven Betriebe dürfen nach Willen der EU-Kommission nicht noch einmal durch eine Strompreissenkung unterstützt werden. Wenn das so bleibt, bekommt die deutsche energieintensive Grundstoffindustrie keinen Pfennig von der großangekündigten Strompreissenkung. Wie gesagt: Mogelpackung.
Netzgebühren werden unbezahlbar
Die Bundesregierung wird 2026 aus dem Klima- und Transformationsfonds, der ja von den CO2-Abgaben der Bürger und den Unternehmen gespeist wird, 6,5 Milliarden € zur Senkung der Netzgebühren zur Verfügung stellen. Dieser Betrag wird den vier Übertragungsnetzbetreibern Amprion, Tennet, 50Hertz und Transnet BW zur Verfügung gestellt, die das überregionale Hochspannungsnetz betreiben. Ziel ist es, die durch den Netzausbau für die Energiewende steigenden Netzkosten zu dämpfen. Die Senkung ist zunächst nur für 2026 beschlossen. Doch die Jahr für Jahr überbordenden Kosten des Netzausbaus werden entweder die privaten Haushalte und die Unternehmen massiv beeinträchtigen oder den Bundeshaushalt. Nach einer Studie des Energiewirtschaftlichen Instituts in Köln werden die Kosten des Netzausbaus bis 2045 732 Milliarden € betragen, 302 Milliarden € für das Hochspannungsnetz und 430 Milliarden € für die regionalen Niederspannungsnetze.
Der Anstieg der Netzkosten würde der Studie zufolge für Haushalte etwa 18 €ct/kWh betragen, für das Gewerbe 15 €ct/kWh und für die Industrie 7 €ct/kWh. Diese Beträge addieren sich auf die heutigen Netzkosten von etwa 11 €ct/kWh für Haushalte, 9 €ct/kWh für das Gewerbe und etwa 5 €ct/kWh für die Industrie. Sollten die zusätzlichen 7 €ct/kWh für die Industrie an die deutschen Industrieunternehmen durchgereicht werden, ist eine Grundstoffindustrie in Deutschland ausgeschlossen. Sollte es der Bundeshaushalt übernehmen, so steht die Finanzierung in Frage. Denn schon heute werden über die Förderung der Erneuerbaren Energien jährlich etwa 20 Milliarden € ausgegeben, so dass mit den Netzkosten ein höherer zweistelliger Milliardenbetrag Jahr für Jahr für die Energiewende aufzubringen ist. Denn die Ursache für die maßlose Netzkostensteigerung ist der Ausbau der volatilen erneuerbaren Energien. Um deren Schwankungen aufzufangen, müssen die Netze überdimensioniert werden, um Überproduktionen (Hellbrise) aufzunehmen. Bei Unterproduktionen (Dunkelflaute) sind dann die Netze nicht mehr wirtschaftlich ausgelastet. Daher sind die ausufernden Kosten eine Folge des Ziels Deutschlands, die deutsche Energieversorgung mit 100 % volatiler Wind- und Sonnenenergie zu bewerkstelligen.
Wirtschaftsministerin Katharina Reiche ist zu bedauern. Sie hat die Fehlkonstruktion der Energiewende erkannt („Die Energiewende muss bezahlbar werden“), aber die SPD lässt eine Kurskorrektur nicht zu. Der E.ON Chef Leo Birnbaum hat die Forderung nach einem Moratorium und der Abschaffung des EEG in einem Satz zusammengefasst :„Wir bauen Erneuerbare, die wir nicht brauchen, in ein Netz, das es nicht verträgt“(Minute 16:00 des podcast)
Vor diesem Hintergrund lohnt es sich, in den im November veröffentlichten und in Deutschland viel geschmähten Bericht der Nationalen Sicherheitsstrategie der USA hineinzuschauen Darin macht man sich Sorgen um die Zukunft Europas. Dort findet man auch die einfache Wahrheit, dass preiswerte Energie auf Basis Öl, Gas, Kohle und Kernenergie „gutbezahlte Arbeitsplätze schafft, die Kosten der Verbraucher und Unternehmen reduziert, die Reindustrialisierung vorantreibt und den Vorsprung in Zukunftstechnologien wie KI sichern hilft“. Schaut man in den deutschen Koalitionsvertrag, so werden dort als einzig neue Energietechnologie „Höhenwindkraftwerke“ erwähnt. Unsere Energiepolitik ist wirklich lächerlich geworden.
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Dieser Text entstammt Fritz Vahrenholts monatlichem Rundbrief den Sie hier abonnieren können. Dort finden Sie auch weitere interessante Quellen und Grafiken.
Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Und ich bin der Ansicht, dass gerade Beiträge von streitbaren Autoren für die Diskussion und die Demokratie besonders wertvoll sind. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen, und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Fritz Vahrenholt ist Honorarprofessor an der Universität Hamburg im Fachbereich Chemie und war bis 1997 Umweltsenator der Freien und Hansestadt Hamburg. Von 1998 bis 2013 war er in Vorstandsfunktionen im Bereich der Erneuerbaren Energien bei der Deutschen Shell AG, der Repower Systems AG und der RWE Innogy. Der Sozialdemokrat war bis Ende 2019 Alleinvorstand der Deutschen Wildtier-Stiftung. Seine Bücher finden Sie hier.
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