Nicht das Virus, zwei Jahre Panikmache füllt die Krankenhäuser Allgemeine Impfpflicht ist totaler Unsinn, sagt Virologe Alexander Kekulé

Von Alexander Wallasch

Der Virologe Alexander S. Kekulé könnte als vermittelnde Größe zwischen den im Expertenrat der Bundesregierung beschäftigten Kollegen und Kritikern der Corona-Maßnahmen verstanden werden.

Allerdings musste auch Kekulé eine bittere Pille schlucken, als auch gegen ihn – er war selbst einst geschätzter Experte (von 2003 bis 2015) als Berater der Bundesregierung im Seuchenschutz – nach Selbstbekunden ein „politisches Verfahren“ in Gang gesetzt wurde.

Jetzt könnte man diese Verletzungen eines anerkannten Experten auch heilsam nennen. Denn möglicherweise haben die Angriffe gegen seine Reputation Alexander S. Kekulé weiter immunisiert gegen eventuelle Verlockungen staatlich legitimierter Expertenrollen samt medialer Beachtung.

Jedenfalls hat sich Kekulé gegenüber dem Nachrichten- und Email-Anbieter GMX für einen beachtlichen Klartext entschieden. Der Virologe spart in einem umfangreichen Interview nicht an harscher Kritik. So nennt er beispielsweise die Maßnahmen des Robert Koch-Instituts „völlig inakzeptabel“.

Zunächst befindet der Virologe, dass jetzt eine Rückkehr in ein normales Leben wahrscheinlich erscheint. Es sei möglich, dass Omikron „die letzte schwere Welle in dieser Pandemie“ gewesen sei, die dazu beigetragen hätte, „dass die Bevölkerung in Deutschland weitgehend immunisiert wird, so dass die nachfolgenden Varianten wesentlich weniger schwer verlaufen“.

Alexander Kekulé vermutet, dass „die Häufigkeit der schweren Verläufe ganz massiv zurückgeht“. Corona könnte eine wiederkehrende Infektionswelle sein, „ähnlich wie bei Erkältungskrankheiten“.

Der Fachmann für Infektionskrankheiten attestiert uns, dass wir „wirklich gut in diese Omikron-Welle reingestartet“ sind. Aber jetzt müsse man quasi den Ball flach halten: Wir müssten aufpassen, „dass unsere Gegenmaßnahmen am Ende nicht mehr Schaden anrichten als das Virus selbst“.

Es müsse höllisch aufgepasst werden, so Kekulé, „dass man das Problem nicht überdramatisiert. Teilweise sind die Leute sehr verängstigt und verunsichert. Bei Omikron werden nicht die Intensivstationen überlastet, sondern die normalen Stationen und die Notaufnahmen im Krankenhaus. Dort herrscht Personalmangel und gleichzeitig kommt es zu einem Ansturm, wenn die Leute etwa mit ihren an Covid erkrankten Kindern panisch ins Krankenhaus rasen, weil sie ja jetzt seit zwei Jahren vor dieser Krankheit gewarnt wurden“.

Kekulé plädiert für eine sofortige Aussetzung der Quarantäne für Kontaktpersonen. Und er weist darauf hin, dass die Gesundheitsämter die dafür notwendige Nachverfolgung gar nicht mehr hinbekommen würden. Weiterhin gelten müsse lediglich: Wer infiziert ist, soll bitte auch daheim bleiben.

Die Omikronwelle sei zwar eine steile, aber auch eine kurze. Gegenmaßnahmen sorgten hier nur dafür, dass diese Welle langsamer vorbeiginge, möglicherweise aufgrund der besonders starken Gegenmaßnahmen in Deutschland doppelt so lange als beispielsweise in Großbritannien.

Alexander Kekulé war zwar Anfang November 2021 einer der ersten, die die Impfpflicht für Menschen in Pflege- und Heilberufen gefordert haben. Aber er hat immer dazu gesagt, dass er die allgemeine Impfpflicht aus vielen Gründen für „totalen Unsinn“ hält.

Der Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie an der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg befindet:

„Aus wissenschaftlicher Sicht muss man ganz nüchtern festhalten: Wir haben für Omikron nicht die richtigen Impfstoffe, um epidemisch erfolgreich zu sein, die waren schon bei der Delta-Variante nicht ausreichend wirksam. Wir können also die Pandemie nicht wegimpfen, denn wir sind vor einer Omikron-Infektion fast gar nicht geschützt durch die Impfung.“

Eine Impfpflicht ziele, so Kekulé, „immer auf eine sogenannte Eliminierung, also dass man die Krankheit weitgehend ausrottet, wie wir das bei den Masern oder der Kinderlähmung versuchen. Das ist bei Corona aber mit den aktuellen Impfstoffen illusorisch und wahrscheinlich auch in den kommenden Jahren nicht möglich“.

Der Mediziner sieht zudem aktuell keine Anzeichen, dass Omikron etwa die Intensivstationen überlasten könnte. In vielen Ländern sei Omikron schon durch und nirgends eine Überlastung sichtbar geworden. Dieses Argument mache allenfalls bei den über 60-Jährigen Sinn. Das Risiko für Jüngere, schwer zu erkranken, sei gering.

Booster-Angebote ja, aber speziell für diese Altersgruppe und für Risikogruppen. Alexander Kekulé verweist dabei auf zwei Studien (Centers for Disease Control and Prevention), die noch einmal belegt hätten, „dass die Boosterung der Risikogruppen viel wichtiger ist als wahllose Drittimpfungen in allen Altersschichten“.

Es sei bei dieser Ausgangslage gut möglich, so heißt es weiter, „dass eine Impfpflicht im Herbst epidemiologisch keinen messbaren Unterschied macht“. Den besten denkbaren Schutz hat jemand, so der Virologe, der von Covid genesen ist und danach – mit Abstand von vier Monaten oder mehr – noch eine Impfung erhalten hätte.

Der Experte für Infektionen stellt aber auch klar: „Wer als junger Mensch unfreiwillig an Omikron erkrankt, muss nicht in Panik verfallen, die Statistik spricht dafür, dass es harmlos verlaufen wird.“

Zuletzt empört sich Kekulé über die Verkürzung des Genesenenstatus durch das Robert Koch-Institut (RKI). Dafür gebe es keine wissenschaftliche Begründung. Ein Vorwurf, den man nicht gering erachten sollte. Die Verkürzung durch das RKI sei sogar „völlig inakzeptabel“. Und der Virologe schickt eine Begründung hinterher:

„Es ist gegen jede wissenschaftliche Logik, den Genesenenstatus auf drei Monate zu verkürzen und auf der anderen Seite den Impfstatus bei neun Monaten anzusetzen. Die aktuellen Impfstoffe sind ja auch auf die Wuhan-Variante abgestimmt, als aktuell Genesener haben Sie also einen besseren Schutz gegen Omikron. Aus wissenschaftlicher Sicht hätte man also eher den Impfstatus verkürzen müssen.“

Der Vorwurf gegen das RKI ist massiv: Die nämlich hätten laut Kekulé nur aus politischer Intention den Zeitraum verkürzt, „um noch mehr Leute dazu zu motivieren, sich impfen zu lassen“. Also wissenschaftlicher Humbug aus Kalkül und Antreiber staatlicher Impfkampagnen? So muss man es wohl lesen. Das Institut bewege sich „komplett jenseits wissenschaftlich-sachlicher Begründungen“. Schlimmer noch: Die Wissenschaftler hätten hier absichtlich die Fakten verdreht.

Das sind Anwürfe, die in normalen Zeiten den sofortigen Rücktritt der Führung dieses Institutes und des Bundesgesundheitsministers zur Folge haben müssten – jedenfalls dann, wenn diese Anwürfe ohne ernsthafte Verteidigung so stehengelassen werden.

Wie im Vorübergehen räumt der Virologe übrigens noch ein weiteres Instrument staatlicher Panikmache aus dem Weg: „Fast alle Long-Covid-Symptome und gerade die neurologischen Störungen, also Konzentrations- oder Schlafstörungen zum Beispiel, sind fast immer nach einem Jahr vorbei.“

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Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine.

Alexander Wallasch ist gebürtiger Braunschweiger. Er schrieb schon früh und regelmäßig Kolumnen für Szene-Magazine. Wallasch war 14 Jahre als Texter für eine Agentur für Automotive tätig – zuletzt u. a. als Cheftexter für ein Volkswagen-Magazin. Über „Deutscher Sohn“, den Afghanistan-Heimkehrerroman von Alexander Wallasch (mit Ingo Niermann), schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: „Das Ergebnis ist eine streng gefügte Prosa, die das kosmopolitische Erbe der Klassik neu durchdenkt. Ein glasklarer Antihysterisierungsroman, unterwegs im deutschen Verdrängten.“

Bild: Superbass, 2020-01-29-Alexander S. Kekulé-Maischberger-8331, CC BY-SA 4.0
Text: wal

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