Von Daniel Weinmann
Das Bürokratiemonster EU schlägt wieder zu. Gemeint ist aber nicht der kürzlich verabschiedete eher harmlose 17 (!)-Punkte-Plan, der dafür sorgen soll, dass das Fahrrad als vollwertiges Verkehrsmittel anerkannt und gefördert wird. Die ach so fürsorgliche Europäische Kommission will erwirken, dass Unternehmen die Bonität sämtlicher Kunden strenger prüfen, die im Internet auf Rechnung einkaufen. Schöngeredet wird dies als Schutz der Verbraucher vor der Überschuldung. Wie ein unveröffentlichtes Dokument des Rates der Europäischen Union, das der „Welt“ vorliegt, plant Brüssel, die Verbraucherkreditrichtlinie aus dem Jahr 2008 signifikant zu verschärfen.
Die überbezahlten EU-Bürokraten wollen die bereits bestehende Regel zur Bonitätsprüfung ausweiten: nicht zuletzt auf Kredite unter 200 Euro, auf zins- und gebührenfreie Darlehen und auf sogenannte „Buy now, pay later“-Angebote, die – wie beispielsweise Klarna – die Möglichkeit bieten, Käufe zu tätigen, ohne direkt bezahlen zu müssen. Die Verbraucherzentrale mahnt, dass dies schnell in die Schuldenfalle führen kann.
Ein gefundenes Fressen für die EU, die auf die glorreiche Idee kam, sämtliche Klein-Kredite denselben Vorschriften zu unterwerfen wie Groß-Darlehen für Häuser oder Autos. Damit lasse sich vermeiden, dass sich die Bürger übermäßig verschulden, argumentieren die Brüsseler Beamten. Diese Kopfgeburt ist das Ergebnis eines sogenannten Trilogs zwischen Kommission, Rat und Parlament. Was die Damen und Herren dafür an Steuergeldern verschwendet haben, möchte man lieber nicht wissen.
»Die neue EU-Richtlinie für Verbraucherkredit sei das Aus für den Kauf auf Rechnung«
Ernüchternder noch: Der beliebte Kauf auf Rechnung – Studien zufolge nutzte 2022 fast jeder sechste Kunde diese Variante – wird künftig deutlich schwieriger und in vielen Fällen gar nicht mehr möglich sein. Denn kaum ein Kunde dürfte bei jedem Einkauf seine finanziellen Verhältnisse offenlegen wollen. Zudem bekommen die Händler die volle Breitseite der Bürokratie in Form eines erheblich steigenden Verwaltungsaufwandes und höherer Kosten zu spüren. “Wer seine Jeans bei Zalando oder Otto per Rechnung bezahlen will, muss seinen kompletten finanziellen Hintergrund gegenüber dem Händler offenlegen“, wettert die FDP-Abgeordnete im Europäischen Parlament, Svenja Hahn. „Das will weder ich als Käufer, noch können die Unternehmen eine solche Prüfung leisten.“
Die neue EU-Richtlinie sei das Aus für den Kauf auf Rechnung, mahnt die 33-Jährige. Rechnungszahlungen für Online-Bestellungen würden faktisch abgeschafft, obwohl dies die verbraucherfreundlichste Zahlungsweise überhaupt sei. Hahn hält es für wahrscheinlich, dass der Kauf auf Rechnung künftig häufig nicht mehr angeboten wird.
„Die Verhandler der EU-Länder und des Parlaments müssen die voreilige Einigung umgehend korrigieren“, fordert die FDP-Politikerin, „sonst stehen wir vor dem Aus des Rechnungskaufs.“ Für viele Unternehmen wäre es so gut wie unmöglich, den Kauf auf Rechnung weiterhin anzubieten“, moniert auch Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des deutschen Einzelhandelsverbands HDE.
Überregulierung, die auch die Freiheiten der Verbraucher einschränken wird
Auch der Hamburger Versandhändler Otto kann der EU-Richtlinie nichts abgewinnen: „Leider beobachten wir, dass die geplante Regulierung im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens immer strikter formuliert und stetig erweitert wurde“, zitiert die „Welt“ einen Firmensprecher. „Im Raum steht in unseren Augen aktuell eine Überregulierung, die nicht nur die Händler und Plattformen im E-Commerce empfindlich treffen, sondern auch die Freiheiten der Verbraucher einschränken wird.“ Besonders kurios ist für ihn die Tatsache, dass vorvertragliche Informationen zu den Zahlungsbedingungen in Papierform den Kunden zugeschickt werden müssten – ein Anachronismus im Online-Handel.
Der vermeintliche Verbraucherschutz ist nichts anderes als eine übergriffige Bevormundung der Bürger. Es sollte Sache der Verkäufer sein, ob sie eine Bonitätsprüfung für notwendig erachten oder nicht. Die EU, die sich einmal mehr ins Private mischen will, hat hier nichts zu suchen.
Als wäre dies nicht genug, ist die EU-Schikane, die als Wohltat verkauft wird, ein weiterer Schritt zum gläsernen Bürger. Ein schwacher Trost: Das Ergebnis des „Trilogs“ zwischen Kommission, Rat und Parlament ist noch nicht in Beton gegossen. Einzelne Punkte können noch auf unteren Ebenen verhandelt werden.
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Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.
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