Schwachstellen im Scheinwerferlicht: Mario Voigt unter Druck Thüringer CDU-Kandidat kämpft gegen Vorwürfe und Realitätschecks

Ein Gastbeitrag von Thomas Rießinger

Wie man hört, wird Mario Voigt, der mitreißend-charismatische Spitzenkandidat der CDU Thüringens, derzeit kaum vom Glück verfolgt. Nicht nur, dass er mit seinem Wahlspot über Zucker oder Salz im Kaffee ein Niveau an den Tag gelegt hat, das selbst Kamala Harris bei all ihrem Talent nur schwer unterbieten könnte, nun muss er sich auch noch gegen den Vorwurf wehren, er habe in seiner Dissertation mit dem schönen Titel „Der amerikanische Präsidentschaftswahlkampf. George W. Bush gegen John F. Kerry“ an mindestens 46 Stellen plagiiert und sogar bei Wikipedia abgeschrieben.

Kein Wunder, dass der Kandidat Erholung und Zuspruch braucht. Beim MDR durfte er sich dieser Tage mit den Spitzenkandidaten der anderen Parteien messen und dabei die ganze Kraft seiner beeindruckenden Persönlichkeit ausleben. Das fiel ihm umso leichter, als er vor den Pforten des Senders einen begeisterten Empfang erhielt, den er voller Freude auf „X“ verewigte: „Ich danke unserer JU und dem Team von #EineUnion für den tollen Empfang!“, schreibt er dort, und die Bilder, die man sehen kann, sind beeindruckend.

Freundlich lächelnd geht er der Menschenmenge entgegen, begrüßt eine Unzahl von Anhängern und nimmt ein Bad in der Menge, das ihm für die anschließende Diskussion den nötigen Rückenwind verleiht.

Auch die CDU Thüringen hat die Szene aufgenommen und bei TikTok ein kurzes Video veröffentlicht. Hier sieht man die Ausmaße der begeisterten Begrüßung schon etwas deutlicher, Voigt muss von seinem Wagen aus erst einmal eine Weile auf die überschaubare Menschenmenge zu gehen, bis er ein paar Hände schütteln kann, und nach 18 Sekunden – einschließlich der Strecke vom Auto zu den Wahlkämpfern – ist das Video auch schon zu Ende, weil man sonst sehen könnte, wie viele Menschen in Wahrheit Voigt den „tollen Empfang“ bereitet haben.

Doch am klarsten wird das Ausmaß der Begeisterung in einem Video aus anderer Perspektive, dass der Journalist Henning Rosenbusch auf Telegram zur Verfügung gestellt hat. Das folgende Bild aus dem Video zeigt, wie es wirklich war.

Ein paar Leute haben sich versammelt, das stimmt, allerdings handelt es sich nicht unbedingt um eine sehr stattliche Zahl von Unterstützern, die sich zusammengefunden haben, um ihren Kandidaten zu bejubeln, sondern um ein freundliches Häuflein von Anhängern, die trotz ihres eher jugendlichen Alters ein wenig an die Aufzüge der „Omas gegen Rechts“ erinnern. Aber gejubelt haben sie. „Mario, Mario!“ haben sie gerufen, wenn auch nicht gleich, vielleicht mussten sie sich erst daran erinnern, wie der Mann heißt, der da ihre Hände schüttelt.

Es ist immer gut, wenn ein Kandidat von einer Menschenmenge beim Namen gerufen wird. Erinnert sich noch jemand an Martin Schulz, den europabewegten Rächer der Enterbten und Beschützer von Witwen und Waisen? Heute verbringt er seinen Ruhestand als Vorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung, doch 2017 war er umjubelter Kanzlerkandidat der SPD. Anscheinend nicht ausreichend umjubelt, zumindest in Würzburg nicht, wie man in der „Welt“ nachlesen konnte. „Doch so richtig wollte der Funke diesmal zunächst nicht überspringen. Der Jubel war schlicht nicht groß genug. Wie reagieren? Ganz einfach, Schulz hilft eben nach. „Fangt doch mal an zu rufen“, fährt er seine Gefolgschaft direkt neben der Bühne an. „Ihr könnt mal rufen.“ Über verdutzte Gesichter seiner Anhänger kann man nur mutmaßen – wussten sie nicht, was sie rufen sollten? –, doch offenbar bedurfte es einer noch präziseren Arbeitsanweisung. „Martin rufen!“, schob Schulz hinterher.“ So schafft man Jubel, so erzeugt man begeisterte Zurufe. Die Folgen für Schulz sind bekannt. Wie es bei Mario Voigt enden wird, werden wir bald wissen.

Dennoch: Ist es nicht schön, dass es gerade die junge Generation in Gestalt der Jungen Union ist, die sich so bereitwillig zur Unterstützung des Kandidaten versammelt hat? Denn die Junge Union Thüringens hat interessante Persönlichkeiten zu bieten. Im allseits beliebten „heute Journal“ vom 13. August 2024 äußerte sich beispielsweise Paul Roth von eben dieser Jungen Union über den laufenden Wahlkampf, man kann ihn ab Minute 8:05 bewundern. „Am Anfang war’s ja „Haha, die AfD, hahahahahaha“, was sollen wir groß machen? Und jetzt ist der Tumor eben gewachsen, und er ist bösartig. Und jetzt können wir entweder sagen, okay, wir verlaufen das jetzt, oder wir machen jetzt ’ne knallharte Chemo und sagen, was tun wir, was machen wir, wie können wir die AfD effektiv inhaltlich bekämpfen?“

Wie Roth die Existenz der AfD „verlaufen“ sollte, ist mir nicht klar geworden. Zugutehalten muss ich ihm, dass er am Ende noch auf die Idee kommt, man könnte ja den politischen Gegner inhaltlich bekämpfen, aber das hilft ihm auch nichts mehr. Denn er hat die gegnerische Partei als Tumor bezeichnet, als bösartigen Tumor, den er mit einer knallharten Chemo bekämpfen will. Solche Formulierungen gab es schon früher. „Nationalsozialisten haben die Metapher der tödlichen Krankheit Krebs bewusst benutzt“, so liest man beim „Informationsdienst Wissenschaft“, „um angebliche „Volksfeinde“, allen voran Juden und Homosexuelle, zu diskriminieren.“ Selbst bei Wikipedia hat man mitbekommen, dass die Nazis bestimmte Menschengruppen als Krebsgeschwür zu bezeichnen pflegten. Und der katalanische Korrespondent Eugeni Xammar berichtete schon 1923, Hitler habe ihm kurz vor seinem gescheiterten Putschversuch in München gesagt: „Die Judenfrage ist ein Krebsgeschwür, das unseren deutschen nationalen Organismus zerfrisst. Wenn wir wollen, dass Deutschland lebt, müssen wir die Juden vernichten.“ Ein Krebsgeschwür. Ein Tumor. Von Chemotherapie konnte Hitler 1923 noch nicht reden, die wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg gegen Krebs eingesetzt. Das ist die Sprache, die man bei der Jungen Union Thüringens benutzt. Man stelle sich nur vor, Höcke oder Weidel oder sonst jemand aus der Partei der Geächteten hätte vor laufender Kamera über die Grünen das Gleiche gesagt: „Und jetzt ist der Tumor eben gewachsen, und er ist bösartig. Und jetzt können wir entweder sagen, okay, wir verlaufen das jetzt, oder wir machen jetzt ’ne knallharte Chemo.“ Die Zeitungen wären voll davon, man müsste bei der ARD mit einem Brennpunkt nach dem anderen rechnen, und die Thüringer Kriminellen hätten sich vor Freude nicht zu fassen gewusst, weil Staatsanwaltschaften und Polizei vollauf mit der Verfolgung von Hass und Hetze beschäftigt wären. Aber es war eben Paul Roth von der Jungen Union, da ist das nicht so schlimm.

„Ich danke unserer JU und dem Team von #EineUnion für den tollen Empfang!“ So hat es Mario Voigt auf „X“ geschrieben. Vielleicht sollte er in Zukunft ein wenig genauer aufpassen, wen er zum Jubeln bestellt.

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Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Thomas Rießinger ist promovierter Mathematiker und war Professor für Mathematik und Informatik an der Fachhochschule Frankfurt am Main. Neben einigen Fachbüchern über Mathematik hat er auch Aufsätze zur Philosophie und Geschichte sowie ein Buch zur Unterhaltungsmathematik publiziert.

Bild: Screenshot Video X

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