Sieben Jahre für einen Witz Geschichten zum Schmunzeln – Mein Krisen-Alternativ-Programm

Hand aufs Herz: Haben Sie es nicht auch satt, ständig negative Nachrichten zu lesen? Bei denen man denkt, es seien „Aufzeichnungen aus einem Irrenhaus“? Was sie aber leider nicht sind – denn es sind reale Neuigkeiten aus Deutschland. Ich möchte Ihnen ein Kontrastprogramm bieten, aus meiner Zeit in Russland. Zum Entspannen und Schmunzeln. Voilà:

Nur bierernste Menschen können dem Irrglauben erliegen, die USA hätten den kalten Krieg gegen die Sowjetunion gewonnen. Denn wer im Wettkampf der Systeme Überhand gewann, lässt sich nicht pauschal sagen – es kommt darauf an, in welcher Disziplin gemessen wird: In Sachen Wirtschaft war ohne Zweifel der Westen der Sieger, beim Wettrüsten lief es lange Zeit auf ein Patt hinaus, doch in allen Fragen des Humors hat Russland bzw. die Sowjetunion das alleinige Plätzchen auf der Siegertreppe verdient– und drehte dem Systemfeind stets eine lange Nase.

Die Liebe zur „Anekdote“ – so das russische Wort für Witz – ging so weit, dass es selbst „Anekdoten über Anekdoten“ gab. Etwa: Zum Todestag Lenins wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben – der beste politische Witz. Der 3. Preis: 3 Jahre Straflager. Der 2. Preis: 7 Jahre Haft unter erschwerten Bedingungen plus 5 Jahre an den Orten, an denen schon Lenin verbannt war. 1. Preis: Ein Treffen mit dem Jubilar. Oder: Zwei Tschuktschen sitzen am Ende der Welt, im Ewigen Eis. Der Eine: „Soll ich Dir einen Witz erzählen?“ Der andere: „Ja, aber bloß keinen Politischen, sonst werden wir noch verbannt!“

Stalin ging ins Kino ...

Hatten die Revolutionäre der ersten Stunde oft noch selbst Freude am politischen Witz, so konnte das Erzählen von „Anekdoten“ zu Zeiten von Stalins Terror lebensgefährlich werden. Und dennoch – oder gerade deshalb – ließen es sich die Menschen nicht nehmen, die grausamen Seiten des Alltags auf die Schippe zu nehmen – kein Wunder, sehen Psychologen doch im Humor eine Möglichkeit, negative Erfahrungen und Ängste zu verarbeiten. Stalin höchstselbst bekam dabei sein Fett ab. In einer „Anekdote“ macht er sich inkognito auf den Weg durch die Stadt, um zu erfahren, was die Menschen wirklich von ihm denken. Er geht in ein Kino. Am Ende des Films wird sein Bild eingeblendet und die Sowjethymne gespielt. Alle stehen auf. Stalin selbst ist ganz angetan, seine Augen glänzen, sitzend beobachtet er die Szene. Bis ihn der Mann hinter ihm an die Schulter tippt: „Bitte, Genosse, wir haben alle die gleichen Gefühle wie Sie, aber es ist viel ungefährlicher, wenn Sie aufstehen!“

Oder: Stalin hält seine Rede ans Volk. Plötzlich hustet jemand. Stalin: „Wer war das?“ Eisernes Schweigen. Stalin: „Genosse Berija, erschießen Sie alle, die in der ersten Reihe stehen.“ Nach den Schüssen erneut Stalin: „Wer war das?“ Weiter Schweigen. Stalin zu Berija: „Lawrentij, erschießen Sie die zweite Reihe.“ Da meldet sich ein Mann, zitternd vor Angst: „I..i…ich…“ Darauf Stalin: „Gesundheit, Genosse!“

Auch dem Gulag versuchten die Menschen mit Humor beizukommen. Etwa: Drei Arbeiter kommen in eine Zelle. Sie fragen einander, für was sie eingesperrt wurden. Der Erste: „Ich kam immer zehn Minuten zu spät zur Arbeit, ich wurde wegen Sabotage festgenommen.“ Der Zweite: „Ich kam immer zehn Minuten zu früh zur Arbeit, ich wurde wegen Spionage eingebuchtet.“ Der Dritte: „Ich kam immer rechtzeitig. Mir warfen sie vor, dass ich eine ausländische Uhr vom Klassenfeind trage.“ Oder, gleiche Situation, gleiche Frage. Der erste Häftling: „Ich sitze, weil ich für Bucharin war.“ Der Zweite: „Ich sitze, weil ich gegen Bucharin war.“ Der Dritte: „Ich bin Bucharin.“

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Wenn die Gattin mit dem Liebhaber ...

Mit dem Tauwetter unter Chruschtschow wurde auch der Humor weniger schwarz und wandte sich anderen Seiten des Lebens zu. Etwa: Der Gatte erwischt seine Frau in flagranti mit dem Liebhaber. Er: „Wäre ich nicht Parteimitglied, würde ich Dir alle Rippen brechen! Wäre ich nicht Parteimitglied, würde ich Dich aus dem Fenster schmeißen!“ Sie streckt die Finger Richtung Decke: „Hoch lebe die Partei!“

Mit Leonid Breschnew begann dann das Zeitalter des personalisierten Politik-Witzes: Der Mann mit den Brauen so dick, als hätte er Schuhcreme über den Augen aufgetragen, ist der ungekrönte König der Anekdote. Vor allem über den späten, hinfälligen Breschnew gab es unzählige Witze. Etwa über seine berüchtigte Liebe zu Orden, die seine Brust so aussehen ließ, als handle es sich um eine Altmetallsammlung: Honecker kommt in den Kreml und bringt Breschnew als Gastgeschenk einen riesigen Teller Meissner-Porzellan mit. Breschnew wendet den Teller hin und her, wird ganz nervös. Auch Honecker macht sich jetzt sorgen: „Stimmt etwas nicht, Genosse Breschnew?“ Der hält sich den Teller vor die Brust: „Ich suche die Nadel, mit der ich ihn anstecken kann!“

Anhand der Witze ließ sich auch der Gesundheitszustand Breschnews ablesen. Kräftig war er noch, als die „Anekdote“ über seinen Paris-Besuch die Runde machte – wo er sich vom Louvre ebenso unbeeindruckt zeigte wie von allen anderen Sehenswürdigkeiten. Nur beim Eiffel-Turm erlaubte sich Breschnew Emotionen: „Wie das? Paris hat neun Millionen Einwohner, da ist ein Wachturm viel zu wenig.“ Jahre später nahm der Volksmund den Generalsekretär nur noch als Schallplatte mit Sprung wahr: „Breschnew tritt vor das Volk und spricht: „O“. Pause. Dann wieder. „O“. Lange Pause. Erneut: „O“. Kreidebleich rennt sein Sekretär zu ihm, flüstert ihm ins Ohr: „Genosse Breschnew, das sind die Olympischen Ringe, die Rede beginnt erst drunter.“ Oder Breschnews Ansprache ans Politbüro: „Genossen! In der letzten Zeit mehren sich die Fälle von Alters-Schwachsinn im Politbüro. Etwa gestern, auf der Beerdigung von Genosse Kossygin – übrigens, warum fehlt er heute hier auf der Sitzung – ja, auf der Beerdigung, als das Orchester den Trauermarsch spielte, war ich der einzige, der das nötige Taktgefühl hatte, die Frau des Verstorbenen zum Tanz aufzufordern….

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Was er politisch nicht schaffte, gelang Breschnew so in Sachen Humor: Sein Werk lebt bis heute fort. Wie überhaupt das Erbe des Sozialismus überaus lebendig ist: Viele sowjetische Witze werden heute einfach auf Putin oder gar Medwedew umgemünzt. Dass manche „Sowjet-Anekdote“ heute nicht mehr aktuell ist, wirkt da fast schon tröstlich – nach dem Motto: „Und es bewegt sich doch etwas“. Ob Putins Demokratie nun lupenrein ist oder nicht –sie unterscheidet sich doch deutlich von dem, was einst war. Das beweist die Antwort auf die Frage, worin sich Feudalismus von Sozialismus unterscheidet: „Im Feudalismus wird die Macht von Vater zu Sohn übergeben, im Sozialismus von Opa zu Opa.“ Und in Putins gesteuerter Demokratie, könnte man als „Update“ hinzufügen , von Freund zu Freund.

Nach dem wirklich unangenehmen „Job“ mit dem Lauterbach-Interview bin ich Ihnen für ein Schmerzensgeld besonders dankbar – und verspreche dafür, auch beim nächstem Mal wieder in den sauren Apfel zu beißen und wachsam an dem gefährlichen Minister dran zu bleiben! Aktuell ist (wieder) eine Unterstützung via Kreditkarte, Apple Pay etc. möglich – trotz der Paypal-Sperre: über diesen Link. Alternativ via Banküberweisung, IBAN: DE30 6805 1207 0000 3701 71. Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut.

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Bild: Igor Gavrilov

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