Ja, es gibt viel zu mäkeln an den sozialen Netzwerken. Aber manchmal sind sie einfach zu praktisch. Und erledigen Sachen, für die man früher als Journalist akribisch alles verfolgen musste. Heute reicht es, einen besonders aufmerksamen Informanten zu haben. In diesem Fall einen ehemaligen Kollegen. Und schon herrscht auf einmal „Glasnost“ – also Transparenz. Zumindest dahingehend, dass die Einträge in den sozialen Netzwerken aufzeigen, was im Argen liegt. Etwa im Zusammenspiel zwischen Medien und Politik. Eigentlich sollten erstere ja die Kontrolleure der letzteren sein. In der Theorie zumindest. In der Praxis ist vielerorts längst zusammengewachsen, was nicht zusammengehört.
Am 3. Dezember um 11.49 Uhr veröffentlichte Norbert Röttgen, einer von drei Bewerbern um den Vorsitz der CDU, folgenden Tweet:
Das Motto meiner Kampagne ist Weiblicher. Jünger. Digitaler. All das verkörpert @EllenDemuth. Sie wird sich in meinem Team um die Vernetzung der @CDU in die Gesellschaft kümmern. Dabei unterstützen uns Persönlichkeiten innerhalb & außerhalb der #CDU. https://t.co/egvkJZnwY9
— Norbert Röttgen (@n_roettgen) December 3, 2020
Es dauerte haargenau einen Tag, 2 Stunden und 18 Minuten, bis die Sache eine erstaunliche Wendung nahm. Zumindest in den Augen meines Freundes, der die Nachrichten auf Twitter verfolgte. Denn für die Betroffenen war es vielleicht gar keine Wendung. Sondern etwas ganz Normales. So normal, dass sie sich nicht einmal die Mühe machten, es in der Öffentlichkeit etwas weniger auffällig zu platzieren. Voilà:
Freue mich zukünftig als stellv. Mitglied im #ARD #Programmbeirat des Deutschen Fernsehens mitarbeiten zu dürfen. Herzlichen Dank den Mitgliedern des #SWR #Rundfunkrat|es für die heutige Wahl und das Vertrauen. pic.twitter.com/QMeJTiTSsA
— Ellen Demuth (@EllenDemuth) December 4, 2020
Nein, Sie haben sich nicht verlesen, liebe Leserinnen und Leser.
Kaum hatte der CDU-Vorsitz-Anwärter sich öffentlich selbst damit gepriesen, dass Ellen Demuth sich um die Vernetzung der CDU kümmern soll, schon kommt es zu einer wirklich bemerkenswerten Vernetzung: Die Christdemokratin wird in ein Kontrollgremium für unsere öffentlich-rechtlichen Sender gewählt. Und verkündet das auch noch stolz auf ihrem eigenen Twitter-Account. Problembewusstsein? Offenbar null. Als sei diese Verquickung die normalste Sache der Welt.
Zum neunköpfigen Programmbeirat heißt es auf der ARD-Seite:
Seit mehr als 60 Jahren berät der ARD-Programmbeirat den Programmdirektor Erstes Deutsches Fernsehen und die Fernsehprogrammkonferenz. Er gibt Anregungen und Empfehlungen zur Weiterentwicklung des Ersten Deutschen Fernsehens und für die zukünftige Programmgestaltung.
Da ist jemand, der sich „um die Vernetzung der CDU kümmern soll“, natürlich bestens platziert. Genauso wie Merkels Ex-Sprecher Uli Wilhelm als Intendant des Bayerischen Rundfunks. Oder die Tochter von Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble (CDU) und Gattin von Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU), Christine Strobl, als Programmdirektorin der ARD.
Aber wehe, irgendjemand spricht von Staatsfunk. Der ist dann böse. Oder, so das neudeutsche Synonym, rechts.
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Text: br
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