Steinmeiers Masken-Panne – und wie ihn Journalisten decken

Die Szene sorgte für Spott und Wut im Internet. Beim Besuch in der neuen Corona-Notfallklinik in Berlin trug Bundespräsident Walter Steinmeier brav eine Schutzmaske, wie es inzwischen vorgeschrieben ist. Er redete mit Klinik-Mitarbeitern, dann verabschiedet er sich von diesen – und legte prompt seinen Mundschutz ab, den alle anderen anbehalten mussten.

Kurz zuvor hatte Steinmeier noch gesagt: „Ich bin selbst medizinischer Laie. Trotzdem traue ich mich, zu behaupten, dass unter den Gesichtspunkten des Virenschutzes der vielleicht manchmal unbequeme und lästige Mundschutz empfehlenswerter ist, als der Aluhut.“

Dass Steinmeier als Staatsoberhaupt spaltet statt zu versöhnen, dass er ständig Öl ins Feuer gießt, statt zu löschen, ist die große Konstante seiner Amtszeit. Dass er Kritiker der Corona-Maßnahmen ebenso wie politische Gegner diffamiert, hier als Verschwörungstheoretiker, ist deshalb nichts neues. Und absolut unerträglich für ein Staatsoberhaupt. Eine besondere Note bekommt seine Verbal-Attacke in der Klinik angesichts der Tatsache, dass noch bis vor ein paar Wochen diejenigen als Verschwörungstheoretiker galten, die das Anziehen von Masken forderten. Und es nun oft umgekehrt ist.

Vielleicht geht hier Steinmeier Vergangenheit mit ihm durch – in Studentenzeiten arbeitete er für eine linke Publikation, die von einem heimlich von der DDR finanzierten Verlag herausgegeben wurde (siehe meinen Bericht „Der linke Glaubenskrieger im Präsidialamt). Als amtierender Präsident ließ der Gerhard-Schröder-Intimus für ein Konzert gegen „Rechts“ trommeln, bei dem eine linksextreme Band mitspielte, die im Visier des Verfassungsschutzes stand, und zu Gewalt gegen Polizisten aufrief.

Insofern kann man nachvollziehen, dass viele bei diesem parteiischsten Staatsoberhaupt seit Gründung der Bundesrepublik mit Argusaugen verfolgen, was er tut. Und mit Spott reagierten, als er fast parallel zu seinem Bekenntnis zum Mundschutz vor versammelter Mannschaft diesen ablegte und damit zumindest dem ersten Anschein nach Doppelmoral an den Tag legte. Anzusehen ist das vor allem auf twitter weit verbreitete Kurzvideo des Auftritts hier.

Während die meisten Medien die Szene diskret übergingen, wie etwa die Tagesschau, stützten sich einige sofort in die Bütt für den von ihnen hoch geschätzten Linken im Präsidialamt. Wie T-Online. Dessen Chefredakteur hatte Merkel erst vor kurzem als „Licht in der Finsternis“ bezeichnet (kein Witz – nachzulesen hier). „In der Szene wirkt es, als hätte Steinmeier den Mundschutz nur für Kameraleute und Fotografen getragen und ihn dann umgehend ausgezogen. So wurde die Szene auch verbreitet mit der Behauptung, ,es wurde doch heimlich weiter gefilmt´. Steinmeier wurde als Heuchler tituliert“, empört sich T-Online-Redakteur Lars Wienand in einem Artikel, in dessen Titelbild der Präsident einmal mit und einmal ohne Maske zu sehen ist: „Doch die Kamera lief keineswegs heimlich, und die Veranstaltung war auch nicht vorbei. Das Abnehmen der Maske war so vorgesehen, damit der Bundespräsident bei dem abschließenden Statement besser verständlich ist, sagte eine Sprecherin…. Bei diesen Aufnahmen seien die Abstandsregelungen eingehalten worden.“

Sie können sich die Szenen hier ab Minute 15 im ganzen Kontext selbst ansehen und sich so ein eigenes Bild machen. Ob die Kamera „heimlich“ weiterlief oder nicht, kann ich nicht beurteilen. Aber ich bin lange genug in der Branche, um zu sehen, dass der Aufnahme-Anlass in der gegebenen Einstellung, das Gespräch mit den Mitarbeitern, zu Ende war, als der Präsident die Maske abnahm. Und noch viel wichtiger: In keinem der traditionellen Medien habe ich diese Szene mit de m Abnehmen der mal Maske gesehen.

Den Aufnahmen nach zu urteilen kamen Steinmeier, als er ohne Maske im Raum war, mehrere Mitarbeiterinnen näher als die Abstandsregelungen erlauben (die ja aber auch gar nicht maßgeblich sind: Man darf ja auch nicht in den Supermarkt oder in den Bus ohne Maske, nur weil man sich vornimmt, Abstand zu halten). Schade, dass der T-Online-Autor nur den Text der Präsidenten-Sprecherin übernahm, dass alles nach Vorschrift lief, statt selbst hinzusehen und zu hinterfragen. Hygienisch mehr als zweifelhaft ist auch, dass Steinmeier seine benutzte Schutzmaske einfach ungereinigt anderen Menschen in die Hand gab. Igitt!

Es dauerte noch eine ganze Weile nach dem Abnehmen der Maske, bis Steinmeier sein Mikrofon vorgesetzt bekam, und sein Abschluss-Statement machen konnte. Er hätte die Maske also deutlich später ausziehen müssen. Aber mehr noch: Wenn die Masken so wichtig sind, hätte der Präsident nicht in einem Raum voll mit Menschen in Kauf nehmen müssen, undeutlicher zu sprechen, aber dafür mit Maske, um die Sicherheit der Anwesenden nicht zu gefährden? Oder hätte er nicht das Statement zumindest draußen geben können? Auch wenn die Bilder dann natürlich nicht so symbolisch geworden wären.

Die Aufnahmen enthüllen also tatsächlich eine Scheinheiligkeit des Präsidenten im Umgang mit den Auflagen für die Bürger (der Psychiater Maaz hat vor kurzem auf reitschuster.de darüber geschrieben, dass die Maskenpflicht auch eine Unterwerfungsgeste sei). Und die Reaktion der Medien zeigt, wie sehr viele ihre Wächterfunktion aufgegeben haben. Einige, wie T-Online, haben sogar eine neue Wächterfunktion übernommen – gegen Kritik an den Regierenden.

P.S.: Eine Frage aus Neugier – hat jemand von Ihnen Angela Merkel in Maske gesehen? Ich nicht. Warum eigentlich?


Bild: Link T-Online

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