„Systemisches Problem“: ÖRR-Gebührenzahler schauen in die Röhre Früherer Kinderkanal-Herstellungsleiter packt aus

Von Daniel Weinmann

Marco Kirchhof galt bei seinen Kollegen vom Kinderkanal immer als zuverlässig und vertrauenswürdig. Bis im Oktober 2010 sein KiKa-Kartenhaus zusammenbricht, als ein Berliner Produzent den größten Betrug in der Geschichte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auffliegen lässt: Über zehn Jahre lang schrieben Produktionsfirmen fingierte Rechnungen für Kirchhof, der sich selbst als „kaltblütiger Betrüger“ bezeichnet.

Er täuschte seine Vorgesetzten und zweigte einen erheblichen Teil des Geldes für sich selbst ab. Zweiwöchentlich überbrachte ein Kurier dem damaligen Kika-Herstellungsleiter zwischen 10.000 und 15.000 Euro – „Spielgeld“, wie Kirchhof es nannte. Schließlich finanzierte er damit seine Spielsucht, die ihn an manchen Wochenenden bis zu 40.000 Euro kostete.

Das Erfurter Landgericht sah es als erwiesen an, dass Kirchhof von 2005 bis 2010 in 48 Fällen Scheinrechnungen in Höhe von 4,6 Millionen Euro zur Zahlung angewiesen hatte, ohne dass der Sender eine Gegenleistung erhielt. Fünf Jahre und drei Monate lautete das Urteil. Kirchhof saß davon vier Jahre und zwei Monate in der JVA Suhl-Goldlauter ab. Als Ersttäter und wegen guter Führung kam er vorzeitig frei.

»Wer spart, wird bestraft«

„Wo ist das Geld nur geblieben? Mein Doppelleben mit der Spielsucht“, heißt sein an diesem Donnerstag erschienenes Buch, in dem Kirchhof nicht nur Farbe bekennt, sondern zugleich aufzeigt, wie leicht der gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunk auszunehmen ist.

KiKa-intern genoss der geläuterte Betrüger einen erstklassigen Ruf als „kleiner Zauberer“ in Finanzfragen. Seine einschlägigen Kompetenzen konnte er vor allem dann unter Beweis stellen, als es darum ging, das Budget von 40 Millionen Euro auszureizen, um Kürzungen im folgenden Jahr zu umgehen. „Wer spart, wird bestraft“, lautete das Motto. Sicherlich ein Grund mehr, warum die Kontrollmechanismen beim Kinderkanal gänzlich versagten.

Die Zeit im Gefängnis habe er relativ gut überstanden, nicht zuletzt dank einer weiteren besonderen Fähigkeit: „Ich half einem Mithäftling beim Binden einer Krawatte, die er für seine Hochzeit im Gefängnis brauchte. Mein doppelter Windsor-Knoten hinterließ so starken Eindruck, dass der kräftige Bräutigam mich fortan unter seinen Schutz stellte.“

Offen bleibt, wie groß die Dunkelziffer ist

Passend zum korrupten Image der ÖRR: Bislang wollte niemand auf der Chefetage eine medienpolitische Verantwortung für den jahrelangen Betrugsfall übernehmen. Im Gegenteil: Am 1. November wird Ralf Ludwig neuer MDR-Intendant. Als Kirchhof sich Pakete mit Bargeld schicken ließ, den Sender um Millionen betrog, war Ludwig Hauptabteilungsleiter Finanzen bei der ARD-Tochter.

Der eigentliche Skandal sind indes nicht allein die absurden Auswüchse des Systems, der Skandal ist das System selbst. Kirchhof selbst spricht von einer Kultur des Wegschauens und einem „systemischen Problem“, das er ausnutzte. Offen bleibt, wie groß die Dunkelziffer ist. Es ist sicherlich keine Verschwörungstheorie, davon auszugehen, dass sich viele weitere – wenn auch kleinere – Kirchhofs am ÖRR bereichern.

Schon bald ist noch mehr Geld im Spiel: Wie der „Business Insider“ aus internen Strategiepapieren erfahren hat, planen die Intendanten der ARD bis 2028 eine Anhebung des Rundfunkbeitrags auf bis zu 25,19 Euro pro Monat.

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Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.

Bild: Screenshot Youtube-Video KiKA von ARD und ZDF

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