Die Serie von Gerichtsentscheidungen gegen die Masken- und Testpflicht an Schulen setzt sich fort. Nachdem vergangene Woche das Amtsgericht im thüringischen Weimar die Maskenpflicht an Schulen ebenso wie die Testpflicht für verfassungswidrig befand und auch das Amtsgericht im bayerischen Weilheim eine ähnliche Entscheidung in Sachen Masken traf, hob nun das Verwaltungsgericht in Magdeburg die Testpflicht auf. Parallel kippte das Verwaltungsgericht Arnsberg die Ausgangssperre im Märkischen Kreis.
Knackpunkt für das Gericht in Sachsen-Anhalt war nach einem Bericht der Magdeburger Volksstimme die rechtliche Grundlage der Testpflicht: „Da die Auflage in der aktuellen Corona-Eindämmungsverordnung bislang nicht vorgesehen war, hatte das Bildungsministerium übergangsweise einen gesonderten Erlass herausgegeben, der die Testpflicht ab 12. April einführte. Die Richter urteilten nun, die in der aktuellen Eindämmungsverordnung vorgegebenen Möglichkeiten zur Pandemie-Eindämmung könnten nicht einfach durch einen zusätzlichen Erlass erweitert werden.“
Ab Montag wird dem Bericht zufolge allerdings wieder eine andere Rechtslage gelten, weil dann eine neue Verordnung in Kraft tritt. Das Bildungsministerium in Magdeburg hob für drei Tage – bis zum Inkrafttreten der neuen Corona-Eindämmungsverordnung – die Testpflicht auf. Es appellierte dem Bericht zufolge zur Teilnahme an freiwilligen Tests, um die Pandemie einzudämmen.
Das Verwaltungsgericht Arnsberg wiederum kam in seiner Entscheidung zu dem Schluss, Ausgangsbeschränkungen seien in Anbetracht einer drohenden Überlastung des Gesundheitswesens im Märkischen Kreis ein legitimer Zweck und stellten auch grundsätzlich ein geeignetes Mittel zur Pandemiebekämpfung durch Kontaktreduzierung dar. Allerdings, so das Gericht, stelle das Infektionsschutzgesetz in seiner aktuellen Fassung für die Anordnung von Ausgangsbeschränkungen hohe Anforderungen. Solche Eingriffe seien nur zulässig, wenn ohne sie eine wirksame Eindämmung des Infektionsgeschehens „erheblich“ gefährdet sei. Genau das habe die Kreisverwaltung aber in ihrer Allgemeinverfügung nicht ausreichend dargelegt. Es spreche vielmehr vieles für eine nur sehr begrenzte Wirkung der Ausgangsbeschränkung. Zudem seien private Kontakte im Märkischen Kreis schon vorher sowohl im öffentlichen wie im privaten Raum stark eingeschränkt worden.
Ein weiterer Aspekt in dem Gerichtsentscheid aus Arnsberg hat besondere Sprengkraft: Ein entscheidender Einfluss von Ausgangsbeschränkungen nur in der Nacht sei nicht offenkundig, so das Gericht, Studien kämen zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen.
Nach dem Gerichtsbeschluss von Weimar vergangene Woche gegen die Masken- und Testpflicht gibt es unterdessen eine regelrechte Kampagne gegen den zuständigen Richter. In den großen Medien werden in einem starken Framing fast durchgängig Worte wie „umstritten“ benutzt, um die Entscheidung zu diskreditieren. Gegen den Richter sind mehrere Klagen wegen Rechtsbeugung bei der Staatsanwaltschaft eingegangen. Der Juristenverband „Neue Richtervereinigung“ bekundete, der Richter habe das Maß des Hinnehmbaren überschritten. Er leugne wesentliche Erkenntnisse der Wissenschaft. Eine solche Aussage ist bemerkenswert. Sie zeigt nicht nur eine erstaunliche Auffassung von Rechtsstaatlichkeit, sondern auch von Wissenschaft, die mehr an Sozialismus als an demokratische Systeme erinnert. In Demokratien muss angesichts der Unabhängigkeit der Gerichte jede Entscheidung derselben „hinnehmbar“ sein. Und in der Wissenschaft gibt es in der Moderne keine Dogmen mehr, sondern sie lebt von Diskurs. Gerichte sollen den Staat kontrollieren, und nicht umgekehrt. Aber offenbar ist das im Deutschland des Jahres 2021 nicht mehr ganz so.
Bemerkenswert ist auch, dass die Aussagen des Juristenverbands „Neue Richtervereinigung“ gegen den Weimarer Richter ohne jeden Hinweis erfolgen, dass dieser Verband bei seinen Kritikern als politisiert und ideologisch gilt. Und daraus auch selbst keinen Hehl macht, verweist er doch auf die „gesellschaftspolitische Relevanz“ der Tätigkeit als Richter und Staatsanwalts.
Alle erwähnten Urteile sind in der untersten Instanz gefällt und damit im Sinne der endgültigen Rechtsprechung wenig bedeutend. Umso größer ist ihr symbolisches Gewicht. Sie unterstreichen, mit welch eiliger Nadel die staatlichen Regelungen gestrickt werden – und wie umstritten die vermeintlich unbestreitbaren Erkenntnisse der Wissenschaft in Wirklichkeit sind.
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Bild: Shutterstock
Text: red