Von Alexander Wallasch
Die Vermutung ist schwerwiegend, die Konsequenzen wären immens: Hat das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) einen gemeldeten Verdachtsfall auf Tod nach Impfung bei einer Jugendlichen nicht dokumentiert? Ein bedauerlicher Einzelfall oder die Spitze des Eisbergs? Sollte sich tatsächlich bestätigen, dass hier gravierende Fehler gemacht wurden, muss das weitreichende Bedeutung für die Impfkampagnen der Bundesregierung haben – bis hin zur Position des verantwortlichen Gesundheitsministers Lauterbach.
Der Bundestagsabgeordnete Martin Sichert (AfD) hatte im Namen seiner Fraktion eine Anfrage an die Bundesregierung gestellt, nachdem er die letzten Sicherheitsberichte des PEI genauer studiert hatte.
In diesen Sicherheitsberichten informiert das Institut nach Selbstbekunden „über alle in Deutschland gemeldeten Verdachtsfälle von Nebenwirkungen oder Impfkomplikationen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung gegen COVID-19“. Das PEI betont dazu ausdrücklich, das Melden von Verdachtsfällen von Nebenwirkungen sei „zentrale Säule für die Beurteilung der Sicherheit von Arzneimitteln“.
Und damit wären wir wieder beim Abgeordneten Sichert, der nämlich hatte sich intensiv mit dem Fall der verstorbenen 15-jährigen Cheyenne B. aus seiner Region beschäftigt. Sichert und sein Büro analysierten besagte Sicherheitsberichte des PEI und waren anschließend darüber irritiert, dass die 15-Jährige dort einfach nicht aufzufinden ist.
Dazu muss man wissen: Der Fall der Verstorbenen soll laut Aktenlage vom behandelnden Krankenhaus an das PEI gemeldet worden sein, weil ihr Tod in engem zeitlichen Zusammenhang mit ihrer Impfung gelegen hat. Aber dort ist er nach Recherche des Bundestagsabgeordneten einfach nicht aufgetaucht.
Sichert fragte also die Bundesregierung:
„Wurde über den Todesfall des 15-jährigen Mädchens aus Hollfeld im Sicherheitsbericht des PEI vom 23.12.2021 berichtet und wenn nicht, warum nicht?“
Antwort der Bundesregierung:
„Das PEI berücksichtigt sämtliche eingegangenen Verdachtsmeldungen des Berichtszeitraums in seinem Sicherheitsbericht. Unter Verweis auf die Vorbemerkung der Bundesregierung ist eine eindeutige Zuordnung einer solchen Verdachtsfallmeldung zu einem in den Medien beschriebenen Fall grundsätzlich nicht möglich.“
Aber wenn „sämtliche eingegangenen Verdachtsmeldungen des Berichtszeitraums“ im Sicherheitsbericht des PEI berücksichtigt sind, wo ist dann Cheyenne B. abgeblieben? Namen werden zwar nicht genannt, aber Sichert meint, er konnte anhand der geringen Zahl der im Bericht angegebenen verstorbenen Jugendlichen nachvollziehbar ermitteln, dass der Fall der 15-Jährigen dort nicht auftaucht.
Aber wie begründet sich die dringende Vermutung? Für Sichert ist die Sache klar: Im Sicherheitsbericht des Instituts vom 23.12.2021 sind sechs entsprechende Todesfälle bei Kindern und Jugendlichen erwähnt. Dabei handelt es sich um eine weibliche und fünf männliche Verstorbene. Im Zeitraum der Meldung des Todes von Cheyenne B. an das PEI taucht ihr Tod dort nicht auf. Und das dort bereits aufgeführte Mädchen verstarb laut PEI „fünf Monate nach der Impfung“.
Cheyenne B. wurde am 15.09. 2021 mit Biontech geimpft, die Zweitimpfung erfolgte am 25.10.2021. Neun Tage später brach die 15-Jährige am Esstisch der Familie zusammen und wurde anschließend neunzig Minuten wiederbelebt. Sie verstarb dreizehn Tage später im Krankenhaus.
Reitschuster.de fragt beim Paul-Ehrlich-Institut nach Cheyenne B. und auch allgemein danach, wie mit den eingehenden Verdachtsfällen verfahren wird.
Das Institut antwortet zunächst, dass man wegen der geringen Zahl der verstorbenen Kinder nicht zu einzelnen Fällen Stellung beziehen könne, es wäre „unter Umständen mit Zusatzwissen von Dritten möglich, einzelne Personen zu identifizieren“.
Aber das Institut bestätigt, dass „alle Todesfallmeldungen bei Kindern und Jugendlichen“ im Zusammenhang mit einer mRNA-Impfung „detailliert recherchiert“ würden. Explizit heißt es da: „Das umfasst den Kontakt behandelnder Ärzte/Ärztinnen, die gemeldet haben, zum zuständigen Gesundheitsamt und auch Kontakt mit der Rechtsmedizin bzw. Pathologen.“
Das PEI betont gegenüber reitschuster.de, dass diese Recherchen „eine gewisse Zeit und z.T. auch mehrfache Nachfragen“ erfordern. Weiter heißt es da: „Der Sicherheitsbericht stellt den jeweils im Paul-Ehrlich-Institut vorhandenen Informationsstand dar.“
Das erklärt zumindest, warum die Umstände des Todes des anderen verstorbenen Mädchens in drei Berichten unterschiedlich beschrieben werden, das PEI hat hier neue Erkenntnisse offenbar ergänzt.
Aber nochmal: Wo bleibt Cheyenne B. im Sicherheitsbericht des Institutes? Sowohl aus der Antwort der Bundesregierung an MdB Sichert als auch der des PEI an reitschuster.de geht hervor, dass der von Ärzten, Kliniken oder Gesundheitsämtern gemeldete Verdachtsfall – unabhängig vom weiteren Verlauf der Recherche – in den Sicherheitsbericht aufgenommen worden sein müsste.
Ebenfalls interessant ist, dass das PEI zwar behauptet, jeden Fall eines verstorbenen Minderjährigen detailliert zu recherchieren bei Ärzten, Rechtsmedizinern und Pathologen, gleichzeitig aber an reitschuster.de schreibt:
Aufgrund des Datenschutzes erhält das Paul-Ehrlich-Institut bei Meldungen (…) keine Angaben zur Anschrift des (ursprünglich) Meldenden bzw. der betroffenen Person. (…) Sämtliche personenbezogenen Informationen zu der von der Reaktion betroffenen Person müssen entfernt werden. Daher können Verdachtsfallmeldungen nur in pseudonymisierter Form in die Datenbank (zur weiteren Bearbeitung und Bewertung) übernommen werden.“
Die detaillierte Recherche müsste doch unter diesen pseudonymisierten Bedindungen schwer bis unmöglich sein. Also schicken wir eine Nachfrage an das Institut mit folgendem Wortlaut:
„Ist es also richtig, dass zwischen dem 30.09.2021 – 30.11.2021 keine weibliche Jugendliche als Verstorbene gemeldet wurde? Umfasst das im Sicherheitsbericht genannte Stichtagsende alle bis dahin im PEI gemeldeten Fälle? Und wie wird ‚detailliert recherchiert‘ bei Ärzten, Rechtsmedizin, Pathologie etc., wenn doch die Daten ‚pseudonymisiert‘ wurden?“
(Diese Nachfrage wurde bisher nicht beantwortet. Die Antwort reichen wir hier nach).
Möglicherweise gibt es ja noch eine plausible Erklärung für das mutmaßliche Verschwinden von Cheyenne B. aus der Liste der Verdachtsfälle an einer mRNA-Impfung verstorbener Kinder und Jugendlicher. Aus den bisherigen Antworten des Paul-Ehrlich-Institutes geht das aber nicht hervor.
Sollte sich allerdings bestätigen, dass der Tod von Cheyenne B. hier aus der Zählung gefallen ist, dann zieht das dringende Fragen nach sich, die eine unabhängige Untersuchungskommission klären muss. Nachgegangen müsste in diesem Falle auch den hunderttausenden Verdachtsfällen ohne direkte Todesfolge – es sollte hier mindestens stichprobenartig überprüft werden, ob hier weitere ebenfalls gemeldete Fälle niemals in den Sicherheitsberichten auftauchten.
Und warum diese Sicherheitsberichte von so immenser Bedeutung sind, hat das Paul-Ehrlich-Institut selbst mitgeteilt und kann hier abschließend nur wiederholt werden: „Das Melden von Verdachtsfällen von Nebenwirkungen ist eine zentrale Säule für die Beurteilung der Sicherheit von Arzneimitteln.“
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine.
Alexander Wallasch ist gebürtiger Braunschweiger. Er schrieb schon früh und regelmäßig Kolumnen für Szene-Magazine. Wallasch war 14 Jahre als Texter für eine Agentur für Automotive tätig – zuletzt u. a. als Cheftexter für ein Volkswagen-Magazin. Über „Deutscher Sohn“, den Afghanistan-Heimkehrerroman von Alexander Wallasch (mit Ingo Niermann), schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: „Das Ergebnis ist eine streng gefügte Prosa, die das kosmopolitische Erbe der Klassik neu durchdenkt. Ein glasklarer Antihysterisierungsroman, unterwegs im deutschen Verdrängten.“
Bild: shutterstock
Text: wal
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