Trotz Arbeitskräftemangel: Hunderttausend Jugendliche tun nichts Ist Müßiggang aller Laster Anfang?

Wir brauchen dringend Zuwanderung, weil wir einen Bevölkerungsschwund haben und immer weniger einheimische Arbeitskräfte. Das wird täglich vom polit-medialen Komplex wiederholt. Oft auch in manipulativer Weise – wenn etwa die Massenzuwanderung aus eher archaisch geprägten Kulturen in einen Topf geworfen wird mit der Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften. Wenn deren Mangel so groß ist und Arbeitgeber händeringend auch nach ungelernten Kräften suchen, wie behauptet, ist umso verwunderlicher, was in den Daten des Statistischen Amtes der Europäischen Union (Eurostat) für das Jahr 2022 zu lesen ist: 567.766 junge Menschen zwischen 15 und 24 Jahren gehen demnach in Deutschland weder zur Schule, noch machen sie eine Ausbildung oder gehen arbeiten.

Neudeutsch würde man sagen sie „chillen“ – also sie erholen sich. Allein in Berlin beträgt die Zahl der „NEETs“ 33.146. Typisch für sie sind Geschichten wie die von Frida Landsberg (17), die der „B.Z.“ im Interview erklärte: „Ich habe dieses Jahr Abi gemacht und weiß noch nicht wirklich, was ich machen möchte. Theoretisch kann man ja alles machen – für viele ist das ziemlich überwältigend. Das geht auch den meisten meiner Freunde so. Wir möchten ja nicht irgendwas anfangen, nur um es dann wieder abzubrechen. Dass wir wegen Corona kein Berufspraktikum machen konnten, hat natürlich auch nicht geholfen.“

Ähnlich äußerte sich gegenüber dem Blatt auch Max Bukes (18): „Ich habe mein Abi in Bremen gemacht und bin momentan in Deutschland unterwegs, danach will ich mit Interrail durch Europa reisen. Kein Plan, was ich danach mache. Meine Eltern lassen mir den Freiraum. Denen ist nur wichtig, dass ich nächstes Jahr einen Plan habe.“

Laut „B.Z.“ waren in den Corona-Jahren 2021/22 sogar noch mehr junge Leute ohne Job oder Ausbildung als jetzt. Gegenüber 2019 ist die Zahl dagegen allein in der Hauptstadt um 6.043 junge Menschen gewachsen. „Es gibt eine wachsende Gruppe von Jugendlichen, die mangels Orientierung in kompletter Inaktivität verharrt“, sagte Christina Ramb, Vorsitzende des Verwaltungsrats der Bundesagentur für Arbeit (BA), dem Blatt.

Wir haben also die paradoxe Situation, dass 33.146 junge Berliner keinerlei Beschäftigung nachgehen, während in der Hauptstadt 20.681 Arbeitskräfte gesucht werden. Davon ist für 4.000 der freien Stellen keine Ausbildung notwendig, weil es sich etwa um Tätigkeiten als Kellner oder Rezeptionist handelt. Die jungen Menschen, die keiner Tätigkeit nachgehen, könnten hier also zeitnah die bestehenden Lücken füllen.

Diese Diskrepanz ist eine der vielen Erscheinungen in Deutschland, die rätselhaft sind. Und die man in vielen anderen Ländern mit Kopfschütteln betrachtet. Sie zu ergründen, ist Aufgabe von Soziologen und Psychologen und weniger von Journalisten. Klar scheint aber eines: Sie muss mit Wohlstand zu tun haben.

In den osteuropäischen Ländern, die ich kenne, wäre ein solches „Chillen“ von jungen Menschen nach Schulabschluss im Normalfall undenkbar. Weil es die materiellen Verhältnisse nicht hergeben. Die Regel ist dort eher die sofortige Aufnahme einer Arbeit nach der Schule oder sogar eine volle Arbeitstätigkeit neben einem schnell begonnenen Studium, mit der die jungen Menschen noch ihre eigenen Eltern finanziell unterstützen.

„Müßiggang ist aller Laster Anfang“ – das besagt ein altes Sprichtwort. Das völlig aus der Mode geraten ist.

Aber ist es das zu Recht?

Wir sich die deutsche Gesellschaft längerfristig im internationalen Konkurrenzkampf gegen Gesellschaften durchsetzen soll, in denen die Menschen schon in jungen Jahren eine ganz andere Arbeitsmentalität verinnerlicht haben, ist eine der vielen offenen Fragen in Bezug auf unser Land.

Missgeschick mit Folgen! 

Nicht nur journalistisch ist man nicht vor Fehlern gefeit – auch im Alltag. Und da leider noch keine wasserdichten Computer erfunden sind, hat ein aufs Notebook gekipptes Wasserglas schwerwiegende Folgen. Aktuell laufe ich deswegen technisch quasi auf „Reserve“. Beim Artikel-Tippen ist das halbwegs okay, aber nicht beim Video-Schnitt. Deshalb muss ich leider um etwas Geduld bitten – und möchte mich ganz herzlich bei allen bedanken, die mir mit ihrer Unterstützung meine Arbeit (und Arbeitsgeräte) erst ermöglichen!
Aktuell sind (wieder) Zuwendungen via Kreditkarte, Apple Pay etc. möglich – trotz der Paypal-Sperre: über diesen Link. Alternativ via Banküberweisung, IBAN: DE30 6805 1207 0000 3701 71. Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut.

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