„Traue keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast“, soll einst Winston Churchill gesagt haben. Frei nach ihm müsste man wohl auch sagen: „Traue keiner Umfrage, bei der du nicht selbst mit den richtigen Fragen für das passende Framing gesorgt hast!“ So vermeldete der öffentlich-rechtliche Rundfunk Anfang Oktober Zahlen, die auf den ersten Blick überwältigend aussahen. „Mehr Menschen halten Medien in Deutschland für glaubwürdig“, lautete die Schlagzeile, mit welcher der WDR eine selbst bei Infratest dimap in Auftrag gegebene Meinungsumfrage vorstellte. Weiter stand im Vorspann: „Insgesamt halten zwei Drittel die Informationen in deutschen Medien für glaubwürdig – so viele wie noch nie.“
Sodann ist im Text zu lesen: „Die größte Glaubwürdigkeit schreiben 81 Prozent (plus 3 Prozentpunkte) der Befragten erneut öffentlich-rechtlichen Radiosendern zu. Die Informationen in öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern schätzen 79 Prozent (plus 5) als glaubwürdig ein. Damit liegt die Glaubwürdigkeit dieser Angebote der öffentlich-rechtlichen Sender wie schon in den Jahren zuvor deutlich über dem Glaubwürdigkeitsniveau der Medienangebote in Deutschland insgesamt.“ Als Zwischenüberschrift ist dick im Text zu lesen: „Vertrauen in öffentlich-rechtlichen Rundfunk erneut gestiegen.“ Das wird darunter im Text dann wiederholt – so dass es auch bei jedem hängen bleibt: „Im Vergleich zu den Vorgängerstudien ist das Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk erneut gestiegen: 70 Prozent der Befragten gaben an, großes oder sehr großes Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu haben – drei Prozentpunkte mehr als vor einem Jahr.“ Die Erfolgsmeldung ging breit durch die Presse.
Ein stabil wachsendes Vertrauen in die gebührenfinanzierten Sender seit fünf Jahren, die höchsten Werte seit 2016? Mir kamen diese Zahlen merkwürdig vor. Gerade auch vor dem Hintergrund, dass der Auftraggeber hier ein klares Interesse hatte, Resultate zu bekommen, die ihn gut dastehen lassen. Die genauen Texte der Fragen, auf die es ankommt, sind in dem WDR-Artikel gar nicht erwähnt, man muss erst die ARD-Präsentation dafür finden. Ich habe eine repräsentative Umfrage beim Meinungsforschungsinstitut INSA in Auftrag gegeben, um die Angaben der ARD-Anstalt zu hinterfragen. Das Ergebnis stellt die WDR-Schlagzeile „Vertrauen in öffentlich-rechtlichen Rundfunk erneut gestiegen“ auf den Kopf. Nur acht Prozent der insgesamt Befragten 2.074 Frauen und Männer glauben demnach dem Kern der Aussage, die der WDR verbreitet.
Hier die Antworten auf die Frage „Sind Sie der Meinung, dass die Menschen in Deutschland insgesamt heute mehr oder weniger Vertrauen in die Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Medien haben als vor fünf Jahren?“
Die relative Mehrheit der Befragten (44 %) gibt an, dass die Menschen in Deutschland insgesamt heute weniger Vertrauen in die Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Medien haben als noch vor fünf Jahren. 35 Prozent der Befragten glauben, dass sich das Vertrauen weder verbessert noch verschlechtert hat und acht Prozent glauben, dass die Menschen heute mehr Vertrauen in die Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Medien haben als vor fünf Jahren.
Beachtenswert bei diesem Ergebnis ist auch, dass es entstand, nachdem die Meldung vom „erneut gestiegenen“ Vertrauen in die öffentlich-rechtlichen Sender breit durch die Medien gegangen war. Dieses „Framing“ hat aber offenbar nicht verfangen – anders ist die völlig abweichende Tendenz in den Ergebnissen nicht zu erklären.
Befragte mit Migrationshintergrund glauben öfter, dass das Vertrauen geschwunden ist, als Befragte ohne Migrationshintergrund (47 zu 44 %). Demgegenüber geben Befragte ohne Migrationshintergrund deutlich häufiger an, dass die Menschen noch genauso viel Vertrauen in die Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Medien haben wie vor fünf Jahren (37 zu 24 %).
AfD- und FDP-Wähler glauben in ihrer absoluten Mehrheit, dass die Menschen in Deutschland heute weniger Vertrauen in die Berichterstattung der öffentlich-rechtlicher Medien haben als vor fünf Jahren (59-73 %). Auch eine relative Mehrheit der Linke-Wähler sieht dies so (49 %). Befragte Unions-, SPD- und Grünen-Wähler indes glauben zumindest mit einer knappen Mehrheit, dass sich das Vertrauen weder in die eine noch die andere Richtung verändert hat (42-54 %). Ein Anstieg des Vertrauens wird von 15 Prozent der CDU-Wähler und 13 Prozent der SPD-Wähler angenommen. Am geringsten ist der Glaube an einen Anstieg des Vertrauens bei FDP-Wählern (4 Prozent) und AfD-Wählern (6 Prozent).
Der Kontrast zu der Schlagzeile, die der WDR unter Berufung auf die selbst in Auftrag gegebene Umfrage verbreitet, könnte in jedem Fall größer kaum sein. Auch wenn die Fragestellungen nicht direkt vergleichbar sind und sich eine subjektiv unterschiedliche Wahrnehmung als Begründung für die Diskrepanz nicht ausschließen lässt: Das Ergebnis der INSA-Umfrage ist ein direktes Misstrauensvotum gegenüber der Grundaussage des WDR.
Lesen Sie morgen den zweiten Teil der INSA-Umfrage zum Vertrauen in die Öffentlich-Rechtlichen. Da geht es nicht mehr um die Frage, ob das Vertrauen gestiegen oder gefallen ist, sondern ob die Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Medien insgesamt glaubwürdig oder unglaubwürdig ist.
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Bild: Screenshot ARD-Studie / Cineberg/Shutterstock
Text: red