Von Daniel Weinmann
Ulrike Guérot zählte während der Coronakrise zu den schärfsten Kritikern der staatlichen Grundrechtseinschränkungen. Sie hatte den Mut, offizielle Narrative zu hinterfragen. Ihr Essay „Wer schweigt, stimmt zu“ avancierte zum Bestseller. „Wir sollten darüber diskutieren, wie es kommen konnte, dass wir uns so schnell unter dem Imperativ dieser Angst und dieser Panik dazu haben hinreißen lassen, substanzielle Rechtsbestände unserer Demokratie temporär erst einmal außer Kraft zu setzen“, sagte sie im März vergangenen Jahres in „Deutschlandfunk Kultur“. Sie wurde für ihr Andersdenken beschimpft und bedroht.
Kürzlich machte sie sich als eine der Erstunterzeichnerinnen des „Manifests für Frieden“ von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht neue Feinde im Polit-Mainstream. Es war offensichtlich zu viel für die Protagonisten der linksgrünen Agenda: Die Leiterin des Lehrstuhls für Europapolitik an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn wird gekündigt.
„Die @unibonn hat mir wegen Plagiat in einem nicht-wissenschaftlichen Buch von 2016 zum 31.3. gekündigt“, twitterte Guérot an diesem Freitag, „ich werde dagegen juristisch vorgehen und stehe deswegen nicht für Anfragen zur Verfügung. Ich wäre die erste Person, der in Deutschland wegen „Plagiat“ gekündigt würde: es wird spannend ;-)“
»Keine Partei seit dem Zweiten Weltkrieg räumt so konsequent mit politischen Gegnern auf wie die Grünen«
Die Universität Bonn bestätigte „arbeitsrechtliche Schritte“ gegen die 59 Jahre alte Politikwissenschaftlerin. Im vergangenen Jahr seien öffentlich Vorwürfe gegen sie erhoben worden. Sie habe sich während ihrer Dienstzeit fremdes geistiges Eigentum angeeignet, ohne dies als solches kenntlich zu machen. Stein des Anstoßes ist laut der „Neuen Zürcher Zeitung“ der 2016 erschienene Bestseller „Warum Europa eine Republik werden soll“.
Guérot hatte mehrfach öffentlich um Entschuldigung für ihre Verstöße gegen das Urheberrecht gebeten. Es seien Flüchtigkeitsfehler wegen des großen Zeitdrucks vor der Abgabe des jeweiligen Manuskripts gewesen. Sie sei zum Ziel einer „Rufmordkampagne“ geworden.
Der selbsternannte „Citoyen“ und Grünen-Politiker Volker Beck, der 2016 über schwere Drogen-Vorwürfe gestolpert ist, beeilte sich, via Twitter nachzutreten. „Sicher ist: Mit Ihrer schon fast antiwissenschaftlich zu nennenden Art zu argumentieren, haben Sie dem Ansehen von Wissenschaft und Ihrer Universität schwer geschadet.“
Twitter-User „CaptainGerri“ brachte in seiner Replik die Gesinnung der Grünen perfekt auf den Punkt: „So was nennt man im Allgemeinen dann Säuberungswellen. Keine Partei seit dem 2. Weltkrieg räumt so konsequent mit politischen Gegnern auf wie die Grünen. Das ist ein totalitärer Gesinnungsansatz. Ganz gleich, wie man zu Frau #Guérots Äußerungen stehen mag.“
Die Entscheidung der Richter wird zeigen, wie weit es mit diesem Land wirklich gekommen ist
Die Causa Guérot macht die Politik der Doppelmoral besonders drastisch deutlich. Außenministerin Annalena Baerbock darf ihr hohes Amt trotz der Plagiatsvorwürfe im Zusammenhang mit ihrem Buch „Jetzt. Wie wir unser Land erneuern“ behalten. Im August 2021 kündigte die Grünen-Politikerin – frei von jeglichen Skrupeln – an: „Das nächste Buch ist die Überarbeitung des diesigen Buchs, weil ich dabei Fehler gemacht habe.“
Auch für SPD-Politiker gelten andere Regeln. Franziska Giffey etwa verlor wegen ihrer erschummelten Doktorarbeit zwar ihren Job als Bundesfamilienministerin. Gleichwohl wurde sie nur wenige Monate später zur Regierenden Bürgermeisterin von Berlin gekürt.
Ulrike Guérot hingegen wird abgesetzt, weil sie in einem nicht-wissenschaftlichen Buch angeblich nicht jede Übernahme korrekt mit An- und Abführungszeichen ausgewiesen hat. Es ist mehr als ein Verdacht, der hier offenbar wird: Man wollte sie loswerden, weil ihre Haltung nicht passte – just zu einer Zeit, da es zunehmend schwieriger wird, Kritiker als wissenschaftsfremd oder „Querdenker“ zu diffamieren, weil sich so vieles bewahrheitet.
Das durch das Grundgesetz geschützte Recht auf freie Meinungsäußerung wird mit Füßen getreten. Ulrike Guérot will gegen ihre Kündigung klagen. Die Entscheidung der Richter wird zeigen, wie weit es mit diesem Land wirklich gekommen ist.
Für meine Arbeit müssen Sie keine Zwangsgebühren zahlen und auch nicht mit Ihren Steuergeldern aufkommen, etwa über Regierungs-Reklameanzeigen. Hinter meiner Seite steht auch kein spendabler Milliardär. Mein einziger „Arbeitgeber“ sind Sie, meine lieben Leserinnen und Leser. Dadurch bin ich nur Ihnen verpflichtet! Und bin Ihnen außerordentlich dankbar für Ihre Unterstützung! Nur sie macht meine Arbeit möglich!
Aktuell ist (wieder) eine Unterstützung via Kreditkarte, Apple Pay etc. möglich – trotz der Paypal-Sperre: über diesen Link. Alternativ via Banküberweisung, IBAN: DE30 6805 1207 0000 3701 71. Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut.
Mein aktuelles Video:
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.
Bild: Európa Pont, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons