Es ist schwerer Tobak. Und Klartext. Vernichtender als der Präsident des Düsseldorfer Verwaltungsgerichts, Andreas Heusch, kann man sein Urteil über die Kanzlerin kaum fällen. Die Bundes-Notbremse sei verfassungswidrig, so der hochrangige Richter. Gleichzeitig attackierte er Merkel und stellte ihr Verhältnis zum Rechtsstaat in Frage. „Wenn die Bundeskanzlerin es als Mehrwert sieht, dass die Verwaltungsgerichte ausgeschaltet werden, dann frage ich mich, was für ein Verständnis von Rechtsstaat sie hat“, sagte Andreas Heusch beim Jahrespressegespräch des Düsseldorfer Verwaltungsgerichtes laut Rheinischer Post. Merkel hatte am Dienstag im Gespräch mit Menschen aus der Kulturbranche gesagt, das neue Gesetz würde dafür sorgen, dass die Bürger gegen einzelne Regelungen nur noch nach Karlsruhe vor das Bundesverfassungsgericht ziehen könnten, aber der Rechtsweg vor die Verwaltungsgerichte damit verschlossen sei. Merkel sagte dazu erleichtert: „Wir haben nicht mehr die unterschiedlichen Verwaltungsgerichts-Entscheidungen.“
„Gerade in den letzten Monaten hat sich die Bedeutung der Verwaltungsgerichte für den Rechtsstaat gezeigt“, betonte der Verwaltungsgerichtspräsident laut dem Bericht: Die Gerichte hätten immer mit Augenmaß entschieden. „Die sogenannte Bundes-Notbremse berührt die Grundfeste des Rechtsstaats“, kritisierte Heusch.
„Mit der Pandemie waren völlig neue Rechtsfragen zu beantworten“, sagte Nicola Haderlein, die Vizepräsidentin des Düsseldorfer Verwaltungsgerichts, laut Rheinischer Post. Im Bereich des Infektionsschutzrechts sind demnach beim Düsseldorfer Verwaltungsgericht im Jahr 2020 insgesamt 275 Verfahren eingegangen. Davon seien 208 Verfahren bereits abgeschlossen.
Diese Zahlen würden belegen, dass die Gerichtsbarkeit auch in Zeiten von Corona funktioniere, so Haderlein dem Bericht zufolge. Auch die Vize-Präsidentin übte deutliche Kritik an der neuen Gesetzgebung mit der sogenannten Bundes-Notbremse: „Sie ist eine Beschneidung des Rechtsweges. Die Verfassungswidrigkeit springe ins Auge.“ Das Gesetz sei ein Verstoß gegen Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes, in dem die freie Entfaltung der Persönlichkeit garantiert werde. Man könne Grundrechte nicht durch ein Gesetz einschränken, sondern nur aufgrund eines Gesetzes, so die Vize-Präsidentin laut Rheinischer Post. Bei der Bundesnotbremse sei das aber nicht geboten.
Interessant ist, dass die Düsseldorfer Regionalzeitung diese Nachricht nur als recht kurze Meldung bringt und auch eher beiläufig. Tatsächlich hat sie nämlich enorme Sprengkraft. Dass hochrangige Richter mit der Bundeskanzlerin und ihrer Politik derart hart ins Gericht gehen, ist eine Nachricht, die durchaus auch überregional von Interesse ist. Umso erstaunlicher, dass laut Google News bis auf die Meldung in der Regionalzeitung kein anderes Medium in Deutschland diese sehr heftige Kritik aufgreift. Während etwa jemand wie Karl Lauterbach ständig und überall zitiert wird und keine Warnung von ihm zu unwichtig scheint, um es in die Schlagzeilen zu schaffen, wird die vernichtende Kritik eines Verwaltungsgerichtspräsidenten aus der Hauptstadt des bevölkerungsreichsten Bundeslandes einfach ignoriert. Stürzten sich die Medien früher auf Kritik an der Regierung, und umso mehr deren Chefs, so scheint es im heutigen Deutschland bei vielen Medien umgekehrt – solche Kritik gilt als verpönt. Wie ich gerade erst wieder in der Bundespressekonferenz erleben musste (siehe hier).
Sehen Sie heute auch um 18 Uhr mein Video „Merkel dechiffriert“ – in dem ich ihren „Dialog mit Kulturschaffenden“ in Klartext übersetze. Hier geht es zur Premiere und später zum Video.
Bild: Shutterstock
Text: red
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