Angela Merkel sieht sich offenbar endgültig als „Bundeskindergärtnerin“ (Matthias Heitmann). Was die Regierungschefin jetzt als „Winter-Knigge“ ins Gespräch gebracht hat, ist eine Bevormundung der Bürger (und auch von deren Kindern), wie sie bislang selbst in unfreien Staaten eher undenkbar war. Konkret schlägt die CDU-Politikerin laut Bild-Zeitung vor:
– Personen sollen sich nur noch mit Menschen aus einem weiteren – und zwar immer demselben – Haushalt treffen dürfen.
– Die Einschränkung der Personenanzahl gelte auch für Kinder: Diese sollen nach Möglichkeit auch nur ein weiteres Kind treffen und zwar immer dasselbe.
– Bereits bei leichten Erkältungssymptomen sollen Bürger zu Hause bleiben. Eine elektronische Krankschreibung werde dann problemlos ausgestellt.
– Dem Schutz der älteren Bevölkerung werde oberste Priorität eingeräumt – eine Isolation solle aber verhindert werden.
Weiter heißt es: „Die Kontakte der Bevölkerung sollen weiter reduziert werden. Die Obergrenze von gemeinsamen Treffen mit 10 Personen sei der Bundesregierung zu hoch.“
Es handle sich dabei nur um eine Empfehlung, wird betont. Dennoch: Dass eine Regierungschefin den Menschen vorschreiben will, mit wie vielen anderen Kindern sich Kinder treffen sollen, ist ein Novum. Und das, wo gerade Kindheitsforscher im Bundestag warnten, die Corona-Politik gefährde das Kindeswohl (siehe hier).
Damit dringt die Bundesregierung in Bereiche vor, die bisher für den Staat tabu waren.
Massives Eindringen in Privatsphäre
Ein derartig schwerwiegender Eingriff in die Freiheit der Bürger könnte allenfalls bei einer akuten oder unwiderlegbar drohenden massiven Gefahr gerechtfertigt sein. Der Hinweis auf den „Empfehlungscharakter“ ist dabei nur teilweise maßgeblich. Denn die aktuelle Situation zeigt: Denunziantentum und sozialer Druck erreichen ein Ausmaß, das in seiner Konsequenz Zwang nahekommt.
Aktuell ist die Situation mit den Intensivbetten in den Krankenhäusern zwar angespannt, aber nicht dramatisch. Sie könnte allenfalls als Begründung für weitere Einschnitte herhalten, wenn hier ein dramatischer Anstieg abzusehen wäre. Stattdessen heißt es bei Bild weiter, der bisherige Rückgang der Neuinfektionen reiche der Kanzlerin nicht.
Man muss sich das vergegenwärtigen: Die Verschärfung wird damit begründet, dass der „Rückgang der Neuinfektionen“ nicht ausreiche.
Das ist dreist.
Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) kündigte parallel an, es werde bis Ostern Einschränkungen geben. Nach seinen Worten gibt es wenig Hoffnung auf eine Rückkehr zur Normalität bis dahin.
Corona-Sheriff aus München
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder verlangte vor einer neuen „Runde“ mit Merkel am Montag gar schärfere und einheitliche Regeln für die Schulen. „Ich werbe dafür, dass wir die Maskenpflicht überall einführen“, sagte der CSU-Chef am Sonntag auf „Bild live“.
Dabei hat der Leiter des Instituts für Strömungsmechanik und Aerodynamik an der Universität der Bundeswehr in München, Christian J. Kähler, gerade gewarnt, dass Alltagsmasken in bestimmten Situationen mehr schaden als nutzen könnten. Explizit nannte er auch Schulen als Ort, wo dies zutreffe (siehe hier). Söder geht darauf nicht einmal ein.
Der CSU-Chef ließ kurz zuvor noch einen kritischen Gesundheitsamtschef strafversetzen und faktisch beruflich ausschalten – einen erfahrenen Epidemiologen (siehe hier). Das Gesundheitsamt blieb mitten in der Epidemie faktisch ohne Leitung. Kritiker werfen Söder deshalb vor, ihm gehe Kadavergehorsam über die Gesundheit der Bürger.
Corona-Frontberichte
Viele Berichte in den Medien erinnern derweil teils an Förderpädagogik für schwer Erziehbare, teils an Frontberichterstattung.
So wird inzwischen selbst über verhältnismäßig kleine Ansammlungen von Menschen berichtet, als hätten diese deutschlandweit Relevanz. Während sonst ja oft sogar bei schweren Straftaten gebetsmühlenhaft behauptet wird, sie seien nur regional von Bedeutung und keine überregionale Berichterstattung wert, wenn die Tatverdächtigen politisch nicht ins Konzept passen.
Ein Auszug aus dem Nachrichtenticker von Focus Online am Sonntag Abend: „Trotz Corona: 50 Personen feiern an Münchner „Hotspot“. 20.03 Uhr: Am Wedekindplatz in München haben etwa 50 Menschen trotz der Anti-Corona-Regeln ohne Mindestabstände und Masken gefeiert. Auch Alkohol wurde getrunken. Anwohner informierten die Polizei, die die Ansammlung in der Nacht auf Samstag auflöste.“
Weiter unten heißt es: „Auflösung von Party in Berliner Park eskaliert. 17.51 Uhr: Die Auflösung einer Party in einem Berliner Park durch die Polizei ist eskaliert. Den Angaben zufolge hatten 25 Menschen gefeiert, ohne den Mindestabstand wegen Corona einzuhalten oder Mund-Nase-Bedeckungen zu tragen.“
Werden wir in einigen Tagen oder Wochen Meldungen haben wie diese? „Vier Personen aus drei Hausständen feierten privat Geburtstag in einer Wohnung in Leipzig. Nachbarn meldeten den Verstoß. Die Polizei löste die private Feier auf.“
Schweinsgalopp gegen die Freiheit
Das mag zugespitzt sein. Doch kann man noch etwas ausschließen in diesen Tagen? Angesichts des Tempos, mit dem elementare Grundrechte eingeschränkt werden?
Eine offene Abwägung zwischen Freiheitsrechten und Gesundheitsgefahren findet ebenso wenig statt wie eine öffentliche Diskussion über die „Kollateralschäden“, etwa in Form von Depressionen und Selbstmorden.
In Zeiten der Krise ist die Verantwortlichkeit der Regierenden vor ihren Arbeitgebern, den Bürgern, wichtiger denn je. Es muss noch strenger Rechenschaft gefordert werden als im Normalzustand jeder Demokratie.
Es geschieht genau das Gegenteil. Schon kritische Nachfragen machen verdächtig.
Gefährliches Menschenbild
Auch, ja vor allem in Zeiten der Krise darf das Prinzip der Eigenverantwortung nicht begraben werden.
Dass bei uns das Gegenteil geschieht, ist Auswuchs eines in großen Teilen von Politik und Medien – nicht bei den Menschen im Land – vorherrschenden, in seinen Wurzeln auf den nationalen wie internationalen Sozialismus zurückgehenden Menschenbildes: Dieses setzt auf Bevormundung statt auf freie Bürger und will die Menschen von oben herab formen, statt sie zu nehmen, wie sie sind.
Ganz egal, auf welcher Seite der Front man im mentalen Corona-Bürgerkrieg steht, der in Deutschland ausgebrochen ist. Ganz egal, ob links oder rechts, ob grün oder rot, lila oder gelb: Wem etwas an Demokratie und Freiheit liegt, der muss sich jetzt für diese einsetzen. Wenn im Namen der Gesundheit die Freiheit erstickt wird, sollte man zumindest nicht rufen: „Schneller“!
Text: br