Wie schnell sich doch manches ändert heutzutage. Ein Unit-Leiter im Robert-Koch-Institut, der für „Laborunterstützung“ zuständig ist, ist gleichzeitig Gesellschafter einer Firma, die mit „Standards für PCR“ Geschäfte macht. Die Firma, deren Miteigentümer der hochrangige RKI-Mitarbeiter ist, steht auch in einer Geschäftsbeziehung zur Charité. Also dem Haus von Prof. Christian Drosten. In der Bundespressekonferenz hatte ich am 11. November diesen Sachverhalt geschildert und den Sprecher von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Hanno Kautz, gefragt, wie die Bundesregierung solche Verbindungen im Hinblick auf „Compliance“ werte. Kautz antwortete: „Herr Reitschuster, wie Sie sich denken können, habe ich keine Antwort auf so eine abseitige Meldung!“ – „Warum finden Sie das abseitig, das sind bestätigte Fakten“, fragte ich nach. Kautz sagte daraufhin, er werde die Antwort gegebenenfalls nachliefern. Noch am 11. November schrieb ich über die ganze Causa:
Fast zwei Wochen herrschte in den großen Medien eisernes Schweigen in der Sache. Nun, nach 16 Tagen, ist das, was am 11. November noch eine „abseitige Frage“ war, bei den Platzhirschen der Branche angekommen. Welt und Handelsblatt haben heute das Thema aufgegriffen. Trotz der Verspätung zeigt das: Man kann die Schweigespirale durchbrechen. Und auch als freier Journalist Themen setzen und in die große Öffentlichkeit bringen.
Das Handelsblatt war im Gegensatz zur Welt so fair, neben dem Berliner Abgeordneten Marcel Luthe (bis Oktober FDP, jetzt parteilos), der die Geschichte ausgegraben hatte, meine Seite zu nennen als das erste Medium, das darüber berichtet und die Causa öffentlich gemacht hatte. Dafür danke ich den Kollegen. Und sehe ihnen auch nach, dass sie meine Seite dabei als „rechtskonservativ“ bezeichneten. Es ist schon erstaunlich, wo man als jemand mit SPD-Stallgeruch in Merkels neuem Deutschland verortet wird. Aber auch nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass die CDU heute links von der SPD zu stehen scheint, in der ich (wie schon mein Urgroßvater unter Kaiser und Nazis) von 1987 bis 1990 Mitglied war – anfangs noch mit Willy Brandt als Parteichef. Der Welt fehlte leider diese Souveränität, meine Seite zu nennen. Aber es nagt wohl am Selbstbewusstsein, wenn eine sehr große Redaktion mit solch investigativen Geschichten einem freien Journalisten hinterherrennen muss.
Spannende Nachricht am Rande: Heute wurde bekannt, dass Sebastian Matthes neuer Chefredakteur beim Handelsblatt wird. Ich kenne ihn aus seiner Zeit bei der Huffington Post. Und würde mich nie öffentlich äußern, hätte er mich nicht früher auf Twitter angegriffen. So sehr ich Matthes vor seinem Angriff schätzte, so sehr verortete ich ihn immer politisch stramm links und auf Zeitgeist-Kurs. Die Huffington Post erinnerte unter ihm politisch an die taz bzw. überholte diese links. Dass ausgerechnet das Handelsblatt als ein Medium für Unternehmer jetzt auch auf links setzt, ist in meinen Augen einer der vielen journalistischen Selbstmorde aus Anpassungsdruck an den Zeitgeist.
Text: br