Vorzugsbehandlung? Spahn ließ sich gegen Stiko-Empfehlung impfen Sonderbehandlung für Minister?

Sehen Sie hier mein Video von den beiden heutigen Bundespressekonferenzen

Die Empfehlung der Ständigen Impfkommission ist eindeutig:

Aufgrund der Immunität nach durchgemachter SARS-CoV-2-Infektion und in Anbetracht des weiterhin bestehenden Impfstoffmangels sollten immungesunde Personen, die eine durch direkten Erregernachweis (PCR) gesicherte SARS-CoV-2-Infektion durchgemacht haben, nach Ansicht der STIKO zunächst nicht geimpft werden.

So ist es nachzulesen im „Epidemiologischen Bulletin 19/2021„, das am 12. Mai veröffentlicht wurde.

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wurde Ende vergangenen Jahres positiv getestet. Ohne ihm zu nahezutreten: Er wirkt immungesund. Insofern gibt es nichts daran zu rütteln, dass Spahn nach den Stiko-Empfehlungen wegen des Impfstoffmangels auf die Impfung hätte verzichten sollen.

Genau das hat er aber nicht getan.

Er hat sich vergangene Woche öffentlichkeitswirksam mit dem Wirkstoff von Astrazeneca impfen lassen.

Ich fragte ihn heute, warum er gegen die Stiko-Empfehlung verstoßen habe – ein Arzt hatte mich darauf aufmerksam gemacht.

Da ich gleichzeitig noch eine andere Frage an RKI-Chef Wieler gestellt hatte und dieser zuerst antwortete, nutzte Spahn die Zeit zur Informationsbeschaffung.

Und hielt mir entgegen, in der Stiko-Empfehlung stünde etwas anderes – nämlich, dass bei Genesenen nach sechs Monaten eine COVID-19-Impfung durchgeführt werden soll. Hier Spahns Antwort im Wortlaut:

„Also das Internet hilft ja, Herr Reitschuster. Empfehlung der StiKo: Personen, die eine gesicherte SARS-CoV-2 Infektion durchgemacht haben, sollen in der Regel sechs Monate nach Genesung eine COVID-19-Impfstoffdosis erhalten. Das ist die Empfehlung der Ständigen Impfkommission. Und der bin ich gefolgt.“ 

Ich hielt Spahn entgegen, dass ich die Stiko-Empfehlung anders interpretiere.

Darauf der Minister: „Ja, das kann man ja leicht nachprüfen.“

Tatsächlich ist in der Stiko-Empfehlung Folgendes zu lesen, direkt hinter der oben zitierten Passage:

Die derzeit verfügbaren klinischen und immunologischen Daten belegen eine Schutzwirkung für mindestens 6 bis 8 Monate nach überstandener SARS-CoV-2-Infektion. Entsprechend sollte in der Regel 6 Monate nach Genesung bzw. Diagnosestellung eine COVID-19-Impfung unter Berücksichtigung der Priorisierung durchgeführt werden. Auch wenn mehr als 6 Monate seit der Diagnosestellung vergangen sind, reicht eine Impfstoffdosis zur vollständigen Grundimmunisierung aus, da sich dadurch bereits hohe Antikörperkonzentrationen erzielen lassen, die durch eine 2. Impfstoffdosis nicht weiter gesteigert werden.

Die entscheidenden vier Worte unterschlug Spahn damit aber in seiner Antwort: „unter Berücksichtigung der Priorisierung“.

Und hier kommt wieder der Satz in der Passage darüber zum Tragen, dass Genesene wegen des Impfstoffmangels nicht geimpft werden sollten.

Ob Spahn einfach auf Vernebelungstaktik setzte mit seiner Antwort oder schlecht informiert ist bzw. die Empfehlung der Ständigen Impfkommission nicht kennt oder auf merkwürdige Weise interpretiert, kann ich nicht beurteilen.

Bemerkenswert ist aber, dass der Minister eine Behandlung bekommt, die ein Normalsterblicher in vergleichbarer Situation nicht bekommen würde.

Man könnte nun entgegnen, dass der Astrazeneca-Impfstoff nicht sonderlich beliebt ist, und dass Spahn mit der Impfung seiner Vorbildfunktion gerecht wurde und andere Menschen zur Impfung motivieren wollte. Und um Zweifel an der Sicherheit von Astrazeneca zu zerstreuen.

Ich halte eine solche Argumentation für durchaus legitim.

Aber dann stellt sich die Frage: Warum geht Spahn nicht offen damit um und antwortet dann nicht genau so auf die entsprechende Frage?

Leider hatte ich gemäß Reglement kein Recht zu einer Nachfrage, da ich eine Doppelfrage gestellt hatte.

Schade, dass der Widerspruch im Lauf der Pressekonferenz von niemandem aufgegriffen wurde. Eine entsprechende Nachfrage wäre in meinen Augen spannend gewesen.

PS: Im zweiten Teil seiner Antwort sagte mir Spahn: „Aber im Übrigen macht es Sinn, auch gerade in dieser Phase der Pandemie, dass alle sich um einen vollständigen Impfschutz bemühen. Also ich fänd’s wichtig, dass Genesene, insbesondere auch mit Wegfall der Priorisierung, den vollständigen Impfschutz und Immunitätsschutz damit erreichen, und kann Sie nur bitten, mit mir gemeinsam in allen Medien, wo Sie können, fürs Impfen zu werben. Auch in dem Fall.“ Auch wenn diese Aufforderung freundlich ist – ich sehe meine Aufgabe als Journalist nicht darin, fürs Impfen zu werben. Solche Werbung gibt es zur Genüge – bezahlte und unbezahlte. Da wenig kritische Stimmen in den großen Medien zu Wort kommen, und etwa bei Youtube sogar zensiert werden, sehe ich meine Aufgabe darin, diesen eine Plattform zu bieten. Damit Leser Pro und Contra kennen und sich selbst eine Meinung bilden können.

PS: Im Internet gibt es heftige Spekulationen über ein Bild, das Spahn bei der Impfung zeigt (siehe hier und hier). Mit Verweis auf Mediziner wird behauptet, es sei zu wenig Flüssigkeit für die Verwendung von Astrazeneca in der Spritze. Ich habe dazu zwei Ärzte befragt. Die machten sich die Vorwürfe nicht zu eigen. Einer schrieb zurück: „Können Sie erkennen, wie viel ml Flüssigkeit in der Spritze sind? Ich nicht. Bei diesen Bildern ist Vorsicht geboten. Oft werden Bilder wiederholt, weil sie nicht sitzen.“ Ein anderer schrieb: „Beim Bild mit FAZ-Logo sieht es in der Tat so aus, als fehlten 0,2 ml Impfstoff. Bei dem größeren Ausschnitt, den Sie eben sandten, hält der Kollege seine Finger über den Bereich >0,3 ml und man sieht nichts Grünes in Höhe der 3-ml-Markierung. Auf dem FAZ-Bild schon. Wenn Sie ganz genau hinschauen, sehen Sie auf dem FAZ-Bild den grünen Schieber in der Spritze bei 0,3 ml. Das wäre deutlich zu wenig. Beim anderen Foto nicht.“ 0,3 ml ist die Menge, die üblicherweise bei dem Wirkstoff von Biontech verimpft wird.

Auf meine Anfrage nach dem Bild und den Spekulationen im Internet antwortete sein Sprecher Hanno Kautz:

Lieber Herr Reitschuster,

das Foto ist während der Impfung aufgenommen worden. Das erklärt – denke ich – Ihre Frage.

Mit freundlichen Grüßen

Hanno Kautz

Einer der oben zitierten Ärzte kommentierte die Antwort aus dem Ministerium wie folgt: „‚Während der Impfung‘ kann alles bedeuten … diese Aussage ist schwach. Aber wie schon gesagt. Ich erkenne auf dem Bild nichts.“

 

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

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Bild: Shutterstock
Text: br

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