Wagenknecht: Spahn täuscht über Ausmaß von Impfdurchbrüchen Arbeitet das Gesundheitsministerium mit „vollkommen veralteten Zahlen“?

Von Alexander Wallasch

Wo die Arbeit des Parlaments zunehmend eingeschränkt wird, gewinnen schon seit Jahren die Instrumente der Kleinen Anfrage der Fraktionen und die schriftlichen Anfragen der Abgeordneten an die Bundesregierung an Bedeutung. Besonders fleißige Anfragenschreiber sind hier die Fraktionen der AfD und der Linkspartei nebst ihren Abgeordneten.

Sahra Wagenknecht schrieb Dienstag (12.10.) früh via Facebook zu einer ihrer Anfragen:

Auf meine Anfrage im Bundestag muss die Bundesregierung zugeben, dass die Anzahl der Impfdurchbrüche bei Intensivpatienten höher ist als von Gesundheitsminister Spahn angegeben. Auch bei allen Covid-19-Fällen im September waren 28 Prozent doppelt geimpft. Die 2G-Regel, die Streichung der Lohnfortzahlung bei Quarantäne und die Abschaffung kostenloser Tests sind falsch!

Wagenknecht veröffentlichte Frage und Antwort der Bundesregierung nicht im Wortlaut, teilte stattdessen via Facebook einen Link der Berliner Morgenpost zum Thema.

Hatte Gesundheitsminister Spahn noch vor Tagen von geringsten Zahlen von Geimpften auf Intensivstationen erzählt, berichtet das Robert Koch-Institut mittlerweile andere, womöglich dramatischere Zahlen. So soll laut RKI-Wochenbericht, zitiert von der Morgenpost, der Anteil der offenbar geimpften Corona-Infizierten, die im Krankenhaus behandelt werden mussten, bei 36,8 Prozent liegen.

Das RKI schrieb bereits im Wochenbericht vom 7. Oktober 2021:

Insgesamt 67.661 wahrscheinliche Impfdurchbrüche wurden mit Meldedatum seit der 5. KW identifiziert, davon 44.705 nach einer abgeschlossenen Impfserie mit Comirnaty (BioNTech/Pfizer), 9.858 mit Janssen (Johnson & Johnson), 5.047 mit Vaxzevria (AstraZeneca), 3.149 mit Spikevax (Moderna), 2.949 mit einer Kombination Vaxzevria /Comirnaty und 538 mit einer Kombination Vaxzevria/Spikevax.

Die Zahlen wären sogar noch höher, denn im Folgenden heißt es beim RKI:

Da für einen Teil der COVID-19-Fälle die Angaben zum Impfstatus unvollständig sind, ist von einer Untererfassung der geimpften COVID-Fälle auszugehen. Infolgedessen kann in den bisherigen Berechnungen die Impfeffektivität in einigen Fällen überschätzt worden sein.

Entsprechend senkte das RKI die Angaben zur Impfeffektivität bereits herunter.

Reitschuster.de fragte bei der Fraktion der Linkspartei nach und bekam zügig die Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage mit der Arbeitsnummer von Sahra Wagenknecht zugesandt. Beantwortet hatte die Frage der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Thomas Gebhart (CDU) mit Schreiben vom 27. September, die Antwort wurde demnach (sieben Tage nach Zustellung an den Fragesteller) bereits veröffentlicht.

Sehr geehrte Frau Kollegin,

Ihre Frage beantworte ich wie folgt:

Frage Nr. 9/346:
Wieso werden vom Robert-Koch-Institut (vgl. wöchentlicher Covid-19-Lagebericht des RKI vom 9.9.2021, Abschnitt „Impfeffektivität“, Tabelle „Wahrscheinliche Impfdurchbrüche und Impfquote nach Altersgruppe“, Zeile „COVID-19-Fälle auf Intensivstation gesamt“ und „Auf Intensivstation betreute COVID-19- Fälle mit wahrscheinlichem Impfdurchbruch“, KW 32-35) und vom Bundesminister für Gesundheit (13.9.2021: „Der Gesundheitsminister betonte, dass 95 Prozent der Covid-19-Intensivpatienten ungeimpft seien.“ https://www.tagesschau.de/newsti-
cker/liveblog-coronavirus-montag-225.html) unterschiedliche Angaben zum Anteil der Impfdurchbrüche bei den Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen gemacht?

Antwort:
Entsprechend des aktuellen Wochenberichts des Robert Koch-Instituts wurden von Kalenderwoche (KW) 5 bis KW 36 insgesamt 11.419 COVID-19-Fälle intensivmedizinisch versorgt. In 210 Fällen wird ein Impfdurchbruch angenommen, was 1,84 Prozent der Gesamtfälle entspricht. Von KW 33 bis KW 36 wurden 1.186 COVID-19-Fälle intensivmedizinisch versorgt. In 119 Fällen wird ein Impfdurchbruch angenommen, was 10,03 Prozent der Gesamtfälle entspricht. Das indirekte Zitat des Bundesministers für Gesundheit hat keinen spezifischen Zeitraum konkretisiert, für den diese Aussage getroffen wurde. Fakt ist, dass Impfungen schützen und ein fehlender Impfschutz der Hauptgrund ist, warum Personen mit einer COVID-19-Infektion intensiv-medizinisch behandelt werden müssen.

Das zeigen die vorliegenden Daten.
Mit freundlichen Grüßen

Die Berliner Morgenpost nennt es „eine einfache Erklärung“, was das RKI dazu kommentiert:

Dass im Laufe der Zeit mehr Impfdurchbrüche verzeichnet werden, ist erwartbar, da generell immer mehr Menschen geimpft sind und sich SARS-CoV-2 derzeit wieder vermehrt ausbreitet. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, als vollständig geimpfte Person mit dem Virus in Kontakt zu kommen.

Einfach ist die Antwort tatsächlich. Aber ist sie deshalb auch hinreichend informativ? „Mehr Impfungen erhöhen die Wahrscheinlichkeit von mehr Impfdurchbrüchen“ ist wohl eher bauernschlau als hinreichend. Und diese Antwort bestätigt indirekt den Unsinn der Ermittlungen der Inzidenzen, wo immer schon klar war, dass bei Erhöhung der Testzahlen automatisch auch die Inzidenz steigt, wenn die negativen Testzahlen nicht proportional berücksichtigt werden.

Aber wie interpretiert nun Sahra Wagenknecht als Fragenstellende selbst die Antwort der Bundesregierung? Gegenüber der Morgenpost teilt sie mit: Der Minister benutze „vollkommen veraltete Zahlen“ und „täuscht die Öffentlichkeit über das tatsächliche Ausmaß der Impfdurchbrüche“.

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Die Corona-Maßnahmen haben unzählige Menschen extrem hart getroffen. Sie haben viele Existenzen gefährdet und vernichtet. Ich möchte Menschen, die betroffen sind, helfen – und veröffentliche deshalb auf meiner Seite Reklame von ihnen. Mit der Bitte an meine Leser, sie wohlwollend zu betrachten.

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine.

Alexander Wallasch ist gebürtiger Braunschweiger und betreibt den Blog alexander-wallasch.de. Er schrieb schon früh und regelmäßig Kolumnen für Szene-Magazine. Wallasch war 14 Jahre als Texter für eine Agentur für Automotive tätig – zuletzt u. a. als Cheftexter für ein Volkswagen-Magazin. Über „Deutscher Sohn“, den Afghanistan-Heimkehrerroman von Alexander Wallasch (mit Ingo Niermann), schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: „Das Ergebnis ist eine streng gefügte Prosa, die das kosmopolitische Erbe der Klassik neu durchdenkt. Ein glasklarer Antihysterisierungsroman, unterwegs im deutschen Verdrängten.“ Seit August ist Wallasch Mitglied im „Team Reitschuster“.

Bild: Markus Wissmann/Shutterstock
Text: wal

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