Was macht „bürgerliche“ Journalisten zu Hetzern? Eine Spurensuche

Diese Geschichte lebt von ihrer Vorgeschichte. Und dazu muss ich ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern. Helmut Markwort war beim „Focus“ ein Chefredakteur, wie man ihn sich nur erträumen kann und wie es sie heute wohl nicht mehr gibt. Er stellte sich hinter seine Journalisten – auch gegen den Verlag. Als der „Burda“-Verlag wegen meiner kritischen Berichterstattung Angst um die eigenen Geschäfte in Russland bekam, stand Markwort wie ein Fels an meiner Seite.

Kaum war er weg, änderte sich das schnell. Nachfolger Jörg Quoos, zuvor Vize-Chef bei der „Bild“, war ein treuer Erfüllungsgehilfe des Verlags. Und hoffnungslos überfordert. Als er 2014 durch Ulrich Reitz ersetzt wurde, ein Focus-Urgestein, keimte in der Redaktion Hoffnung auf. Ich freute mich riesig auf das erste Gespräch nach seiner Rückkehr im Sommer 2014. Doch es wurde völlig unerwartet zu einem Schock. Weil er mir ankündigte, unter ihm dürfe ich nicht mehr über Russland berichten. Meinen Hinweis, dass er mir das Thema nicht einfach nehmen könne, weil es in meinem Arbeitsvertrag stehe, konterte er brutal mit dem Hinweis, dass es dann eben zu „Konflikten“ kommen könne. Und dass solche Konflikte krank machen könnten.

Das saß.

Ich fühlte mich wie in Sizilien.

Man kann es verstehen, wenn Chefredakteure heute schwach sind und sich dem Druck von Verlagen beugen. Aber dabei kann man entweder deeskalieren – oder in vorauseilendem Gehorsam besonders brutal und mit Drohungen agieren. Um sich noch zusätzliche Bonuspunkte zu erarbeiten bei den Vorgesetzten.

Seit diesem Erlebnis ist die frühere Sympathie für Reitz großer Skepsis gewichen. Und ich verließ den „Focus“.

Reitz konnte sich nicht lange halten als Chefredakteur. Als „Austragshof“ bekam er den schön klingenden Titel „Chefkorrespondent von Focus Online“.

Und als solcher schrieb er jetzt einen Artikel, der mit folgendem Vorspann auf der Seite von „Focus Online“ steht: „Alice Weidel hat ‘Lust‘ auf die Kanzlerkandidatur. Mit diesem Anspruch gerät der Diskurs in Deutschland auf eine neue Ebene. Bislang haben die Demokraten dem Umfrage-Boom der Rechtsradikalen wenig entgegenzusetzen. Nun aber geht es auch um eine neue Frage.“

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Quasi im Vorbeigehen betreibt Reitz damit ein brutales „Framing“: Er stempelt nicht nur die Mitglieder der AfD, sondern faktisch auch ihre Wähler zu Rechtsextremen ab.

In einem anderem Artikel spricht Reitz der AfD ab, eine demokratische Partei zu sein. Was soll sie dann bitte sein? Ein Kaninchenzüchterverein? Oder eine Wehrsportgruppe? Hat sie sich mit Waffengewalt in den Bundestag geputscht?

Reitz & Co., maßen sich an, dass sie nach Gutdünken am Schreibtisch entscheiden, was eine demokratische Partei ist – und was nicht. Was für ein (Moral-)Größenwahn!

Was ist die Motivation?

Ich wollte dazu zunächst nur einen kurzen Post machen auf Telegram, mit der Frage: „Was treibt solche Journalisten an? Vor allem, wenn sie sich selbst als ‚bürgerlich‘ bezeichnen wie Reitz? Wie kommt es zu dieser Radikalisierung?“

Ich hoffe, jetzt erschließt sich Ihnen, warum ich die Vorgeschichte erzählte… Denn ohne die Vorgeschichte wäre der Post zu wenig aussagekräftig gewesen.

Manche vermeintliche „Bürgerliche“ wollen offenbar den vorherrschenden Zeitgeist noch links überholen – in vorauseilendem Gehorsam, mit besonderer Brutalität. Um sich noch zusätzliche Bonuspunkte zu erarbeiten. Nur in diesem Fall nicht bei den Vorgesetzten, sondern bei den rot-grün-woken Politikern und Journalisten.

Leider ist Reitz damit weniger Ausnahme als die Regel. Genau dieses Verhalten von vielen vermeintlich „Bürgerlichen“ ist der Grund dafür, dass rot-grün heute eine Hegemonie in Medien und Politik hat.

Ob Kollegen wie Reitz verstehen, dass sie mit ihrem „Männchen-Machen“ vor Rot-Grün genau das Gegenteil dessen bewirken, was sie offiziell erreichen wollen, kann ich Ihnen nicht beantworten. Mein Verdacht: Sie sind klug genug, um das zu kapieren. Aber sie wissen eben, dass es viel bequemer und sicherer ist, die Nase nach dem Wind zu drehen. Würden sie das nicht tun – sie würden schief angesehen, die Einladungen zu diversen Empfängen blieben aus, und letztlich könnte auch noch der Arbeitsplatz in Gefahr kommen.

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