Wie die ARD die „Impffreude“ puscht Merkwürdige Umfrage in der Tagesschau

Die Überschrift ist eindeutig: „Klare Mehrheit zu Impfung bereit“, titelt die Tagesschau. Weiter schreibt sie: „Trotz eines leichten Rückgangs will sich weiterhin eine Mehrheit der Deutschen impfen lassen, sobald ein Corona-Impfstoff vorliegt.“ Die ARD beruft sich dabei auf Telefoninterviews von Infratest Dimap, bei denen vom 9. bis 11. November 1004 Menschen befragt wurden. Die Botschaft, die per Statistik an die Internet-Leser und Millionen Zuschauer im Fernsehen gesendet wird: 71 Prozent werden sich in jedem Fall oder wahrscheinlich impfen lassen. 29 Prozent nicht. Das Erstaunliche: Ich habe eine Woche vorher eine repräsentative Umfrage bei INSA in Auftrag gegeben, die zu einem ganz anderen Ergebnis gekommen ist (mit mehr als doppelt so vielen Befragten und einer Kombination aus Online- und Telefonbefragung).

Das Ergebnis meiner Umfrage: „Ich werde mich selbst sofort, wenn es eine Impfung gegen das Corona-Virus gibt, impfen lassen“ – dieser Aussage stimmten 42 % der Befragten zu. 35 % stimmten nicht zu. 20 % antworteten mit „weiß nicht“, drei Prozent machten keine Angaben (Details siehe hier).

Wie kommt es zu diesen völlig unterschiedlichen Ergebnissen? Traue keiner Umfrage, bei der du nicht selbst durch die Auswahl der Fragen „Framing“ betrieben hast, könnte man frei nach Winston Churchill sagen. Im konkreten Fall ist es bei der ARD-Umfrage, zumindest wenn man der Wiedergabe auf dem Bildschirm und der Internet-Seite glauben kann, so, dass den Befragten ein „Weiß ich nicht“ nicht angeboten wurde. Dafür die sehr vage Aussage „wahrscheinlich“, die so verbindlich ist wie die Aussage, dass jemand wahrscheinlich schwanger ist. Nur vor die Alternative gestellt, sich entweder „wahrscheinlich“ impfen zu lassen oder „wahrscheinlich nicht“, und ohne die Möglichkeit, mit „weiß ich nicht“ zu antworten, entscheiden sich offenbar viel mehr Menschen für das „wahrscheinlich impfen“, als wenn sie klar mit „Ja“ oder „Nein“ antworten würden.

Insofern haben wir es hier mit einem klaren Fall von Framing zu tun: Die Frage wird geschickt so gestellt, dass eine möglichst große Zahl die offenbar gewünschten Antworten gibt. Zudem stellt sich noch die Frage, inwieweit es auf die Ergebnisse Einfluss hat, dass nur per Telefon befragt wird, und nicht auch (natürlich repräsentativ) online wie bei INSA. So wird mit Umfragen Stimmung erzeugt: Menschen neigen dazu, sich an der Mehrheit zu orientieren. Und hier wird im öffentlich-rechtlichen Fernsehen der Eindruck erweckt, dass eine große Mehrheit sich impfen lassen wird. Was nach meiner Umfrage mit doppelt so vielen Befragten und mehr Plattformen (Telefon und Online) genau umgekehrt ist.

Unklar bleibt auch, wie die Frage genau gestellt wurde. Laut Vorspann des ARD-Berichts war die Fragestellung, wer sich „sofort impfen lassen“ wolle, „sobald ein Corona-Impfstoff vorliegt.“ In der gezeigten Grafik ist diese sehr wichtige Einschränkung auf „sofort“ aber nicht mehr vorhanden. Entweder ist hier also der Vorspann falsch oder die Angaben auf der Grafik sind irreführend.

Als in der Bundespressekonferenz am Mittwoch deutliche Zuversicht angesichts der bevorstehenden Entwicklung eines Corona-Impfstoffes aufkam, verwies ich auf meine Umfrage – wie deren Ergebnis denn zusammenpasse mit der Aussage von Jens Spahn, dass eine Impfrate von 60 Prozent nötig sei und bei ihm Optimismus herrsche, dass diese erreicht werde. Spahn-Sprecher Hanno Kautz antwortete, er gehe davon aus, dass die Impfbereitschaft mit der Zeit steige. Nachdem ich die ARD-Umfrage gesehen habe, ahne ich, wie sie steigen könnte.

Der Fall zeigt, wie wichtig es ist, mit eigenen Umfragen gegen das Framing der Öffentlich-Rechtlichen zu halten. Ich nehme nicht für mich in Anspruch, hundert Prozent objektiv zu sein. Ich kann es nur versuchen, aber jeder von uns ist subjektiv. Und insofern kann man auch sicher bei meiner Fragestellung immer etwas zum Mäkeln finden. Aber ich halte es für entscheidend, dass mündige Bürger unterschiedliche Sichtweisen kennenlernen können. Und auch unterschiedliche Umfragen.

Deshalb bin ich Ihnen sehr dankbar, dass Sie mit Ihrer Unterstützung meine eigenfinanzierten repräsentativen Umfragen bei INSA ermöglichen. Weitere sind geplant!  

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Bild: Screenshot Youtube
Text: br

 

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