Von Kai Rebmann
Seit Wochen vergeht kaum ein Tag, an dem nicht über die kriminellen Aktionen der „Letzten Generation“ berichtet wird. An einer ausgewogenen und wahrheitsgetreuen Berichterstattung scheint bei den meisten Medien aber kein Interesse zu bestehen. Das beginnt damit, dass die Straftäter als „Aktivisten“ verharmlost werden und hört beim Führen von Interviews mit den auf der Straße sitzenden Mitgliedern der „Letzten Generation“ noch lange nicht auf. Die „Aktivisten“ wiederum nehmen dankbar zur Kenntnis, welch große Aufmerksamkeit ihnen geschenkt wird und versuchen, ihre Bühne immer noch größer werden zu lassen, wie die jüngsten Beispiele von teilweise lebensgefährlichen Aktionen beim Formel1-Rennen in Silverstone, den French Open oder der Tour de France zeigen. Der geschätzte Kollege Josef Kraus stellte in diesem Zusammenhang bereits die Frage, wann es den ersten Toten unter den Aktivisten gibt und welche Folgen das haben kann.
Opfer werden zu Tätern gemacht
Nicht selten findet auch eine Art Umkehr der Täter-Opfer-Darstellung statt. So titelte der Focus am 29. Juni 2022 in einem Artikel über entsprechende Aktionen in Frankreich: „Pariser Polizei reißt festgeklebte Hände von Klima-Aktivisten einfach von der Straße“. Wo Empörung über das vermeintlich völlig unverhältnismäßige Vorgehen gegenüber Straftätern geschürt werden soll, wird verschwiegen, dass die französische Polizei das Spiel der „Letzten Generation“, deren Mitglieder sich in Frankreich „Dernière Rénovation“ nennen, schlicht und einfach durchschaut hat. Dass es sich bei den angeblich „festgeklebten Händen“ um nicht viel mehr als mediales Framing handelt, stellt der Focus in diesem Video zu oben genanntem Beitrag selbst unter Beweis. Oder soll man es den Redakteuren des Nachrichtenmagazins abnehmen, dass sie allen Ernstes auf diese schwache schauspielerische Vorstellung (ab 0:44 des Videos) hereingefallen sind? Der von der Straße „losgerissene“ Straftäter windet sich auf dem Boden und schreit im Angesicht des Todes nach seiner „Maman“, nur um sich wenige Sekunden später ins Fäustchen zu lachen. Von irgendwelchen Verletzungen ist auf den Bildern weder bei ihm noch seinen Mitstreitern auch nur im Ansatz etwas zu sehen.
Und auch über die jüngsten Straßenblockaden der „Letzten Generation“ auf der A 100 in Berlin berichtete der Focus – wenn auch nur vorübergehend. Ein am Donnerstag in der Online-Ausgabe des Magazins erschienener Artikel über die wütenden Reaktionen einiger Autofahrer war wenige Stunden nach der Veröffentlichung ohne Angabe von Gründen wieder gelöscht worden. Befürchtete man etwa, der objektive Leser könnte zu viel Verständnis für genervte Berufspendler aufbringen, die mit ihrem redlich verdienten Einkommen ganz nebenbei noch den Lebensunterhalt der Mitglieder der „Letzten Generation“ mitfinanzieren? Auf einem Youtube-Video ist ein Autofahrer zu hören, der sich mit einer unmissverständlichen Forderung an einen der Kriminellen wendet: „Geh mal arbeiten, du Spast!“ Wahrlich nicht der schlechteste Ratschlag, den man Menschen Anfang 20 erteilen kann, die sich werktags auf Straßen „festkleben“. Der Youtuber „Der Pilger“ schreibt zu diesem Video: „Gewalttätige Autofahrer begehen Selbstjustiz und ziehen Menschen von der Straße“. Opfer werden zu Tätern gemacht!
Politik und Justiz schauen zu
Immer mehr Bürger, die unter den kriminellen Aktionen der „Letzten Generation“ zu leiden haben, fragen sich deshalb, wann der Staat endlich durchzugreifen gedenkt. Wo man sich vor nicht allzu langer Zeit nicht davor scheute, friedliche Spaziergänge zu kriminalisieren, werden offensichtliche Straftäter von führenden Grünen-Politikerinnen wie Bundesumweltministerin Steffi Lemke oder Parteichefin Ricarda Lang für ihren „zivilen Ungehorsam“ noch beklatscht. Und auch die läppischen Bußgelder in Höhe von bis zu 241 Euro wirken vergleichsweise harmlos, wenn man bedenkt, was passieren kann, wenn Rettungswagen oder Feuerwehrautos im Stau steckenbleiben.
Dass es so nicht weitergehen kann, haben nun offenbar auch die ersten Politiker in Berlin erkannt. Innensenatorin Iris Spranger (SPD) redete in der „Welt“ Klartext: „Wer sich auf Straßen festklebt, möchte Politik und Gesellschaft erpressen. Der Zweck heiligt nicht die Mittel. Das gilt auch für die Klimaaktivisten der ‚Letzten Generation‘. Die Aktionen sind strafbar. Ich verurteile so etwas, und ich erwarte, dass die Justiz dann auch zu Anklagen und Verurteilungen kommt.“ Derart deutliche Worte waren von Spitzenpolitikern zu diesem Thema bisher kaum zu hören, jetzt müssen diese nur noch in die Tat umgesetzt werden.
Spranger räumte auch ein, dass gegenüber den Blockierern bisher nicht das richtige Maß gefunden wurde: „Ich halte generell ein härteres Durchgreifen für richtig. Deshalb hat die Polizei bereits Gebührenbescheide pro Einzelfall in Höhe von 241 Euro erlassen. Wir prüfen rechtlich, ob weitere Gebühren geltend gemacht werden können.“ Ob Geldstrafen allein, die in praktisch allen Fällen durch Spenden finanziert werden, aber ausreichen, muss dabei leider bezweifelt werden. Der „Gefährliche Eingriff in den Straßenverkehr“ (Paragraf 315b StGB) kann laut Strafgesetzbuch „mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft“ werden.
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
Bild: ShutterstockText: kr
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