Wie mich die CSU-Stiftung zum Aussätzigen erklärte Massiver Druck auf Journalistenverband, mich zu "canceln"

Markus Ferber, CSU-Europaabgeordneter und Vorsitzender der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung, ist auf die gleiche Schule gegangen wie ich. Als ich 2007 die Ehre hatte, für den Kaisersohn Otto von Habsburg bei der 95. Geburtstagsfeier die Laudatio zu halten, war einer der geladenen Gäste Markus Ferber. Umso erstaunlicher, dass der Mann mich jetzt wie einen Aussätzigen behandelt – statt vielleicht einfach einmal zum Telefon zu greifen. Oder auch nur zu schweigen.

Der Hintergrund: Die Vereinigung Europäischer Journalisten veranstaltet jährlich mit großem Erfolg den „Mediendialog“ in München. Mitte Juni fand er wieder statt. Das Thema diesmal: „Nanny-Journalismus – der Kommentar als Credo der Berichterstattung“. Es gab drei moderierte Streitgespräche zu den Themen Ernährung, Krieg in der Ukraine und Pandemie. Ich war überrascht, als ich die Einladung bekam – normalerweise, so meine Erfahrung, sind die Journalistenverbände ja stramm auf Linie des Zeitgeists. Aber man lernt nie aus: Die Vereinigung Europäischer Journalisten ist ideologiefrei und für unterschiedliche Meinungen offen. Was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte. Aber zur Ausnahme wurde. Der Präsident der Vereinigung, Ralf Schneider, machte einst schon als junger Mann für Franz Josef Strauß Wahlkampf.

In der Einladung zu dem Mediendialog war dann auch folgender Tagesordnungspunkt zu finden:

Gekommen ist es zu diesem Streitgespräch mit dem CSU-Abgeordneten nicht.

Warum, erläuterte Schneider auf der Veranstaltung: Die Hanns-Seidel-Stiftung, in Kooperation mit der die Vereinigung Europäischer Journalisten den Mediendialog seit Jahren veranstaltet, hat kurzfristig und unerwartet die Zusammenarbeit aufgekündigt: „Weil wir die falschen Leute auf das Podium eingeladen haben.“ Der Vorsitzende Markus Ferber habe sein Grußwort gecancelt: „Für Euch mache ich auf keinen Fall ein Grußwort. Und die 1000 Leute, die man sonst aus dem Verteiler der Stiftung einlud, die wurden auch nicht eingeladen. Man wollte diesen Mediendialog verhindern“, klagte Schneider: „Man hat mir eine Mail geschrieben, von einem Adlatus: ‘Wir haben ja mit Ihnen lange darüber diskutiert, dass uns die Besetzung nicht gefällt, wir haben lange darüber gesprochen, dass wir bestimmte Leute nicht auf dem Podium haben wollen.‘“ Schneider weiter: „Kein Mensch hat mit mir gesprochen. Man hat mich angerufen und gesagt: ‘Pass auf, du hast die falschen Leute eingeladen, wir sind draußen‘. Und man machte 6.000 Euro für den Veranstaltungsraum geltend. Für einen kleinen Verband wie uns ist das eine Menge Geld.“

Man muss sich das einmal vergegenwärtigen: Ferber und die Stiftung setzen einem Verband das Messer auf die Brust, weil er mich auf ein Podium setzen wollte. Mein Verstand weigert sich, das zu begreifen: Wenn man glaubt, ich habe falsche Ansichten, dann wäre so ein Podium doch der beste Weg, um das öffentlich deutlich zu machen. Aber Pustekuchen: Auch der CSU-Abgeordnete, der mit mir diskutieren sollte, sagte kurzfristig ab – aus „Termingründen“.

Die Cancel-Kultur bei SPD, Grünen, Linken & Co. ist hinlänglich bekannt. Aber dass die CSU hier in vorauseilendem Gehorsam mitmacht, ist erschütternd.

Schneider und die Vereinigung Europäischer Journalisten zeigten Rückgrat. Statt mich auszuladen, riskierten sie lieber eine Rechnung über 6.000 Euro für den Veranstaltungsraum – den sie ohne mich in den Jahren zuvor im Rahmen der Kooperation immer kostenlos bekommen haben.

Statt dass mich die CSU mit meinen aus ihrer Sicht offenbar falschen Meinungen stellen konnte, hatte ich das Podium dann quasi für mich alleine. Und musste die Zuhörer damit überraschen, dass meine Ansichten alles andere als radikal sind. Dass ich Corona nicht „leugne“, wie es neudeutsch heißt. Dass ich nur finde, dass man die Maßnahmen kritisch hinterfragen und auch die Regierung kritisieren muss: Ich verstehe auch, warum sie solche Angst vor mir haben. Weil im Dialog das sorgsam gepflegte, absurde Feindbild bröckeln würde, weil sie sich dann sachlichen Argumenten stellen müssten, statt ihnen auszuweichen durch Dialogverweigerung und Diabolisierung von Menschen mit anderen Meinungen.

Diese Mechanismen sind altbekannt. Aber vor allem aus autoritären Regimen.

Dass sie sich selbst in die CSU eingefressen haben, ist gruselig.

Über ihren Auftrag schreibt die Hanns-Seidel-Stiftung auf ihrer Seite:

Das Verständnis für Demokratie muss in jeder Generation neu erworben werden.

Zu dieser Überzeugungsarbeit für unsere Demokratie und die freiheitliche, rechtsstaatliche und soziale Ordnung gehört aber auch die Vergewisserung und Verankerung der Grundwerte und Normen unseres Gemeinwesens im Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger.

Weiter heißt es auf der Seite:

Unser Vorsitzender, Markus Ferber, MdEP, beschreibt unseren Auftrag so: „Als Schule der Demokratie wollen wir auf nationaler und internationaler Ebene Menschen motivieren und befähigen, sich aktiv in die Gestaltung ihrer Gesellschaften einzubringen.“

In meinen Augen tritt die Stiftung diesen selbst erklärten Auftrag mit Füßen.

Wenn Sie Stiftungs-Chef Markus Ferber Ihre Meinung dazu sagen wollen, dass er Menschen mit anderer Meinung quasi zu Aussätzigen erklärt und einen demokratischen Diskurs verhindern möchte, können Sie das hier tun – und damit einen kleinen Beitrag zur Bekämpfung von demokratiefeindlichem Verhalten leisten: Per Mail, per normaler Post oder Telefon, auf seiner Twitter-Seite oder auf seiner Facebook-Seite.

Aber vielleicht sollte man sich auch einfach auf das positive konzentrieren: Dass die Vereinigung Europäischer Journalisten standhaft blieb in diesen Zeiten, finde ich ebenso bemerkens- wie lobenswert. Hut ab! Wenn Sie den Kollegen Dank sagen oder Respekt zollen wollen, können Sie das hier tun!

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!


Bild: Free press image ©  Belot / Picture Alliance for DLD, Lizenz CC BY-NC-SA 2.0
Text: br

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