Wie Politiker die Medien dirigieren Ein Lehrstück aus dem Gesundheitsministerium

Ein Gastbeitrag von Sönke Paulsen

Manchmal übersieht man gute Artikel und ärgert sich, diese nicht wenigstens kolportiert zu haben, um das kümmerliche bisschen Kritikfähigkeit unserer Medien etwas zu verstärken.

Warum das überhaupt notwendig ist, zeigt ein Artikel im Tagesspiegel, der nirgendwo gelistet ist und keine Mitstreiter in der Medienlandschaft findet, der aber gleichzeitig einfache Sachverhalte so kompliziert darlegt, dass sie kaum noch lesbar sind, sich also in seiner Kritik selbst entmachtet.

Es soll also erlaubt sein, den Artikel „So verschafft sich Spahn gute Nachrichten über sich selbst“ mit der Unterzeile: „,Volle Transparenz‘? Der Gesundheitsminister und sein Sprecher informieren die Medien nicht, sondern dirigieren sie. Wer kritisiert, wird ausgeschlossen.“ einmal von hinten aufzuzäumen. Denn am Ende kommt meist die Botschaft!

„Im Gespräch mit dem Schauspieler Jan Josef Liefers zur Kampagne #allesdichtmachen sagte Spahn in der ,Zeit‘: ,Was mich allerdings wirklich stört, ist die vielfach behauptete These, wir hätten in unserem Land gleichgeschaltete Medien, die nur die Regierung beklatschen.“‘

Davor wird ausführlich darüber berichtet, wie Spahn nicht nur kritische Medien von Informationen abschneidet, sondern auch Bundestagsabgeordnete der Opposition. Die Methode ist dabei durchaus dem „Merkel-Staat“ zuzurechnen, weil die Kanzlerin es genauso macht, was in dem Artikel aber nicht erwähnt wird.

Problematische Informationen, die das Gesundheitsministerium schlecht aussehen lassen, wie beispielsweise in der Maskenaffäre, in der es um Listen von Abgeordneten ging, die Spahn wegen entsprechenden Angeboten kontaktiert haben, werden erst dann gegeben, wenn die „eigenen Medien“ die Sprechweise Spahns ausführlich öffentlich dargelegt haben.

Die anderen, die danach kommen, müssen dann bereits ein positives Narrativ angreifen, was schwierig ist. Angenehmer Nebeneffekt dieser Methode, Informationen nur an gewogene Redaktionen (Frankfurter Allgemeine und Bild) durchzustechen, ist, dass der Minister dann zunächst wie ein Aufklärer aussieht, obwohl er eigentlich Parlamentarier und Medien von brisanten Informationen abgeschnitten hat.

Egal, die Darstellung der Methode, Kritiker auszustechen, indem man Informationen durchsticht, bevor die wirklich kritischen Journalisten sie in die Finger bekommen, ist dennoch ein Lehrstück manipulativer demokratischer Macht, die Spahn mittels wohlgesonnener Redaktionen und Journalisten ausübt und damit angeblich die Transparenz herstellt. In Wirklichkeit kommt auf diese Weise nur Spahns Version der Maskenaffäre an eine breite Öffentlichkeit. Die Manipulation, man könnte auch sagen, Gleichschaltung, wird auf diese Weise perfekt.

Das Prinzip ist: Teile und Herrsche, wobei mit „Teile“ eben nicht das Teilen von Informationen, sondern das Nichtteilen gemeint ist. Das Gegenteil von Transparenz, die Spahn für sich reklamiert.

Nun mögen manche Leser vielleicht denken, warum man über so etwas noch schreibt. Spahn sei schließlich als fiese Sau, der es nur um die Macht und die eigene Bereicherung geht, längst enttarnt und hat keine politische Zukunft mehr.

Wirklich?

Schröder und Merkel haben sich mit Hilfe dirigierter (nicht informierter) Medien jahrelang an der Macht gehalten und Merkel hat überdies die allerbesten Verbindungen zum Springer-Verlag sowie zum Bertelsmann-Imperium mit diversen Zeitschriften, einem Forschungsinstitut und Rundfunk- und Fernsehbeteiligungen.

Ein Schelm, der bei Spahn an Burda denkt.

Die aktuellen Informationen, die exklusiven Informationen, so beschreibt es auch der Tagesspiegel, bekommen diejenigen, die „positiv“ berichten, also nicht zu kritisch sind. Die anderen werden gar nicht eingeladen.

Die „Unter Drei-Erpressung“

Wenn man Informationen zurückhalten möchte und gleichzeitig die Öffentlichkeit informieren will, weil es die Transparenz gebietet, sind auch so genannte „Unter Drei-Gespräche“ mit der Presse sehr beliebt. Wer im politischen Berlin unterwegs ist, erlebt das ständig.

Ein brisantes Thema wird „Unter Drei“ mit Pressevertretern angesprochen. Sie dürfen aber nicht offen berichten. Der Deal ist, dass die Medien Informationen bekommen, die sonst noch eine Weile zurückgehalten worden wären, das Ministerium so aber seine Transparenzpflicht erfüllt hat. Die Journalisten, die sich nach einem „Unter Drei-Gespräch“ zu weit aus dem Fenster hängen, werden, die Drohung steht im Raum, zukünftig nicht mehr zu solchen Gesprächen eingeladen, landen also auf einer virtuellen „Schwarzen Liste“, die es faktisch natürlich nicht geben darf, die es aber dennoch gibt.

Im Beispiel des Tagesspiegels ist das Spiel also gewesen: Spahn hat die Medien informiert, aber die Medien nicht die Öffentlichkeit. Spahn steht gut da und die Medien wurden zum Schweigen gebracht.

Warum soll man über so etwas noch schreiben?

Richtig, wird sich auch der Tagesspiegel gedacht haben, und hat es trotzdem geschrieben, obwohl es allgemeiner Desinformationsalltag in Berlin ist, weil es eben kaum einer liest.

Zurück zur fiesen Sau. Die Leute wollen deftige Feindbilder vorgesetzt bekommen, die sie heftig verabscheuen dürfen. Die Tatsache, dass die manipulative Macht in unserer Republik viel subtiler und zweideutiger ausgeübt wird und gerade die besonders Verdächtigen, wie Spahn, oft besonders geschickt und skrupellos vorgehen, widerspricht aber dem Wunsch nach einem klaren „politischen Abschuss“. Leute wie Spahn, aber auch die Kanzlerin selbst, werden einfach nicht getroffen, weil sie sich rechtzeitig (um)positionieren. Auch mit Hilfe der dirigierten Medien.

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

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Sönke Paulsen ist freier Blogger und Publizist. Er schreibt auch in seiner eigenen Zeitschrift „Heralt

Hier finden Sie seine Fortsetzungsgeschichte „Angriff auf die Welt“ – der „wahre“ Bond.

Bild:
Text: Gast
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