Die Mail kam von einem Insider. Der empört ist, was den Krankenkassen zugemutet wird. “Sie werden von Herrn Spahn um ein Großteil ihres Vermögens sozialistisch enteignet! Das ist einzigartig und gab es noch nie. Alles um die Kostensteigerungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), insbesondere die Corona-Maßnahmen – zu verschleiern.“
„Eine Diskussion in der Öffentlichkeit, werden Sie nur in den Fachmedien finden“ schrieb mir der Leser: „Die breite Masse hat keine Ahnung, was da gerade getrieben wird.“
Weiter führt er aus: „Der durchschnittliche Zusatzbeitrag der Krankenkassen müsste ohne Steuerzuschüsse und diese Raub-Maßnahme im Jahr 2021 für die Versicherten von 1,1 auf 2,2 Prozent verdoppelt werden. Der viel gelobte und finanziell super ausgestattete Gesundheitsfonds wäre ohne die Maßnahmen im Minus. Da man das im Wahljahr den Wählern nicht zumuten kann, hat Herr Spahn den Plan ersonnen, den Versicherten einfach das Vermögen vorsorglich zu rauben. Bis nach der Wahl merkt so keiner, dass er theoretisch schon lange über 40 Prozent Sozialversicherungsbeiträge bezahlt. Steuerzuschüsse, Rücklagenvernichtung – egal. Hauptsache es merkt niemand, dass man schon bald pleite ist.“
Weiter schreibt der Insider: „Dazu muss man wissen, dass die Krankenkassen eine Rücklage in der Satzung fixiert haben, welche in der Regel zwischen 0,2 (gesetzliche Mindestrücklage) und 1,0 einer Monatsausgabe (Höchstrücklage) ist. Die Höhe beschließen Vorstand und Verwaltungsrat einer Krankenkasse (Satzungsautonomie). Jetzt sollen die Krankenkassen 66 Prozent der Reserven abgeben, die über 0,4 Prozent der Rücklage hinaus gehen. Das sind insgesamt 8 Mrd. Euro der Rücklagen der GKV. Manche Krankenkassen hatten zwar wesentlich mehr als 1 Monatsrücklage ‚gespart‘, aber das ist ja auch nicht zum Selbstzweck oder Gewinnoptimierung. Es wird in der Regel über die Jahre wieder ausgeglichen. Schon weil das Geld aufgrund der vielen finanziellen Versprechen der Vorjahre von Herrn Spahn, wie im Schnee schmilzt. Auch die Einsparungen des ersten Halbjahres 2020 und damit die ‚Gewinne der Krankenkassen‘ sind nicht real. Weil es im zweiten Halbjahr ein Nachholfeffekt der Leistungen gibt und die Einnahmesituation (Aufgrund Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit) katastrophal ist. Es ist sogar jetzt schon absehbar, dass es zu finanziellen Schieflagen von Krankenkassen in 2021 kommen wird. Es gibt Krankenkassen, die den Zusatzbeitrag nicht erhöhen durften, weil sie angeblich noch zu viel Rücklagen hatten. Nun trifft sie diese Entscheidung doppelt hart.“
Die Angaben des Insiders belegen auch diverse Veröffentlichungen. „Die Zusatzbeiträge werden im kommenden Jahr um 0,2 Punkte auf im Durchschnitt 1,3 Prozent zulegen. Angesichts einer drohenden Finanzierungslücke der GKV in Höhe von 16 Milliarden Euro hätten die Zusatzbeiträge eigentlich auf bis zu 2,2 Prozent im Jahr 2021 steigen müssen“, schreibt das Deutsche Ärzteblatt: „Das wollte die große Koalition im Wahljahr verhindern und hat am Dienstag ein Maßnahmenpaket zur Umsetzung der sogenannten ‚Sozialgarantie 2021‘ vorgelegt. Damit soll gewährleistet werden, dass die Sozialversicherungsbeiträge insgesamt nicht über 40 Prozent steigen.“
Auch der „Dienst für Gesellschaftspolitik“ (dfg) schlägt Alarm: Eine Publikation, die sich auf die politische Ebene der Krankenversicherung spezialisiert hat. Der Herausgeber Wolfgang Lange ist exzellent in der Krankenkassen/Krankenhauslandschaft vernetzt. Er sieht das Problem ähnlich wie das Ärzteblatt und geht hart mit Spahn ins Gericht: „Er gab sich gerne als ‘Entscheider‘, der entschlossen Missstände gesetzgeberisch aufgreift. Aber schaut man sich seine letzten Entscheidungen an, dann müßte man ihn als ‘Brachiator‘ qualifizieren. Mit brachialer Gewalt scheint er – der sich gerne als Marktwirtschaftler gibt – das bundesdeutsche Gesundheitssystem sozialisieren zu wollen.“
Das, war aber Bürger außerhalb der Diskussionen in Fachkreisen mitbekommen werden, ist in etwa folgendes, was die Frankfurter Allgemeine verlautbart: „Wegen der Corona-Krise werden die Zusatzbeiträge zur Krankenversicherung im kommenden Jahr steigen. Geplant ist eine Anhebung des durchschnittlichen Satzes um 0,2 Prozentpunkte auf 1,3 Prozent. Darauf haben sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) nach Informationen der F.A.Z. geeinigt.“
Spahn Was in der Branche riesigen Unmut und Angst auslöst und von manchen als „Raub“ betrachtet wird, behandelt die Zeitung mit einem einzigen Satz ab: „Weitere acht Milliarden Euro will Spahn aus den Rücklagen der Krankenkassen entnehmen.“
Der CDU-Gesundheitspolitiker Alexander Krauß klagt in der Ärztezeitung: „Jetzt werden jene Krankenkassen ausgeplündert, die solide gewirtschaftet haben.“ Besonders betroffen ist offenbar AOK plus (Sachsen und Thüringen) und die Techniker Krankenkasse. „Das sei Sozialismus und eine Bestrafung der Kassen, die für Krisen vorgesorgt hätten“, schreibt die Ärztezeitung.
So umstritten Spahns Schritt ist – er ist legal. „Die gesetzlichen Kassen sind Teil der mittelbaren Staatsverwaltung“, erklärt die Ärztezeitung: „Sie sind rechtlich selbstständige und vom Staat weitgehend unabhängige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung. Doch sie sind an gesetzliche Vorgaben gebunden – und die ändert Spahn.“ Weiter heißt es: „Schon lange sind die aus seiner Sicht überbordenden Reserven mancher Kassen dem Minister ein Dorn im Auge. Durch akribische Vorgaben hat er in den vergangenen Jahren versucht, einen Rücklagenabbau zu erzwingen. Nun dürfte er froh sein, dass er auf das noch vorhandene Tafelsilber reicher Kassen zugreifen kann.“ Dabei komme das Corona-Loch in der Gesetzlichen Krankenversicherung dem Minister gut zupass, denn nur ein Teil des Defizits gehe tatsächlich auf die Pandemie-Kosten zurück. Bereits vor Beginn der Corona-Welle gab es laut Ärzteblatt vermehrt Warnungen vor einer Ausgabenwelle. Die sei vor allem durch viele ausgabenträchtige Gesetze des Gesundheitsministers befeuert worden.
Bild: rumka_vodki/Shutterstock
Text: red
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