Der Duden definiert das Wort „Rechtsbeugung“ wie folgt:
bei der Entscheidung einer Rechtssache im Amt begangenes Delikt der vorsätzlich falschen Anwendung des Rechts oder der Verfälschung von Tatsachen zugunsten oder zum Nachteil einer Partei.
Die Staatsanwaltschaft München ermittelt jetzt gegen den AfD-Bundestagsabgeordneten Petr Bystron. Er soll nach Ansicht der Ermittler den Hitlergruß gezeigt haben. Auch der Bundestag hat nun die Immunität Bystrons aufgehoben. Der Politiker ist gebürtiger Tscheche, der mit 15 Jahren von der Staatssicherheit festgenommen wurde und später in der Bundesrepublik politisches Asyl erhielt. Von 2006 bis 2013 war er Mitglied der FDP.
Es ist völlig egal, wie man zur AfD und zu Bystron steht. Ich persönlich stehe beiden wie allen Politikern kritisch gegenüber, verurteile aber gleichzeitig die Hexenjagd, die in Deutschland gegen die Partei und ihre Politiker stattfindet.
Ein Blick auf das Video der Veranstaltung – Teil eines bundesweiten Protesttags der AfD gegen die Impfpflicht am 5. März – und die Stelle, an der angeblich der Hitlergruß gezeigt wurde, zeigen, dass die Anschuldigungen der Münchner Staatsanwaltschaft – einer der Politik weisungsgebundenen Behörde – schlicht absurd sind. Die Frage ist hier: Können die Beamten wirklich so falsch liegen in ihrer Einschätzung oder herrscht hier eine vorsätzlich falsche Anwendung des Rechts vor – so wie der Duden die „Rechtsbeugung“ definiert?
Machen Sie sich selbst ein Bild:
Gewinnspiel: Wer hier einen #Hitlergruß sieht, gewinnt einen Praktikumsplatz bei der Staatsanwaltschaft München I, im Büro der Gruppenleiterin #Diplich. #Immunitätsaufhebung.https://t.co/btsljD3RUG
— ᴘᴇᴛʀ ʙʏsᴛʀᴏɴ (@PetrBystronAfD) July 9, 2022
Und nun vergleichen Sie bitte die Szene mit anderen Politikerbildern:
Petr Bystron muss sich vor Gericht für einen erhobenen Arm im Rahmen eines Vortrags verantworten.
Die anderen nicht.
Also, liebe Leute,wer nicht in der AfD ist, darf den Arm heben.
Wer in der AfD ist, dem soll diese Geste als strafbare Handlung ausgelegt werden. Ungeheuerlich! pic.twitter.com/wO16F68UEa— Erika Steinbach (@SteinbachErika) July 9, 2022
Da ist es doch viel wahrscheinlicher, dass Lauterbach einen Hitlergruß gezeigt hat als ein Liberaler wie Bystron … Die übliche Hetze gegen Oppositionspolitiker in einer Demokratur https://t.co/BkvmuUP8nh https://t.co/gHh4WI8CfH pic.twitter.com/1JhbRPNP0w
— @Swingtanz verboten – 'Verstehste was ich meine?!' (@Swingtanz) July 9, 2022
Der Bayerische Rundfunk schreibt: „Während eines Redebeitrags bei einer AfD-Kundgebung auf dem Münchner Königsplatz ‘hob der Abgeordnete Bystron zu den Worten ‚Wir sind die AfD‘ bewusst seinen rechten ausgestreckten Arm in Richtung der Teilnehmer der Kundgebung‘, erläuterte Oberstaatsanwältin Anne Leiding. Dies könnte einen verbotenen Hitlergruß laut Strafgesetzbuch darstellen.“
Staatsanwälte, die so vorgehen, hätten wohl auch zu anderen Zeiten und in anderen Systemen eine blendende Karriere im jeweiligen Justizapparat vor sich gehabt. Oberstaatsanwältin Leiding ist lediglich Sprecherin der Anklagebehörde und nicht die zuständige Beamtin für diesen Fall. Dennoch ist der Leitspruch, mit dem sie in der Öffentlichkeit auftritt, bemerkenswert: „Wir müssen den Rechtsstaat täglich verteidigen“ (siehe hier). Die gleiche Staatsanwaltschaft hatte bereits früher eine Hausdurchsuchung bei Bystron betrieben, die später als rechtswidrig verurteilt wurde.
Bystron konterte, es sei „offensichtlich“, dass er keinen Hitlergruß gezeigt habe. Er spricht von einer „politisch instrumentalisierten Staatsanwaltschaft, die vollends ihre Neutralität verloren hat“. Die Opposition werde „mit völlig an den Haaren herbeigezogenen Verfahren überzogen“. Bystron schrieb alle Mitglieder des Immunitäts-Ausschusses des Bundestags an und schickte ihnen Fotos von anderen Politiker, die auf ähnliche Weise die Hand ausstrecken. Sinn der Immunität ist es, Abgeordnete vor möglicher politischer Verfolgung zu schützen. Doch die Abgeordneten im Immunitäts-Ausschuss spielten das Spiel der Staatsanwaltschaft mit.
Der Vorwurf ist im Lande, die Schlagzeilen mit „Bystron“ und „Hitlergruß“ werden hängen bleiben – egal, was am Ende dabei herauskommt. Getreu dem Motto: Wenn man nur genügend mit Exkrementen schmeißt, bleibt schon etwas hängen. Selbst wenn man, wie der „Spiegel“ nach einer vernichtenden Überschrift im Vorspann Vorsicht heuchelt: „Doch der Fall ist alles andere als eindeutig“.
Ich weiß sehr wohl, wie unbeliebt man sich macht, wenn man die AfD oder ihre Politiker verteidigt, und wie das sofort ausgenutzt wird, um einen in eine bestimmte Ecke zu framen. Aber offensichtliches Unrecht ist etwas, wogegen man als Mensch mit Gerechtigkeitsempfinden in jedem Fall die Stimme erheben muss. Was die Staatsanwaltschaft in München hier tut, zusammen mit dem Immunitätsausschuss des Bundestags, ist eine schwere Beschädigung des Rechtsstaates und der Demokratie. Was im „besten Deutschland aller Zeiten“ aber leider schon weniger eine Ausnahme zu sein scheint als vielmehr die Regel.
Dass der Bundestag bei dieser Farce mitspielt und die Immunität des Kollegen wegen offensichtlich rechtsmissbräuchlicher Anschuldigungen aufhebt, dass offenbar jedes noch so absurde Mittel recht ist, um Kritiker der Regierung als „Nazis“ zu diffamieren, wird eine von vielen Erscheinungen im heutigen Deutschland sein, die eine künftige Vergangenheitsbewältigung aufarbeiten muss.
Text: br