ZDF-Schlagabtausch: Opposition prügelt sich – Regierung duckt sich weg Die Herren pöbeln gegen Weidel und Wissler

Von Alexander Wallasch

Damit es nicht ganz so peinlich parteiisch aussieht, dürfen sich die vermeintlich Kleinen auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen präsentieren, erst im ZDF, später ARD. Nein, nicht am Sonntagabend. Nein, nicht drei mal hintereinander zwei Stunden lang, dafür gewissermaßen als Kickoff eine knappe Stunde am Montag im ZDF schon ab 19 Uhr.

Die Grünen gehören nicht mehr zu den Kleinen, sie wurden über Jahre auf Kosten des Zwangsgebührenzahlers in die Zweistelligkeit und in die Kanzlerkandidatur subventioniert.

Wolfgang Kubicki kommt als Stellvertreter von Christian Lindner, der FDP-Chef findet beim ZDF faktisch nicht statt, er will wohl nicht unnötig auf seinen Totalausfall in der vergangenen Legislatur aufmerksam machen, später im Ersten Deutschen Fernsehen kann er sich dann nicht mehr drücken und stößt dazu in etwa so, wie der Phönix zurück in die Asche.

Die Linke und die AfD als Oppositionsführer sind jeweils mit Parteichefin angetreten, Alice Weidel hatte zuletzt die eindrucksvollste Rede ihrer Karriere im Deutschen Bundestag gehalten, Janine Wissler ist nicht ganz so populär, muss sich ihre Sporen erst noch verdienen. Beide Damen absolvieren hintereinander beide Auftritte in beiden öffentlich-rechtlichen Sendern.

Die Öffentlich-Rechtlichen nennen es „Schlagabtausch“. Aber was für eine Farce soll das sein, wenn die AfD hier gegen drei Parteien antreten soll, die sich als Juniorpartner von CDU, oder SPD und Grünen andienen?

Wenn es überhaupt zu einem „Schlagabtausch“ kommen sollte, dann doch wohl zwischen dem Oppositionsführer und den Regierungsparteien SPD und Union – die machen aber lieber mit sich selbst Werbefernsehen in drei Kanzlerduellen und haken sich dabei gemütlich bei den Grünen unter, mit denen beide ehemalige Volksparteien gleichermaßen anbändeln.

Ein Schlagabtausch geht jedenfalls anders. Hier sollen sich die Kleinen gegenseitig ans Bein machen oder noch besser: alle auf die AfD in Gestalt von Alice Weidel eindreschen – ist das das Konzept der Sendung? Wird Weidel sich das gefallen lassen?

Was sich Armin Laschet und der ÖR gestern Abend in Richtung AfD herausgenommen haben, war unter aller Kanone – Laschet war nicht einmal anständig genug, darauf zu bestehen, sich direkt mit dem Oppositionsführer zu duellieren – in der Geschichte der Wahlen der Bundesrepublik ist das eine weitere Zäsur.

Lauer Alibi-Pseudo-Schlagabtausch

Nicht einmal eine Stunde soll dieser laue ZDF-Alibi-Auftakt-Schlagabtausch am frühen Montagabend dauern. Es moderiert Matthias Fornoff. Auch so: Später bei „Hart aber Fair“ sind wieder nur Vertreter der SPD, der CDU und der Grünen geladen. Was für ein Elend, Moderator Frank Plasberg ist längst ganz unten angekommen, nicht mehr erwähnenswert diese Sendung.

Los geht’s. Aber vorher kommt noch Werbung für „Tena discreet“. Auf die Binde gegen das Maleurchen im Alter folgen die alten weißen Mainzelmänner und der auch nicht mehr so junge Matthias Fornoff legt gleich los. Was allerdings Markus Blume von der CSU in dieser Sendung verloren hat, bleibt im Dunkeln.

„Klima, Rente, bezahlbares Wohnen und Steuern, dass sind Themen, die die Wahl mitentscheiden können“, beginnt Fornoff. Weitere nicht ganz unbedeutende Themen sind allerdings Zuwanderung und die Corona-Politik der Bundesregierung – mit der geht es dann auch tatsächlich los.

Markus Blume von der CSU darf anfangen, er wäre ja jemand, dessen Partei in Berlin mitregiert. Was für ein Auftakt, wo dem Oppositionsführer, also Alice Weidel, hier ohne jeden Zweifel der Auftakt gehört hätte. Jetzt verteidigt Blume die Regierungspolitik, ohne dass sich die Regierung hier im Wahlkampf befindet, denn macht Blume krasse Fehler, kratzt es weiter niemanden im Team Laschet.

Alice Weidel kritisiert die Spaltung der Gesellschaft in Geimpfte und Ungeimpfte. Und sie erwähnt gleich mal die Pläne, Ungeimpften, die auf staatliche Anweisung hin in Quarantäne müssen, dann die Lohnfortzahlung zu streichen. Die Parteichefin der AfD hält das für verfassungswidrig. Der Staat müsse dem Bürger die Abwägung zwischen den Risiken und dem Nutzen einer Impfung selbst überlassen.

Wolfgang Kubickis erste Wortmeldung ist schon eine erste egozentrische Unverschämtheit. Er bemängelt nämlich, dass er nach Weidel sprechen muss und damit schon klarstellen müsse, dass er nicht dieselbe Position wie die AfD hat.

Deckungsgleichheit bei Corona

In Sachen Corona ist da aber nunmal eine gewisse Deckungsgleichheit, wie peinlich. In Kubickis Intervention ist das ganze Elend der Debatte und dieser unechten FDP von 2021 schon enthalten. Der Parteivize wirbt dafür, dass doch einfach jeder auf sich selbst achten soll, ja, das kann die FDP seit Jahrzehnten ganz gut, vor allem auf sich selbst achten.

Kubicki kritisiert die Fortsetzung der pandemischen Lage nationaler Tragweite, die hält er für fragwürdig, für noch fragwürdiger aber die Idee, Tests innerhalb so einer Lage kostenpflichtig zu machen.

Die linke Parteichefin Janine Wissler ist gegen das Recht des Arbeitgebers, bei Mitarbeitern den Impfstatus abzufragen. Sie spricht die Luftfilter in Schulen an. Sie wirbt indirekt allerdings dafür, Kinder zu impfen, denn Long-Covid wäre hier ein Thema – in den USA wären Kinder an Covid gestorben. Dass das aber Kinder mit massiven Vorerkrankungen waren, lässt Wissler ebenso aus wie eine gewichtige Studie aus den USA, welche Impfen für potentiell gefährlicher hält als das Risiko einer Infektion, die an Kindern quasi spurlos vorbeigehen soll.

Wer dieser Tage die Beiträge der prominenten Linkspolitiker Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht gehört und gelesen hat, der kann sich denken, was die beiden gerade zu Hause vor dem Fernseher über ihre Parteichefin denken mögen.

650 Milliarden Euro, gerne auch doppelt so viel, soll die Pandemie kosten, rechnet der Moderator moderat vor.

Markus Blume von der CSU ist lustig, denn er macht Vorschläge, wie es aus der Krise gehen kann: Nach sechzehn Jahren Regierungsbeteiligung will er „aus der Krise herauswachsen“. Also aus der selbstverursachten Krise dieser Krisenregierung – klar, schuld sind immer die anderen oder das Klima oder die Finanzkrise oder das Virus.

Janine Wissler will eine Vermögensabgabe, eine Vermögenssteuer – Kubicki und Weidel lauschen dazu unabhängig voneinander mit breitem Grinsen.

‘Finanzpolitisches Vodoo‘

„Sie müssen vielleicht mal ein bisschen Wirtschaft lernen, das ist ein dynamischer und kein staatlicher Prozess“, sagt der Freidemokrat jetzt zur Chefin der Linkspartei, der hier so forsch mit einer Distanzeritis gegen die AfD gestartet ist. Janine Wissler nennt im Gegenzug, was die FDP möchte, „finanzpolitisches Vodoo“.

Kubicki erwidert Folgendes: „Überlassen wir Christian Lindner demnächst das Finanzministerium, dann zeigen wir, wie das funktioniert.“ Aber wo ist dieser Herr Lindner im ZDF? Vor allem: Wo war besagter Lindner die letzte Legislatur? Nachdem er sich vollmundig hat in den Bundestag wählen lassen, ist er ganze vier Jahre faktisch abgetaucht. Wird er wieder abtauchen, wenn er den Posten tatsächlich bekäme? Und wer soll ihm überhaupt das Ministerium geben? Von wem würde er es im Tausch gegen die Prozente der FDP annehmen – von Scholz oder von Baerbock?

Und dann kommt’s von Kubicki so platt und traurig, wie es nur geht: „Wenn Sie so viel von Wirtschaft verstehen würden, dann wäre die DDR nicht untergegangen.“ Das ist aber nicht nur falsch, sondern auch ahistorisch und ein bisschen doof, weil es den Langzeitpolitiker so alt macht. Frau Wissler war nämlich beim Fall der Mauer gerade einmal acht Jahre alt, Kubicki wird im kommenden Jahr 70 Jahre alt.

Alice Weidel findet es schade, dass der Totimpfstoff Sputnik aus Russland in Deutschland verhindert wurde.

In der Schnellfragerunde mit eingeblendeten Fragen aus dem Internet sind Weidel und Wissler zuerst je eine Minute an der Reihe und bestehen diese Herausforderung beide fehlerfrei.

Dann kommen erst einmal die Eisbären dran. Die werden eingeblendet um die Notwendigkeit von Klimamaßnahmen zu illustrieren. Alle Anwesenden sollen der Reihe nach aufsagen, warum sie es nicht so toll hinbekommen wie die Grünen. Kubicki ist gut vorbereitet, das gefällt sichtbar wieder Frau Weidel oder sie strahlt nur, um den FDP-Vertreter mit dieser Zuneigung zu kompromittieren, denn der hatte ja eingangs schon von seinen Problemchen gesprochen.

Bunte Regenbogenanstecker

Kubicki will „Wohlstand und Klimaschutz miteinander verbinden.“ Aber wie soll das gehen, wenn in Davos und sonst wo schon die Zeit der besitzlosen Glückseligkeit ausgerufen wurde und sich ausgewählte Führer der Welt mit bunten Regenbogenansteckern schmücken als Zeichen, dass sie es wirklich ernst meinen?

Janine Wissler hat ziemlich lange Redeanteile. Aber so wird es belohnt, wenn man das Parteiprogramm auswendig aufsagen kann.

Markus Blume geht leider ebenso flach und peinlich gegen Weidel vor, wie zuvor Kubicki gegen Wissler: Die AfD würde sich mit der Klima-Leugnung und der Corona-Leugnung „völlig außerhalb des demokratischen Diskurses“ stellen und sich „moralisch diskreditieren“. Nein, solche eingestaubten ÖR-TV-Rituale gegen die AfD muss man nicht mehr kommentieren.

Alice Weidel pariert den Anwurf, dass die AfD nichts für die Verbesserung des Klimas tun würde, allerdings recht gut: Sie geht in den Gegenangriff über und schildert, was passiert, wenn wir mit dem deutschen Sonderweg im Klimaschutz so weitermachen.

Weidel erinnert an die Hunderttausende von Arbeitsplätzen, die in der Automobilindustrie verloren gehen würden. Und die AfD-Frontfrau erinnert an die Niederlande, die gerade zehn Atomkraftwerke bauen würden, für eine CO2-arme Zukunft.

Um was später mit dem Strom zu machen, möchte man nachhaken: Das dann als Strommangelgebiet ausgewiesene Deutschland für viel Geld versorgen?

Janine Wissler fällt dazu u.a. ein, es wäre doch absurd, jetzt ein Revival der Atomkraft zu fordern. Allerdings gehen die Niederländer nach Weidels Angaben darüber längst hinaus, sie fordern nicht, sie planen und bauen.

Langer Arm der Grünen

„Wir haben keine Zeit“, so Wissler und übernimmt die These der Grünen, dass nur noch eine Legislatur Zeit wäre, von Deutschland aus die Welt zu retten. Der lange Arm der Grünen reicht vom Würgegriff bei Laschet und Scholz am Sonntag bis hier ans rote Sakko der Linken.

Besonders schriller Moment: Markus Blume nennt in seiner Schnellantwortrunde die AfD den „parlamentarischen Arm von Rassismus, Hass und Hetze“. Damit steht also zu befürchten, dass die Union länger als eine Legislatur in die Oppositionsrolle schlüpfen muss, wenn sie die nächsten vier Jahre damit zubringen will, als neuer Oppositionsführer den Vorgänger zu bekämpfen und rot-rot-grüner Regierungspolitik nur zuzuschauen.

„Herr Kubicki, vielleicht könnten sie aufhören, mir dauernd dazwischen zu blubbern!“, erregt sich irgendwann die Linke, verliert dabei scheinbar die Contenance, aber auch diese Aufregung wirkt auswendig gelernt.

„Sie träumen jeden Tag vom demokratischen Sozialismus und mit den Corona-Folgen usw. – unter diesem Mantel versuchen Sie diesem Ziel näher zu kommen: Enteignungen, volles Programm, alles bei Ihnen, Sie geben sich ja gar keine Mühe so zu tun, als wenn Sie es nicht wollten“, wirft jetzt Markus Blume der Linken vor.

Kubicki und Blume schießen sich auf die Linke ein. Die AfD ist ja längst von allen Parteien isoliert worden, aber die Linke gilt als koalitionsfähig für SPD und die Grünen – das wollen die Herren noch torpedieren und beschmutzen.

AfD-Lob für FDP-Mann

Für Alice Weidel sicher eine neue Erfahrung, also ärgert sie Kubicki weiter, indem sie ihn lobt, dieses oder jenes „richtig ausgeführt“ zu haben.

Erstaunlich ist, dass Weidel immer dann besonders präsent ist, wenn sie angegriffen wird. Wenn der Angriff oder Übergriff ausbleibt, schwimmt sie ein bisschen, scheint es nicht gewohnt, dass ihr niemand ins Wort fällt oder sonst wie dazwischen grätscht.

Ach, Matthias Fornoff macht das gar nicht schlecht. Übergriffigkeiten hat man in den vier öffentlich-rechtlichen Talkshows in den vergangenen Jahren schon reichlich gesehen, hier sind sie im Grundsätzlichen, im Konzept der Sendung zu finden, nicht im Auftritt des Moderators.

Und dann ist die denkwürdig knappe Sendezeit dieser ganz merkwürdigen oppositionellen Selbstzerfleischung schon um. Jeder bekommt gerade noch vierzig Sekunden, rasch etwas aus dem Parteiprogramm zu zitieren.

Unabhängig von den unterschiedlichen Positionen hat diese Sendung gezeigt, dass alle vier Vertreter der Parteien gut aufgestellt sind, was die Kommunikation ihrer Standpunkte angeht.

Bedauerlich allerdings bleibt das punktuell schlechte Benehmen der Herren sowohl gegenüber Janine Wissler als auch gegenüber der glänzend aufgelegten Alice Weidel, die sich aber nicht wie Wissler hat aus der Ruhe bringen lassen. Später wird es in der ARD noch weitergehen. Die Damen ziehen durch, die Herren sind erschöpft und werden ausgewechselt.

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine.

Alexander Wallasch ist gebürtiger Braunschweiger und betreibt den Blog alexander-wallasch.de. Er schrieb schon früh und regelmäßig Kolumnen für Szene-Magazine. Wallasch war 14 Jahre als Texter für eine Agentur für Automotive tätig – zuletzt u. a. als Cheftexter für ein Volkswagen-Magazin. Über „Deutscher Sohn“, den Afghanistan-Heimkehrerroman von Alexander Wallasch (mit Ingo Niermann) schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: „Das Ergebnis ist eine streng gefügte Prosa, die das kosmopolitische Erbe der Klassik neu durchdenkt. Ein glasklarer Antihysterisierungsroman, unterwegs im deutschen Verdrängten.“ Seit August ist Wallasch Mitglied im „Team Reitschuster“. Dieser Artikel erschien zuerst auf seiner Seite  alexander-wallasch.de

Bild: Screenshot Schlagabtausch ZDF
Text: wal

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